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Vergangenes Jahr gingen in der deutschen Automobilbranche fast 19.000 Stellen verloren – und zukünftig drohen es noch viel mehr zu werden
Deutsche Autos verkaufen sich nicht mehr wie gewohnt. Mit den neuen US-Zöllen vom April gerät die deutsche Autoindustrie weiter in die Krise. Ein Jobabbau großen Ausmaßes setzt ein.
Schon 2024 war laut einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY kein gutes Jahr für die Angestellten der Branche. Knapp 19.000 Stellen gingen demnach in der Autoindustrie verloren. 2023 waren nach vier Jahren mit abnehmenden Stellenzahlen letztmalig wieder mehr Arbeitsplätze entstanden. Letztes Jahr schon klagten die Karossenschmieden über hohe Kosten. Am Standort Deutschland waren bei insgesamt 772.900 Angestellten knapp ein Prozent weniger Mitarbeiter zu verzeichnen.
Die deutsche Auto- mit angeschlossener Zulieferindustrie gilt als Herz und Motor der deutschen Wirtschaft. Viele Mittelständler haben im Zuliefergeschäft ihren Kern, bei dessen Wegbrechen auch andere gewinnträchtige Bereiche ohne Autobezug gefährdet sind. Bei VW und Mercedes-Benz brechen jetzt die Gewinne massiv ein. Direkt davor traf es Audi. Der Nettogewinn bei Volkswagen ging im ersten Quartal des laufenden Jahres um 40,6 Prozent auf rund 2,19 Milliarden Euro runter. Mercedes-Benz verbuchte zeitgleich knapp 43 Prozent weniger bei einem Nettogewinn von 1,7 Milliarden Euro.
Nicht nur die Zölle im wichtigsten Exportmarkt USA setzen den Herstellern zu, Probleme aus starren Prozessen und einer einseitigen Modellpolitik schlagen durch. Die Zölle erschweren jede Planbarkeit. Ein perfekter Sturm droht aufzuziehen, denn nachgeschaltete Zulieferfirmen setzen weiter auf Verbrennerfahrzeuge, allein wegen der Vielzahl komplexer Teile aus ihrem Sortiment, die Elektroautos so nicht benötigen.
Verbrenner oder E-Autos?
Opel, VW, Audi, Porsche haben sich jüngst festgelegt, Modelle mit Verbrennermotor zu planen. Dass in der EU ab 2035 keine neuen mit fossilem Diesel oder Benzin betankten Pkw mehr neu zugelassen werden dürfen, erhöht den Druck. Den Übergang zu Elektroautos verschlafen zu haben, ist nur ein Vorwurf von vielen, der jetzt die Branche trifft.
VW hat bereits beschlossen, Zehntausende Stellen abzubauen. Bis 2030 sollen es mehr als 35.000 werden, so der Kompromiss mit den Gewerkschaften. Ob das reicht, ist angesichts der neuesten Daten des Konzerns fraglich. Audi streicht bis Ende 2029 insgesamt 7500 Stellen in Deutschland. Sport- und Geländewagenbauer Porsche plant, rund 1900 Stellen abzubauen.
Bei den Zulieferern ist die Lage ähnlich. Und dabei sind die neuesten Entwicklungen aus Welthandel und US-Zöllen noch nicht einmal berücksichtigt. Bosch streicht allein in Niedersachsen 750 Stellen, in Thüringen plant Automobilzulieferer Motherson 350 Stellen zu streichen, bei Tekfor ist ein ganzer Betrieb mit 380 Arbeitsplätzen in akuter Gefahr. Besonders zwischen Elbe und Oder setzt die Branche massiv Angestellte frei. So hat der Automobilzulieferer Bohai Trimet mit Sitz in Harzgerode Insolvenz angemeldet – zirka 580 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Aber auch den Westen trifft es. Beim Reifenhersteller Continental entfallen bis 2026 rund 1450 Stellen.
Auch andere Branchen schwächeln
Der Autosektor steht im produzierenden Gewerbe nicht allein dar. Selten fiel eine Frühjahrsumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) so düster aus. Von den befragten Industriefirmen gaben 42 Prozent an, im Laufe des Jahres Entlassungen vornehmen zu müssen. Es hilft den deutschen Autobauern wenig, dass US-Präsident Donald Trump nun eine Senkung der Zölle für ihre Produkte bekanntgab: Entweder gilt 25 Prozent Aufschlag für im Ausland gebaute Autos oder 25 Prozent Zoll auf Stahl oder Aluminium.
In Deutschland war die Lage wegen hoher Energiekosten und vieler regulatorischer Anforderungen schon 2024 schwierig, nun kommen die Marktveränderungen in Asien, vor allem China, mit seiner erstarkten Eigenproduktion an E-Autos hinzu. Manche Branchenbeobachter gehen inzwischen davon aus, dass von Deutschlands großen Autoproduzenten gleich mehrere das Jahrzehnt nicht überleben. Zu lange habe man sich darauf konzentriert, bestehende Geschäftsmodelle zu optimieren, statt Neues zu wagen. Nun muss die Branche auch bei der Entwicklung kürzen, wo ihr Rückstand zur asiatischen Konkurrenz gerade offenkundig wird. Am chinesischen Markt ist Volkswagen mit seinen Partnern längst vom Platz 1 der verkauften Neuwagen verdrängt. Der Preisdruck auf dortige Hersteller ist genauso gestiegen wie der Anteil neuer E-Autos – schlechte Voraussetzungen für deutsche Hoffnungen, den einbrechenden US-Markt mit dem Asiengeschäft zu kompensieren.
Deutsche Mitarbeiter ergreift eine ungekannte Unsicherheit – konnten sie mit jahrelanger Beschäftigungsgarantie und Jahrzehnten Betriebszugehörigkeit planen, ist kaum noch etwas sicher. Wer bei Zulieferern einen besseren Job wähnte, muss auch bangen – den Menschen im gesamten Sektor gehen die Perspektiven aus, was in vielen Regionen Deutschlands für sozialen Zündstoff sorgen kann.