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Golzow in der Neumark – Hier kam der Urenkel des letzten deutschen Kaisers, Louis Ferdinand Prinz von Preußen (Junior), zur Welt
Am 25. August 2024 jährte sich zum 80. Mal der Geburtstag von Louis Ferdinand Prinz von Preußen (Junior), der am 11. Juli 1977 während einer Wehrübung bei der Bundeswehr an den Folgen eines tragischen Unglücksfalls ums Leben kam (die PAZ berichtete). Das ist Grund genug, einmal den Geburtsort des Prinzen, Golzow, aufzusuchen.
Allerdings gab beziehungsweise gibt es in Brandenburg vier Ortschaften dieses Namens: Golzow (Mittelmark), Amt Brück, im Landkreis Potsdam-Mittelmark, Golzow (Oderbruch), Amt Golzow, im Landkreis Märkisch-Oderland, und Golzow (Chorin), Ortsteil der Gemeinde Chorin, im Landkreis Barnim. Alle drei genannten Orte befinden sich auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Brandenburg, während ein viertes Golzow jenseits der Oder in der historischen Neumark liegt und deshalb früher auch den Zusatz „Nm.“ (Neumark) führte. Seit 1945 heißt das kleine Dorf auf Polnisch Golczew. Und weil der Geburtsort des Prinzen Louis Ferdinand in der Literatur mitunter als Golzow, Kreis Soldin, oder auch Golzow (Neumark) erscheint, war klar, um welchen Ort dieses Namens es sich handelte.
So überquert der Suchende bei Schwedt/Oder den heutigen Grenzfluss und fährt anschließend von Königsberg in der Neumark [Chojna] auf der polnischen Nationalstraße (Droga krajowa) 26 weiter nach Osten über Bad Schönfließ [Trzcińsko Zdrój] Richtung Soldin [Myśliborz], bevor nach insgesamt 22 Kilometern eine Abzweigung kommt, an der es rechts nach Golzow geht, das man nach einem Kilometer erreicht.
Das Dorf mit derzeit 170 Einwohnern wird in der Literatur auch als Golzow (Schildberg) oder Golzow (Soldin) bezeichnet, denn es gehörte bis 1945 zur Landgemeinde Schildberg im Kreis Soldin. Im Neumärkischen Landbuch von 1337 wird es als „Golenitz“ oder „Goltitz“ und adliges Vorwerk von Schildberg bezeichnet. Als ältere Namensformen erscheinen auch „golste“, „geholczste“, Golze und „Goltze“. 1365 und 1372 wird das Dorf noch erwähnt, vor 1469 scheint es jedoch wüst gefallen zu sein, und 1499 sowie im 16. und 17. Jahrhundert und zuletzt in einem Lehnsbrief von 1713 wird „Golze“ als zu Schildberg gehöriges Vorwerk, jedoch „auf einer wüsten Feldmark gleichen Namens“ liegend, genannt.
1755 lag die Feldmark immer noch wüst da, wie es in einem Kaufvertrag heißt, und erst nach 1771 dürfte wieder ein bewohntes Vorwerk entstanden sein. 1809 wurde jedenfalls die Gründung eines solchen unter der Bezeichnung „Hof Golze“ erwähnt, aus dem sich das heutige Dorf entwickelte, wobei man ab 1817 die Schreibweise in „Golzow“ abänderte.
Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte dann die Errichtung eines Herrenhauses mit Wirtschaftsgebäuden und einem Schlosspark, außerdem entstand eine Ziegelei. Laut einem Einwohnerverzeichnis von 1888 lebten hier Carl Hermann August Otto von Rieben, Sohn des königlich-preußischen Generalleutnants August Julius Heinrich Ideus von Rieben, und seine Ehefrau Anna Bertha geborene von Hugo. Da der Vater aber in jenem Jahr 1888 starb, darf angenommen werden, dass Sohn und Schwiegertochter bald hernach in das Gutshaus nach Schildberg wechselten.
Seit 1901 befand sich das Rittergut Schildberg mit den Vorwerken Golzow und Steinfeld [Sarbinowo] als Krongut im Besitz der Hohenzollern, also des königlichen Hauses Preußen, und war unter dem „Besitz des Preußisch-Brandenburgischen Kronfideikommiß“ eingetragen.
