31.05.2025

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Adolf Hitler bewunderte ihn, aber nicht umgekehrt: Arthur Moeller van den Bruck
Bild: akg-imagesAdolf Hitler bewunderte ihn, aber nicht umgekehrt: Arthur Moeller van den Bruck

Arthur Moeller van den Bruck

Der zerbrochene Visionär

Der konservativer Revolutionär nahm sich vor 100 Jahren das Leben

Bernhard Knapstein
30.05.2025

Es könnte ein Satz aus der Gegenwart sein. „Der konservative Mensch sucht heute wieder die Stelle, die Anfang ist“, schrieb Arthur Moeller van den Bruck – und kaum ein Satz bringt das Spannungsfeld besser auf den Punkt, in dem sich dieser eigenwillige Denker, der sich am 30. Mai 1925 das Leben nahm, bewegte. Moeller van den Bruck war Erhalter und Empörer zugleich, ein Mann der geistigen Unruhe in einer Zeit politischer Umbrüche. Und doch war er dem Ewigen zugewandt. Als Kulturhistoriker, Publizist und politischer Visionär zählt er zu den schillerndsten und zugleich widersprüchlichsten Figuren der deutschen Ideengeschichte der Zwischenkriegszeit. Moeller van den Bruck blickte nicht zurück, sondern als konservativer Revolutionär voraus.

Der am 23. April 1876 in Solingen geborene Preuße entstammte einer gutbürgerlichen Familie. Sein Vater war Baurat. Seine Mutter trug den niederländischen Namen van den Bruck, den Arthur später seinem eigenen hinzufügte – Ausdruck eines frühen Individualismus und einer lebenslangen Suche nach geistiger Distinktion. Das Gymnasium verließ er ohne Abschluss und sog in den kulturellen Zentren Europas, Berlin, Paris und Italien, als Bohemien die intellektuellen Strömungen der Zeit auf.

1914 brachte die Wende
Friedrich Nietzsche, Houston Stewart Chamberlain und Maurice Barrès studierte er. Moeller van den Bruck veröffentlichte 1904 die achtbändige Kulturgeschichte „Die Deutschen. Unsere Menschengeschichte“ – ein Versuch, den nationalen Charakter zu fassen.

Die Wende kam mit dem Ersten Weltkrieg. Moeller van den Bruck meldete sich freiwillig und arbeitete bald in der Auslandsabteilung der Obersten Heeresleitung. Die Erfahrung der Niederlage 1918 wurde zur geistigen Triebfeder seiner politischen Radikalisierung. 1919 verfasste er in „Das Recht der jungen Völker“ einen Aufruf zur Überwindung westlich-liberaler Ordnungsvorstellungen zugunsten einer deutschen Erneuerung. Demokratie verstand Moeller van den Bruck nicht als Parteienstaat, sondern als „Anteilnahme eines Volkes an seinem Schicksal“. Parlamentarismus lehnte er als „Idee des Westens“ ab.

Moeller van den Bruck wurde zum intellektuellen Mittelpunkt des von Heinrich von Gleichen gegründeten Juniklubs und veröffentlichte 1923 sein wohl berühmtestes Werk: „Das dritte Reich“. Ursprünglich als „Die dritte Partei“ geplant, war es ein Manifest gegen Parteienherrschaft und Klassenkampf – nicht im Namen der Reaktion, sondern eines revolutionären Konservatismus. „Am Liberalismus gehen die Völker zugrunde“, urteilte Moeller van den Bruck scharf. Die bürgerliche Ordnung war für ihn überlebt, das Dritte Reich sollte kein Rückgriff, sondern ein Neubeginn sein „im neuen sozialistischen Denken“. Moeller van den Bruck suchte die „Zusammenfassung“ der deutschen Nation jenseits von Marxismus und Kapitalismus, getragen von einem geistigen Elitarismus.

Dabei dachte Moeller nicht in rassistischen Kategorien. Sein „deutscher Sozialismus“ war geistiger Natur, zutiefst geprägt vom Gedanken nationaler Solidarität und sozialer Gerechtigkeit – jedoch unter einer führenden Elite, nicht in der Gleichheitsutopie. Juden und Nichtdeutsche sollten keine gesellschaftliche Führungsrolle spielen, aber auch nicht verfolgt werden. Entscheidend war für ihn nicht die biologische Abstammung, sondern der geistige Beitrag zur Nation. In seiner Polemik gegen den Nationalsozialismus wandte er sich gegen den „proletarischen“ Geist Adolf Hitlers: „Er war verkörperte Leidenschaft, aber ganz ohne Abstand und Augenmaß.“ Die persönliche Begegnung der beiden 1922 brachte Moeller van den Bruck auf Distanz zu Hitlers völkischer Massenbewegung. Hitler bewunderte ihn, Moeller van den Bruck aber wies ihn als geistig unzulänglich zurück.

Nähe zum Nationalbolschewismus
Moeller van den Brucks Konservatismus war keine Verteidigung des Status quo, sondern ein Aufbruch im Geiste der Geschichte. Die „konservative Revolution“, deren geistiger Mittelpunkt er im Juniklub war, zielte auf einen neuen Staat, getragen von preußischer Disziplin, geistiger Tiefe und nationaler Einheit. In „Der preußische Stil“ (1916) feierte er das Preußentum als „Willen zum Staat“ – nicht als Militärgeist, sondern als Ausdruck organischer Staatlichkeit.

Seine Nähe zum Nationalbolschewismus, seine Ostorientierung und seine Bewunderung für Lenin zeugen von seiner Bereitschaft, unkonventionell zu denken – nicht aus ideologischer Verblendung, sondern aus dem Gefühl heraus, dass Deutschlands Zukunft nicht im Nachahmen des Westens, sondern in der eigenen schöpferischen Kraft liege. Der Faschismus in Italien galt ihm nicht als Modell, sondern als Symptom: „Italia docet“, schrieb er 1922 – ein warnender Hinweis auf die konservative Gegenbewegung, die Europa erfasste.

Moeller van den Bruck war melancholisch und zerbrechlich. Er sah das Ziel, nicht den Weg, konnte die Lücke zwischen Vision und Realität nicht ertragen. Nach einem Nervenzusammenbruch nahm er sich am 30. Mai 1925 das Leben. Die Nationalsozialisten vereinnahmten später seine Begriffe, nicht aber seine Vision. Heute bleibt Moeller van den Bruck ambivalent, für ihn bedeutete konservativ, „Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnen“.


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