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Gefragter Tätowierer aus Pommern – seine Liebe zur phantasievollen Körperkunst begann in Riga
Pommern mangelt es nicht an erfolgreichen Persönlichkeiten – ob als Künstler, Wissenschaftler oder Erfinder. Ihren Erfolg hatten sie oftmals außerhalb der Provinz. Doch in ihrer Heimat fanden sie oft nur wenig Beachtung, wurden bald vergessen oder wurden als einer der ihren gar nicht wahrgenommen. So ging es beispielsweise dem Stettiner Ringer Werner Seelenbinder, dem Kösliner Rockmusiker Dieter Birr oder der Stolper Schriftstellerin Hedwig Lachmann.
In allen Fällen könnte man es nicht treffender formulieren als mit dem Satz, dass nirgends ein Prophet so wenig gilt wie in seinem Vaterland. So verhält es sich auch mit der pommerschen Tattoo-Legende Herbert Hoffmann (1919–2010). Als beispielsweise die Kunsthalle St. Gallen 2018 eine monographische Fotoschau über die Arbeiten Hoffmanns zeigte, hatten regionale Medien kaum davon Notiz genommen, während man international die Leistung würdigte.
Nicht nur, dass der Tätowierer Herbert Hoffmann weltweit Spuren hinterließ und schon zu Lebzeiten als wahre Kultfigur in der Tattoo-Szene galt. Das Besondere: Er war auch als Fotokünstler aktiv und porträtierte die Menschen, die er kennen gelernt und tätowiert hatte.
Und eben jene Zeugnisse ermöglichen heute, dass man sich dem Werk Hoffmanns auf ganz eigene Weise nähern kann, zumal die gesellschaftliche Bedeutung der Tätowierung einen Wandel vollzogen hat. Das wirft zwei wesentliche Fragen zu Hoffmann auf: Wer war er? Und: Warum war er überhaupt nicht in unserem Blickfeld? Geboren wurde er etwa 60 Kilometer östlich von Stettin, in Freienwalde. Hier führte sein Vater eine Fleischerei und Wurstfabrik. Da jedoch die Mutter nach seiner Geburt verstarb, wuchs Herbert Hoffmann bei Onkel und Tante in Berlin auf, wo er auch die Schule besuchte. Seine Lehre zum Einzelhandelskaufmann forderte nicht nur seine Geschäftstüchtigkeit heraus, sondern brachte ihn auch in die vorpommersche Hafenstadt Stettin zurück, für die er schon lange Zeit schwärmte. Denn hier kam er in den Kontakt mit Seeleuten und Hafenarbeitern, für deren Tätowierungen er sich bereits früh zu interessieren begann. Übrigens, lange galt die 5300 Jahre alte Gletschermumie Ötzi als ältester Fund eines Menschen mit Tätowierung. Auch hinsichtlich der Anzahl der Tätowierungen hält er weiterhin den Rekord.
Nach dem sich anschließenden Arbeitsdienst in Pölitz nördlich von Stettin sollte Hoffmann eigentlich nach Stargard zur Infanterie eingezogen werden, doch dann „landete“ er erst einmal bei einer Nachrichteneinheit in Stettin. Von hier ging es kriegsbedingt nach Opotschka und dann nach Pleskau in Livland. Mit dem Kriegsende kam er am 8. Mai 1945 in Kriegsgefangenschaft, zunächst in ein Lazarett und anschließend in ein Lager.
Nun kam es erneut zu einer Berührung mit seiner späteren Leidenschaft, als Hoffmann in Riga einen Deutschbalten durch Zufall kennenlernte, der ihm nicht nur aus seinem Leben, sondern auch vom Tätowieren berichtete. Die Tätowierung dieses Freundes merkte er sich gut. Sie sollte nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft das erste Motiv auf seinem linken Arm werden.
Internationale Erfolge
Doch die eigentliche Umsetzung des lange gehegten Interesses am Tätowieren wurde erst durch den Kontakt zu Heiner Baumgartner bestärkt. Ab 1951 begann er zunächst kostenlos anderen seine Entwürfe in die Haut zu stechen. Professionell wurde es jedoch erst gute zehn Jahre später, als er nach Hamburg St. Pauli ging und hier, unterstützt von Christian Warlich, dem „Urvater der deutschen Tätowierer“, mit seiner Tätigkeit begann.
Wer sich ein Bild zu den Anfängen von Hoffmanns Arbeiten machen möchte, dem empfiehlt sich vielleicht sein Buch „Traditionelle Tattoo-Motive“. Eines wird dabei schnell deutlich: Hoffmann, der 1980 in die Schweiz übersiedelte, wo er gemeinsam mit seinem Partner Jakob Acker bis zu seinem Tod lebte, setzte sich auf zahlreichen internationalen Conventions und mit seinen Publikationen für eine breite Akzeptanz von Tattoos in der Gesellschaft ein.
Getreu dem Motto „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ nahm er seine Mission ernst. Davon zeugen heute etwa 3000 Fotos. Übrigens: Der älteste darauf Abgebildete wurde 1878 geboren. Diese Tatsache dürfte die Wahrnehmung von Tätowierern und „tätowierten Passionen“ sowie den abgebildeten „Bilderbuchmenschen“ weitreichend verändern, auch wenn man die Liebe dazu auf der eigenen Haut nicht teilt.
Weitere Informationen zur pommerschen Tattoo-Legende Herbert Hoffmann finden sich auf der Internetseite der Dresdner Galerie Gebrüder Lehmann www.herberthoffmann.net