12.05.2025

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Tag der Arbeit

„Mach dich stark mit uns!“

Auch dieses Jahr rief der Deutsche Gewerkschaftsbund zu Demonstrationen auf – Wiederkehrende Streikwellen stoßen jedoch zunehmend auf Kritik

Peter Entinger
01.05.2025

In Deutschland haben sich Tarifauseinandersetzungen in systemrelevanten Branchen wie Bahn, Luftverkehr und Post in den vergangenen Monaten deutlich verschärft. Die Gewerkschaft ver.di rief mehrfach zu Warnstreiks im öffentlichen Personennahverkehr auf. Ein drohendes Reisechaos über die Ostertage konnte nach zähen Verhandlungen zwar noch abgewendet werden, doch bei der Bahn scheint der Streik zur Dauererscheinung zu werden. Auch in anderen essenziellen Bereichen kommt es regelmäßig zu Arbeitskämpfen.

Diese Streiks sind weit mehr als nur Auseinandersetzungen um ein paar zusätzliche Urlaubstage oder einige Euros mehr am Monatsende. Sie haben tiefgreifende wirtschaftliche Auswirkungen – auf Logistikprozesse, Produktionsketten und letztlich die Verbraucher. Besonders der Schienen- und Luftverkehr bilden das Rückgrat nationaler wie internationaler Logistik. Arbeitskämpfe bei der Deutschen Bahn führen häufig dazu, dass Güter verspätet an Produktionsstandorte oder in den Einzelhandel gelangen. An Umschlagbahnhöfen stauen sich Transporte, ganze Lieferketten geraten ins Stocken.

Auch im Luftverkehr zeigen sich massive Auswirkungen: Streiks beim Bodenpersonal, bei Sicherheitsdiensten oder Piloten betreffen Fracht- wie Passagierflüge gleichermaßen. Schon ein einzelner Tag Stillstand kann laut Branchenangaben Hunderttausende Euro kosten. Expresslieferungen und zeitkritische Frachten sind besonders sensibel für solche Verzögerungen. Die Industrie ist heute mehr denn je auf zuverlässig funktionierende Lieferketten angewiesen.

Streikfolgen und Volkes Meinung
Spätestens seit der Corona-Pandemie und dem Ukrainekrieg ist dieses Bewusstsein auch bei der Masse der Bevölkerung angekommen. Wenn Züge oder Flugzeuge stillstehen, fehlen Bauteile, Rohstoffe oder Maschinen. Besonders betroffen sind Branchen mit komplexen Fertigungsprozessen wie die Automobil-, die Maschinenbau- oder die Elektronikindustrie.

Ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr verdeutlicht die Fragilität globaler Lieferketten: In mehreren US-Städten traten Hafenarbeiter in den Streik, was zu massiven Rückstaus führte – mit Folgen bis nach Europa. Analysten der Investmentbank JP Morgan schätzten, dass der Streik die US-Wirtschaft zwischen 3,8 und 4,5 Milliarden US-Dollar täglich kostete, wenngleich ein Teil der Verluste durch spätere Nachholeffekte kompensiert wurde. Dennoch hieß es damals warnend: „Leere Verkaufsregale und höhere Preise drohen den Verbrauchern.“

Für Verbraucher bedeuten die Streiks vor allem Unannehmlichkeiten: verspätete Züge, gestrichene Flüge, nicht zugestellte Sendungen. „Unsere Leute arbeiten oft am Limit und verdienen faire Bedingungen“, verteidigte ein Sprecher der Gewerkschaft ver.di die jüngsten Warnstreiks.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) schrieb nach Beginn des großen Bahnstreiks im vergangenen Jahr: „Die Industrie muss wieder einmal Produktionsplanungen und Logistikketten auf Bahnstreikmodus umstellen. Zwar verfügen viele Unternehmen inzwischen über Erfahrung im Umgang mit solchen Ausfällen, dennoch kostet jeder Streik Geld und Nerven.“ Die Kosten für Deutschland seien schwer zu beziffern, doch bei Produktionsstillständen – etwa wegen fehlender Rohstoffe – könnten laut früheren Erfahrungswerten Schäden von bis zu 100 Millionen Euro pro Tag entstehen.

Grundsätzlich befürwortet eine Mehrheit der Deutschen das Streikrecht als legitimes Mittel im Arbeitskampf. Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts Civey aus dem Frühjahr 2024 sprechen sich 54 Prozent der Befragten gegen eine Verschärfung des Streikrechts aus, während 36 Prozent dafür sind und zehn Prozent unentschieden bleiben.

Forderungen des DGB
Interessant ist der Blick auf die regelmäßig wiederkehrenden Bahnstreiks, die auf vergleichsweise wenig Verständnis stoßen. In einer Umfrage von YouGov im Dezember 2023 zeigten 59 Prozent der Befragten kein Verständnis für den Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), während lediglich 34 Prozent ihn unterstützten.

Die hohe Streikintensität der vergangenen Monate dürfte auch Auswirkungen auf die traditionellen Maikundgebungen haben. Unter dem Motto „Mach dich stark mit uns!“ rief der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit seinen Mitgliedsgewerkschaften in ganz Deutschland zu Demonstrationen auf. Gemeinsam solle für eine gerechte Arbeitswelt, faire Löhne und eine starke Demokratie eingetreten werden.

Der DGB fordert von der neuen Bundesregierung, das beschlossene Sondervermögen dort einzusetzen, wo es am dringendsten benötigt werde. Laut dem DGB sind das der Ausbau der Schiene, die Bildungseinrichtungen, der Wohnungsbau, die soziale Sicherung, die Digitalisierung und der „Klimaschutz“. „Es kommt jetzt darauf an, unser Land und unsere Wirtschaft am Laufen zu halten“, heißt es im Aufruf zum 1. Mai. Ein Anliegen sei zudem die Gewinnung von Fachkräften – durch gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne. Die Gewerkschaften forderten einen nationalen Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung, ein Bundestariftreuegesetz und einen armutsfesten Mindestlohn. Und wenn es sein müsse, werde eben wieder gestreikt.


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