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Sehnsüchtige Blicke in die Ferne: Caspar David Friedrichs „Mondaufgang am Meer“ aus dem Jahr 1822
Foto: SMB, Nationalgalerie/Jörg P. AndersSehnsüchtige Blicke in die Ferne: Caspar David Friedrichs „Mondaufgang am Meer“ aus dem Jahr 1822

Kunst · Geschichte · Essays

Romantik mit Sahne

Caspar David Friedrich wurde einst in der Berliner Jahrhundertausstellung von 1906 wiederentdeckt – Daran erinnert jetzt die Jubiläumsschau zum 250. Geburtstag des pommerschen Malers in der Alten Nationalgalerie

Silvia Friedrich
01.05.2024

Nach Hamburg und vor Dresden feiert nun Berlin in einer Jubiläumsausstellung mit 61 Gemälden und 54 Zeichnungen Caspar David Friedrichs 250. Geburtstag. Während man in Hamburg die Werke im Kontext zur Gegenwartskunst präsentierte und in Dresden unter dem Motto „Wo alles begann“ seinen Landschaftsbildern alte Meister entgegengestellt, geht es in Berlin einzig um den Jubilar. Im Hinblick auf die Wiederentdeckung des Künstlers zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist es „Friedrich pur“.

Noch bis zum 4. August können Besucher die „Unendlichen Landschaften“ erwandern, und das an einem Ort, der schöner nicht sein könnte: der Alten Nationalgalerie aus dem 19. Jahrhundert auf der Museumsinsel. Friedrich, in Greifswald 1774 geboren, lebte 40 Jahre in Dresden, wo die meisten seiner berühmten Werke entstanden und sich so seine Vorliebe für Flüsse und Berge entwickelte, gelangte ausgerechnet in Berlin zu Ruhm, eine Stadt, die er nicht leiden konnte.

Den Anfang der auf zwei Etagen ausgestellten Schau machen Friedrichs Bilderpaare. Die zeitgleich entstandenen Bilder zwingen den Betrachter durch die direkte Hängung zu Vergleichen und Schlussfolgerungen. Bilderpaare nehmen bei Friedrich eine besondere Rolle ein. Steter Wandel in der Natur und im Leben kommt hier zum Ausdruck. Gleich beim Eintreten fällt der Blick auf das bedeutendste Paar, das Friedrichs Ruhm in Berlin begründete. Da hängen der „Mönch am Meer“ (1808–1810) und die „Abtei im Eichwald“ (1809/1810) direkt nebeneinander und lassen jeden staunend verharren. 200 Jahre zuvor riefen sie bereits heftige Reaktionen hervor.

Eigentlich war damals der Kronprinz schuld an Friedrichs Ruhm. Der älteste Sohn der im Juli 1810 verstorbenen Königin Luise, Friedrich Wilhelm, der später als „Romantiker auf dem Thron“ bezeichnet wurde, drängte seinen Vater, König Friedrich Wilhelm III., dazu, die beiden Werke des unbekannten Malers zu kaufen. Unter dem Titel „Zwei Landschaften in Öl“ waren sie auf der Berliner Akademieausstellung zu betrachten. Der König erwarb sie für 450 Taler. Vielleicht fand der 15-Jährige in ihnen Trost, denn auch Friedrich verlor bereits als Kind die Mutter, als er sechs Jahre alt war.

Für den Maler bedeutete dieser Kauf von allerhöchster Stelle den Durchbruch. Weitere Ankäufe durch das Königshaus folgten. Der „Mönch am Meer“, der sich durch bis dato unbekannte Reduktion bis fast zu einer abstrakten Darstellung der Natur auszeichnete und heute als Vorläufer der Moderne gilt, ließ die Geistesgrößen der Stadt aufhorchen. Heinrich von Kleist beschrieb seinen Eindruck mit den Worten: „... als ob einem die Augenlider weggeschnitten wären.“ So entgrenzt und verloren fühlte sich der Dichter beim Anblick dieser Kunst. Doch wurde Friedrich in seiner Zeit wenig verstanden. Seine Familie lebte verarmt, und nach seinem Tod geriet der Maler trotz vieler Bewunderer schnell in Vergessenheit.

