05.06.2025

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Mit Massen an Shahed-136/131-Drohnen und Raketen diverser Typen überzieht Russlands Aggressor Putin die Ukraine und nimmt dabei auch die Zerstörung von Krankenhäusern und Wohnhäusern in Kauf, um die Moral der Ukrainer zu brechen
Bild: action pressMit Massen an Shahed-136/131-Drohnen und Raketen diverser Typen überzieht Russlands Aggressor Putin die Ukraine und nimmt dabei auch die Zerstörung von Krankenhäusern und Wohnhäusern in Kauf, um die Moral der Ukrainer zu brechen

Im Ukrainekrieg

Bilateral zu Verhandlungen gezwungen

Analysten von JPMorgan erwarten, dass Moskau erst in 118 Jahren die Ukraine ganz besiegen würde

Wolfgang Kaufmann
04.06.2025

Noch ist kein Ende des Krieges in der Ukraine abzusehen. Das hinderte das Center for Geopolitics von JPMorgan Chase, der größten Bank der USA, allerdings nicht daran, jetzt eine Analyse mit dem Titel „Helping Clients Navigate Global Challenges“ (Unterstützung von Kunden bei der Bewältigung globaler Herausforderungen) vorzulegen, welche sich auch mit dem Thema „Das Russland-Ukraine-Endspiel und die Zukunft Europas“ befasst. Dies resultiert daraus, dass das Bankhaus zu den wichtigsten Gläubigern der Regierung in Kiew gehört und darüber hinaus den Anspruch verfolgt, den Blick seiner Kunden „für das volatile politische Umfeld von heute zu schärfen und ihnen zu helfen, die Schocks und Veränderungen, die die Märkte von morgen prägen könnten, besser vorherzusehen und zu verstehen“. Vor diesem Hintergrund geben die beiden Direktoren des Center for Geopolitics, Derek Chollet und Lisa Sawyer, konkrete Prognosen über die zu erwartende Entwicklung in der Ukraine ab.

Dabei heißt es eingangs: „Erwarten Sie bis zum Ende des zweiten Quartals eine provisorische Einigung. Da Europa die Waffen ausgehen, der Ukraine die Kämpfer fehlen, die USA die Geduld verlieren und die transatlantische Einheit bröckelt, wird Präsident Selenskyj wahrscheinlich gezwungen sein, ... eine Verhandlungslösung mit Russland zu akzeptieren, welche die Kämpfe stoppt, aber kein umfassendes Friedensabkommen darstellt.“

Beste Lösung zu 15 Prozent möglich
Gleichzeitig sehen die Analysten auch ein Interesse Moskaus am Ausgleich mit Kiew und dem Westen, weil Russland beim derzeitigen Tempo seines Vordringens auf dem Schlachtfeld erst „in etwa 118 Jahren die gesamte Ukraine kontrollieren“ würde. Allerdings, so Chollet und Sawyer weiter, seien nach dem Waffenstillstand vier Entwicklungen möglich, welche für JPMorgan Chase wie auch die Kunden der Bank nicht vorteilhaft wären.

Im denkbar besten Fall, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit aber nur bei 15 Prozent liegen soll, käme es zum „Südkorea-Szenario“: „Präsident Selenskyj wird weder eine NATO-Mitgliedschaft noch die vollständige Wiederherstellung des ukrainischen Territoriums erreichen. Wenn es ihm jedoch gelingt, kleinere europäische Abschreckungskontingente ins Land zu holen, die durch ein formelles US-amerikanisches Garantieversprechen ... abgesichert sind, werden die 80 Prozent der Ukraine, welche noch unter der Kontrolle Kiews stehen, auf einen deutlich stabileren, prosperierenden und demokratischeren Weg gebracht. Die Entscheidung des Westens, die rund 300 Milliarden Dollar, die er an russischem Staatsvermögen eingefroren hat, für den Wiederaufbau der Ukraine zu nutzen, würde den Neustart dabei sehr erleichtern.“

Als „immer noch o.k.“ bezeichnen Chollet und Sawyer das „Israel-Szenario“, das sie für geringfügig wahrscheinlicher halten als die erste Variante: „Eine starke, dauerhafte militärische und wirtschaftliche Unterstützung ohne nennenswerte ausländische Truppenpräsenz würde der Ukraine ... weiterhin den Spielraum geben, sich zu einem Bollwerk gegen Russland zu entwickeln und ihre militärische Modernisierung voranzutreiben.“ Jedoch drohe dann der nächste Krieg. Dieser könnte jedoch verhindert werden, wenn man Putin „ausreichende wirtschaftliche Vorteile (einschließlich einer Lockerung der Sanktionen)“ anbiete und sich das russisch-amerikanische Verhältnis verbessere.

Ukraine als Vasallenstaat Moskaus
Für „nicht so toll“ halten die Analysten von JPMorgan Chase dahingegen das „Georgien-Szenario“, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit sie mit immerhin 50 Prozent beziffern: „Ohne ausländische Truppen und eine starke militärische
Unterstützung droht der Ukraine anhaltende Instabilität und verlangsamtes Wachstum. Dazu kommt die Behinderung ihrer westlichen Integration (das heißt ihrer angestrebten EU- und NATO-Mitgliedschaft), mit der Konsequenz einer allmählichen Rückführung in den Einflussbereich Russlands.“

Als noch schlimmer bezeichnen die Autoren der Studie den „Worst Case“, also das „Weißrussland-Szenario“, das sie als ähnlich wahrscheinlich einstufen wie das „Südkorea-Szenario“: „Wenn die USA die Ukraine im Stich lassen – oder gar die Seiten wechseln – und Europa nicht eingreift, wird Russland an seinen Maximalforderungen festhalten und die vollständige Kapitulation der Ukraine anstreben. Dadurch würde das Land zu einem Vasallenstaat Moskaus. In diesem Falle hätte Russland den Krieg faktisch gewonnen, den Westen gespalten und die Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg unwiderruflich auf den Kopf gestellt.“

Wie die Analyse zeigt, wäre es für die US-amerikanische Großbank JPMorgan Chase also überhaupt kein Problem, wenn die Ukraine ein Fünftel ihres Territoriums verliert, sofern nur im Rest des Landes weiterhin gute Geschäfte winken. Aus rein wirtschaftlicher und auch humanitärer Perspektive wäre dieses Szenario die Chance auf langjährigen Frieden.


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Kommentare

Gregor Scharf am 04.06.25, 06:50 Uhr

Eiskaltes, berechnendes Bankster-Szenario dabei die Mentalität der Beteiligten ausblendend. Menschen kommen hier ohnehin nicht vor. Es geht ausschließlich um Zahlenspiele, Gewinne, Verluste aus materieller Sicht. Da werden sie wohl gewaltige Abschreibungen vornehmen müssen an der Wall Street, wenn es so weitergeht wie bisher. Ist die Welt nicht ein einzigartiges Spielcasino?

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