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2003 im sächsischen Deutschneudorf errichtet: Gedenkstein für die Opfer der Todesmärsche
Bild: Norbert Kaiser2003 im sächsischen Deutschneudorf errichtet: Gedenkstein für die Opfer der Todesmärsche

Sudeten

Zweierlei Erinnern am Tatort

Vor 80 Jahren kam es in Komotau zu zwei Todesmärschen – Erinnert wird jedoch bis heute in Tschechien nur an einen

Bodo Bost
05.06.2025

Im April und Juni 1945 kam es in der nordböhmischen Stadt Komotau zu zwei Todesmärschen, der erste von Häftlingen von Buchenwald der zweite von deutschen Bewohnern der Stadt. Erinnert wird jedoch bis heute in Tschechien nur an einen.

Der Vormarsch der alliierten Truppen brachte zu Beginn des Jahres 1945 die sogenannten Todesmärsche mit sich. Deutschland begann mit der Räumung der Konzentrationslager und ihrer Außenstellen. Die Räumung erfolgte entweder mit der Bahn, oder die Häftlinge mussten zu Fuß gehen. Im April 1945 wurde auch das Außenlager Treglitz, das zum KZ-System Buchenwald gehörte, auf diese Weise geräumt. Die Häftlinge wurden mit dem Zug in den böhmischen Grenzort Reitzenhain transportiert. Von dort aus sollten die Häftlinge zu Fuß ins KZ Theresienstadt weitergehen. Hunderte von Menschen waren bereits während des Transports aufgrund der extrem schlechten Bedingungen gestorben. Als der Zug am 17. April 1945 in Komotau eintraf, wurde er von alliierten Kampfflugzeugen angriffen. Während des Angriffs brach das Chaos aus. Einige Gefangene wurden getötet, andere nutzten die Verwirrung zur Flucht. Diejenigen, die übrig blieben, wurden zusammengetrieben und warteten in der Nähe von Komotau. Dort verbrachten sie die Nacht und gingen am nächsten Tag zu Fuß weiter in Richtung Theresienstadt. Die Route des Marsches durch den Bezirk Komotau ist von Gräbern und Mahnmalen gesäumt.

Häftlinge des KZ Buchenwald
Nicht einmal zwei Monate später, am 9. Juni 1945 hatten sich sämtliche deutschen männlichen Einwohner von Komotau im Alter von 13 bis 65 Jahren auf den sogenannten Jahnspielplätzen einzufinden. Es kamen rund 8000 sudetendeutsche Jungen und Männer. Zunächst mussten alle den Oberkörper entblößen und die Arme hochheben, damit Angehörige der SS gefunden werden konnten. Zwischen zwölf und 20 Männer wurden vor den Augen vieler johlender Tschechen und verängstigter Deutscher, darunter auch Kinder, zu Tode geprügelt, darunter einige Angehörige der Waffen-SS. Danach wurden über Lautsprecher die Namen von etwa 120 Männern verlesen, die in lebenswichtigen Betrieben beschäftigt waren, sie durften nach Hause gehen.

Gegen 14 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Schon im Stadtgebiet von Komotau wurden einige erschossen, weil sie wegen Krankheit nicht mehr weiterkonnten. Auf dem folgenden Marsch über 50 Kilometer von Komotau nach Maltheuern wurden weitere 70 Männer erschossen, weil sie dem Zug nicht folgen konnten. Der Marsch ging entlang der Strecke Komotau–Görkau–Schloss Rothenhaus–Kunnersdorf–Eisenberg über den Kamm des Erzgebirges nach Gebirgsneudorf und von dort Richtung des sächsischen Deutschneudorf unmittelbar hinter der Grenze. Als die Männer durch Görkau marschierten, schossen die tschechischen Begleitmannschaften auf Zuschauer in Fenstern und Haustüren des Ortes. Die Einwohner durften die Toten nicht auf den Friedhöfen der Orte bestatten, sondern mussten sie vor Ort verscharren. So konnte die genaue Zahl, der auf diesem Marsch ums Leben gekommenen Komotauer, nie exakt festgestellt werden.

Als am Abend die Spitze des Zuges vor Deutsch-Neudorf die Grenze zur Sowjetischen Besatzungszone erreichte, verweigerten sowjetische Soldaten den Grenzübertritt. Nach einer Nacht auf der Straße ohne Brot und Wasser wurden die Männer am 12. Juni zurück nach Böhmen nach Maltheuern bei Brüx getrieben. Die Überlebenden mussten als Arbeitssklaven das zerbombte Hydrierwerk in Maltheuern wieder aufbauen.

