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Kranzniederlegung, Veranstaltungen und Markenzeichen – Der große Philosoph wird in der ganzen Stadt gefeiert
Von Reisen ins Königsberger Gebiet wird abgeraten oder genauer: Es wird immer wieder publiziert, Reisen „dorthin“ seien eigentlich gar nicht möglich. So steht in der „Kulturkorrespondenz Östliches Europa“ vom 2. Quartal 2025 in einer Reportage von Dawid Smolorz viel von den Gefahren an den Grenzen der Oblast. Höhepunkt ist die Bildunterschrift: „Kaum Betrieb am Grenzübergang Heiligenbeil [Grzechotki - Mamonowo]“ Ob der Autor jemals da war? Die Autoschlangen, darunter viele Autos mit deutschen Kennzeichen, sind beträchtlich, die Abfertigung der deutschen Linienbusse geht mit zwei bis drei Stunden relativ zügig.
Der mehrstöckige Bus mit einem Anhänger für das Gepäck von Bielefeld über Berlin rappelvoll mit Gästen, die von Königsberg in alle Richtungen weiterfliegen oder -fahren. So kam ich zu Kants Geburtstag in Königsberg an, wo am 22. April nur eine Kranzniederlegung am Kant-Grab stattfand und die Veranstaltungen der Universität ohne Öffentlichkeit abliefen. Aber Kant ist überall gegenwärtig, angebetet von den Russen und die größte Attraktion. Das wurde augenfällig, als am 27. April ein „Streetfood-Festival“ auf der Dominsel stattfand. Es war Sonntag, strahlende Sonne und frische Brise vom Pregel.
Kant als Publikumsmagnet
Eine Menschenmenge bewegte sich zur Dominsel. Der Markt erstreckt sich vom Vorplatz des Domes bis zum Aufgang zur Hochstraße. „Hier ist des Volkes wahrer Himmel“, meinte dereinst Goethes Doktor Faustus. Aber hier in Königsberg war „der Völker wahrer Himmel“. Besucher aus aller Welt flanierten zwischen den Buden und Ständen, wo viele Nationen ihre Spezialitäten anboten. Man konnte gar nicht alles anschauen oder gar probieren; koreanische Küche, asiatischen Plof, deutsche Würstchen, russische Soljanka oder chinesischen Backfisch. Kant war auch auf diesem Jahrmarkt gegenwärtig. Das Modell von Daniel Rauchstand da, allerdings aus Pappe, aber die Besucher konnten dem Weltweisen die Hand geben und sich mit ihm fotografieren lassen.
Das Kant-Café erweist sich als echte Überraschung. Auf Russisch steht überall „Bulitschki Kanta“, so der offizielle Name: „Kants Brötchen“. Ein „Brötchen“ gibt es dort aber nicht, sondern eine köstliche Komposition aus Hefeteig mit Karamell und raffiniertem Beiwerk aus Nüssen und Mandeln. Ansonsten ist alles auf Familien eingestellt, wie überall im Königsberger Gebiet. Kindersitze und Spielecken in Cafés sind üblich. So wird Kant auch von Kindern im Wagen und auf Papas Arm besucht. Uns wurde immer wieder versichert, dass nicht nur Jahrmarkt und Belustigung an einem solchen Tag stattfinden. Am Abend gibt es ein Konzert und wissenschaftliche Vorträge, also Kunst und Kultur.
Königsberg boomt. Es wird gebaut und renoviert und restauriert. In dem halben Jahr seit meinem letzten Besuch im September 2024 sind weitere Wohnblöcke entstanden, vom Auto aus sieht man oft eine Skyline – ist man in New York? Auf dem Land entstehen Neubausiedlungen mit Einfamilienhäusern, pompösen Villen und attraktiven Mietshäusern. Bauland wird angepriesen, die Leute sollen kaufen und bauen, Kredit wird überall angeboten. Die „Kaliningrader Oblast“ soll zur Vorzeige-Region werden oder ist es bereits. Königsberg ist die westliche Metropole, und die Seebäder, durch die neuen Autobahnen verbunden, wurden im April vor der Saison auf Hochglanz gebracht. Längst sind es mondäne Städte geworden. Besonders für russische und asiatische Touristen ist das Samland der große Geheimtipp. Zwei Millionen Touristen werden für dieses Jahr im Gebiet erwartet.
Wir alten Ostpreußen bekommen nostalgische Gefühle in dieser modernen Welt. Dann denkt man an die „alten Zeiten“, als wir endlich die Vaterstadt sehen durften, die damals so ganz anders aussah. Jetzt ist das „Haus der Räte“ weg. Für die Nostalgiker fehlt ein Orientierungssymbol, egal ob es schön oder hässlich war. Dafür tut es dann wieder der Seele gut, auf Schachteln für Marzipan Königin Luise, Kant und das Schloss zu sehen und die Leckereien mit dem Konterfei von E.T.A. Hoffmann und Herzog Albrecht auspacken zu können. Für die berechtigte Klage der Landsleute im Westen, dass die Kenntnisse und das Interesse am deutschen Osten immer mehr zurückgehen, hält die Heimat ein Trostpflaster bereit