New York zieht mit Friedrich nach
Anfang des 20. Jahrhunderts warf man dem Direktor der Nationalgalerie Hugo von Tschudi eine gewisse „Franzosenliebe“ vor, dem er 1906 durch eine von ihm initiierte Deutsche Jahrhundertausstellung entgegenwirken wollte. Dabei präsentierte man auf engem Raum 36 Gemälde des vergessenen Künstlers. 57 seiner Zeichnungen hingen im Neuen Museum. Friedrichs Ruhm als bedeutendster Maler der deutschen Romantik wurde begründet, und das auch weit über Deutschland hinaus, denn auch New York wird 2025 seine Werke ausstellen, „The Soul of Nature“ im Metropolitan Museum of Art.

In Bezug auf die Ausstellung von 1906 präsentiert die Nationalgalerie, die eine der größten Friedrich-Gemälde-Sammlungen weltweit beherbergt, nun fast die Hälfte der damals gezeigten Meisterwerke wie den „Mönch“, „Das Eismeer“ (1823/24) „Lebensstufen“ (1834), „Der einsame Baum“ (1822), „Hünengrab im Schnee“ (1807) oder „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ (1819/20), allerdings weniger eng, sondern weitläufig und luftdurchflutet. Dass man Hamburgs „Mona Lisa“, den „Wanderer über dem Nebelmeer“ (1818), nicht zeigt, liegt daran, dass das damals unbekannte Werk mit der Jahrhundertausstellung nichts zu tun hatte.

Chronologisch ist diese Schau nicht angelegt. Nach den Bildpaaren im zweiten Stock erwartet die Besucher im dritten Geschoss Portraits des Künstlers, seine künstlerischen Anfänge sowie Bilder zu Gebirgen und Küsten.
Außerdem blickt man anhand seiner Zeichnungen dem Maler „über die Schulter“. Ein Kapitel widmet sich den neuesten Forschungen zur Maltechnik. Friedrich skizzierte die Natur und setzte sie im Atelier wieder neu zusammen. Interessant ist hierbei die Sichtbarmachung des Hintergrundes durch die Infrarotreflektographie, bei der man sieht, welche Skizze sich eigentlich unter der Farbe befindet.

Viele ließen sich von Friedrich beeinflussen. So spazierte das Reh in Disneys Film „Bambi“ (1942) durch Landschaften, deren Vorlage beim Maler zu suchen sind, Friedrich Wilhelm Murnau orientierte sich im Film „Nosferatu“ (1922) an Bildmotiven des Malers. Fotos von heute, auf denen sich Menschen mit Rückenansicht in der Landschaft darstellen, setzen Friedrichs „Wanderer“ ein Denkmal. Auch der zeitgenössische japanische Künstler Hiroyuki Masuyama, der in seinen Fotomontagen Friedrichs Gemälde in Leuchtbildern nachahmt und die Ausstellung beschließt, ist massiv durch Friedrich inspiriert worden. Dieses Schlusspunktes hätte es aber nicht bedurft, es ist ein bisschen zu viel Sahne auf perfektem Gebäck.

Direktor Ralph Gleis freut sich auf die vielen Besucher, erwähnt aber, dass man hier nicht auf Rekordjagd und der Altbau kein Kaufhaus sei, in das beliebig viele Besucher hineingepresst werden könnten. Es gibt erweiterte Öffnungszeiten. Je zur Hälfte sind die Eintrittskarten als Zeitfenster-Tickets online und an der Tageskasse zu erwerben. Sukzessive werden weitere Kontingente online freigegeben.

Vielleicht ist die Präsentation in Berlin die imposanteste, um Friedrich nahezukommen. Der „romantische“ König Friedrich Wilhelm IV., der vor dem Gebäude auf dem Pferd thront, würde dem sicher zustimmen.

Katalog vom Prestel Verlag (30 Euro im Museum). Link zu den Zeitfenstertickets (à 16 Euro) unter: www.cdfriedrich.de


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