Komotau liegt nur 15 Kilometer von der heutigen Bundesgrenze entfernt. Vor 1945 war der Ort fast vollständig von Deutschen besiedelt. Die Komotauer Region ist historisch mit dem Abbau von Braunkohle verbunden. Deswegen ist hier nach 1945 aus wirtschaftlichen Gründen eine hohe Zahl deutschsprachiger Bewohner verblieben.

Während an den ersten Todesmarsch durch Komotau bereits in der Zeit des Kalten Krieges erinnert wurde, entsprechende Gedenkstätten errichtet wurden und jährliche Gedenkmärsche stattfanden, dauerte es bis zum Jahr 2003, dass der damalige Leiter des Komotauer Bezirksmuseums, Stanislav Děd, die Bevölkerung in Komotau in den Bau eines Denkmals einbeziehen wollte, das den Opfern des zweiten Todesmarsches gewidmet sein sollte. Dieses Denkmal war von Angehörigen der Opfer des zweiten Todesmarsches gefordert und von der Sudetendeutschen Landsmannschaft geplant worden. Was in der Kulturstadt Brünn gelang, ein gemeinsames Erinnern an das Grauen, gelang in der Arbeiterstadt Komotau jedoch nicht. Die Stadtverwaltung verfolgte anders als in Brünn weiterhin die Strategie des Schweigens in Bezug auf den zweiten Todesmarsch.

Deutsche Bewohner Komotaus
Schließlich wurde ein Gedenkstein vom Heimatkreis Komotau gestiftet. Ihn ziert ein Bronzerelief von Adolf Sachs, einem Schüler des Künstlers Gustav Zindel, der aus dem böhmischen Erzgebirge stammt. Das Relief zeigt eine Gruppe leidender und erschöpfter Männer verschiedenen Alters. Auf der Gedenktafel steht ein Zitat im sudentendeutschen Dialekt „Vergass dei Haamit net“ des erzgebirgischen Dichters und Sängers Anton Günther. Neben den Opfern des zweiten Todesmarsches von Komotau erinnert das Denkmal auch „an die Toten des Massakers auf den Jahnspielplätzen“ und an die „ermordeten Deutschen im tschechischen KZ Komotau-Glashütte“. Auch werden die deutschen Frauen und Kinder nicht vergessen, die zur Zwangsarbeit abtransportiert wurden.

Obwohl die Täter weder auf dem Relief zu sehen sind noch im Text genannt werden, konnte dieses Denkmal an den zweiten Todesmarsch im heutigen Tschechien nicht errichtet werden. Deshalb wurde es am 26. Juli 2003 im bundesdeutschen Deutschneudorf an der Stelle errichtet, an der die Todesmarschierer die Grenze nicht hatten überschreiten dürfen. An der Einweihung nahmen neben Vertriebenen auch Vertreter der Vereine in Komotau verbliebener Deutscher sowie der Museumsleiter aus Komotau als einziger Tscheche teil. Der Museumsleiter überreichte damals den vertriebenen Deutschen einen Behälter mit Erde vom Komotauer Friedhof und den Jahnspielplätzen als Symbol der Versöhnung.

Die Enthüllung des Denkmals rief auf tschechischer Seite keine Reaktionen hervor. Die regionale Presse berichtete nicht über das Ereignis. Erst am 22. September 2007 wurde auf dem Hauptfriedhof in Komotau ein zweiter Gedenkstein in Erinnerung an die Opfer des zweiten Todesmarsches eingeweiht.


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Kommentare

A. L. am 06.06.25, 19:39 Uhr

Ich danke Ihnen für den Beitrag.
Ich wohne direkt dort, wo in dem Bericht die Rede davon ist, aber von diesem Todesmarsch habe ich auch noch nichts gewußt. Es ist wichtig, das so etwas nicht in Vergessenheit gerät.

Gregor Scharf am 05.06.25, 12:05 Uhr

Selbst nach so langer Zeit ist das Totschweigen ein Ausdruck von Scham. Der ausgelebte Sadismus und die umjubelten Mordorgien zeigen auf, dass diese Täter keine besseren Menschen waren, sondern genau da unten angelangt sind, wofür sie die Deutschen glaubten, bestrafen zu müssen.
Die Menschen sind alle gleich, wenn die falschen an der Macht sind. Man kann es in jedem Land der Welt beobachten, in dem Krieg und Gewalt sich austoben können und die Ordnungsmacht zerbricht.

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