17.06.2025

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Biographie

Das Leben eines tapferen Retters

Sebastian Christ erinnert an den unbekannten Auschwitz-Häftling Otto Küsel, der polnische Häftlinge vor der Vernichtung bewahrte

Dagmar Jestrzemski
17.06.2025

Mit „Auschwitz-Häftling Nr. 2. Der unbekannte Held des Konzentrationslagers“ erinnert Autor und Journalist Sebastian Christ an Otto Küsel (* 1909 in Berlin, † 1984 in Oberviechtach) als einen Menschen aus einfachen Verhältnissen, der im KZ Ausschwitz Hunderte von polnischen Mithäftlingen vor der „Vernichtung durch Arbeit“ rettete. Als Kapo und „Arbeitskommando“ ein privilegierter Häftling, widersetzte er sich der Forderung, seine Schicksalsgenossen brutal zu behandeln, was ihm Hafterleichterungen eingebracht hätte. Stattdessen sprach er ihnen Mut zu und suchte nach Möglichkeiten, den Geschwächten ein leichteres Arbeitskommando zu verschaffen.

In Deutschland kennt fast niemand Otto Küsel, während er in Polen als Held verehrt wird. Fast 22 Jahre hat der Autor akribisch zahlreiche Quellen ausgewertet, darunter die Berichte von polnischen Auschwitzüberlebenden. Otto selbst hat nur ein einziges Interview gegeben. Neben seiner Geschichte hat Christ bei der Rekonstruktion der Geschehnisse auch Biographien etlicher Mithäftlinge nachgezeichnet. In einzelnen Ausschnitten wird die unmenschliche Barbarei in dieser Hölle auf Erden aufgerollt, was einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.

In den ersten zwei Jahren wurden in Auschwitz vor allem nicht-jüdische Polen interniert. Otto kam im Juni 1940 als einer der ersten 30 Häftlinge, sogenannte „Berufsverbrecher“, an den Ort des organisierten Massenmordes. Vermutlich wegen Diebstahls war er zuvor seit 1937 im KZ Sachsenhausen interniert. Nach seiner spektakulären Flucht aus Auschwitz im Dezember 1942 zusammen mit drei polnischen KZ-Flüchtigen lebte er neun Monate im Warschauer Untergrund, wurde erneut verhaftet und im September 1943 nach Auschwitz eingeliefert, dieses Mal im Block 11, dem Todeslager. Sein Leben verdankte er dem Wechsel der Lagerlagerleitung im November 1943.

Rudolf Höß wurde abberufen, sein Nachfolger Arthur Liebehenschel erließ eine Amnestie für die Häftlinge in Block 11. Otto kam wieder ins Stammlager. Im Februar 1944 wurde er als Zwangsarbeiter ins bayerische KZ Flossenbürg verlegt und überlebte zuletzt noch den Todesmarsch. Mit seinem stillen Widerstand war Küsel ein Einzelkämpfer. Seine außergewöhnliche Geschichte ist nicht an die Großdiskurse zum Widerstand in der NS-Zeit eingebunden, daher fiel er durch das Raster der kollektiven Erinnerung. Mit seinem Buch hat Sebastian Christ ein ihm gebührendes Denkmal gesetzt.

Sebastian Christ: „Auschwitz-Häftling Nr. 2. Otto Küsel - der unbekannte Held des Konzentrationslagers“, Verlag Theiss, Freiburg 2024, gebunden, 272 Seiten, 26 Euro


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