Flucht vor der Roten Armee
Louis Ferdinand Prinz von Preußen, Enkel des letzten deutschen Kaisers und preußischen Königs und zweiter Sohn des Kronprinzen und als solcher seit dessen Tod 1951 Chef des Hauses Hohenzollern und damit Thronprätendent, lebte hier während des Zweiten Weltkrieges gelegentlich mit seiner Familie. Als Hauptsitz bewohnten sie das Herrenhaus Cadinen im Kreis Elbing in Westpreußen, doch im Zuge des Vorrückens der Roten Armee zog die Ehefrau Louis Ferdinands, geborene Großfürstin Kira Kirillowna Romanowa von Russland, mit ihren vier Kindern (zwei Söhnen und zwei Töchtern) am 4. August 1944 aus Sicherheitsgründen ganz in das Herrenhaus nach Golzow/Nm. um, wo seit 1938 das Ehepaar Durnio als Verwalter (Administrator) fungierte. Hier gebar sie dann am 25. August des Jahres ihr fünftes Kind, den Prinzen Louis Ferdinand (Junior), dessen Taufe ebenfalls dort am 23. Oktober des Jahres stattfand.
Der Vater, Prinz Louis Ferdinand (Senior), blieb derweil noch in Cadinen, bevor er am 25. Januar 1945 – eine halbe Stunde vor dem Eintreffen der sowjetischen Soldateska – über das zugefrorene Frische Haff zu seiner Familie nach Golzow/Nm. floh. Doch weil sich die Front auch hier bald näherte, übersiedelte man schon Anfang Februar weiter nach Potsdam, ehe man schließlich weiter nach Bad Kissingen flüchtete, als die Offensive auf Berlin begann. Gerhard Durnio, der Verwalter von Golzow, blieb hingegen im Herrenhaus, entweder aus Verantwortungsgefühl oder weil er es nicht mehr schaffte zu fliehen – Genaueres dazu ist nicht bekannt – und wurde beim Eintreffen der sowjetischen Soldaten am 1. Februar 1945 ermordet, die anschließend seine Leiche in einen Teich warfen.
In den Memoiren des Prinzen Louis Ferdinand (Senior) ist dies nicht zu finden, vielmehr erscheint der Vorfall auf einer polnischen Internet-Seite, die sich auf Aussagen polnischer Zeitzeugen – vermutlich ehemaliger Angestellter des Gutes – stützt. Das Gut wandelte die polnische Administration später in einen staatlichen Landwirtschaftsbetrieb um, der auf Schafzucht spezialisiert war. Als Folge der politischen Umwälzungen wurde er nach 1989 aufgelöst und privatisiert.
Gleichwohl verfiel das Dorf seither leider ebenso wie das Herrenhaus, das noch am 7. Februar 1978 unter Denkmalschutz gestellt worden war, und der zugehörige historische Park. „Schade“, so heißt es auf einer neueren polnischen Internet-Seite dazu, „dass das Herrenhaus im Verfall begriffen ist, denn so etwas wird nicht mehr gebaut.“ Schildberg [Golenice] mit den umliegenden Dörfern, darunter Golzow/Nm., gehörte bis 1816 zum Kreis Königsberg in der Neumark und wechselte in jenem Jahr in den Kreis Soldin.
Die Familie von Rosey, die das Rittergut Schildberg 1740 von den Nachkommen des brandenburgischen Generalfeldmarschalls Georg Freiherr von Derfflinger übernommen hatte, ließ 1759 in dem Städtchen ein neues Herrenhaus samt Wirtschaftsgebäuden und einem Park errichten. 1901 erwarb dann ja die preußische Königsfamilie das Gut mit den Vorwerken Golzow und Steinfeld, die den Besitz auch nach 1918 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges behielt.
Und auch hier wurde unmittelbar beim Einmarsch der Roten Armee am 30. Januar 1945 der im Dienst der Hohenzollern tätige Verwalter Franz Schaper auf der Treppe vor dem Eingang des Schlosses erschossen. Dieses wurde anschließend niedergebrannt, 1955 aber wieder aufgebaut und 1978 sogar unter Denkmalschutz gestellt. Es beherbergte bis 1982 eine Berufsgrundschule und ist derzeit als Wohngebäude in Privatbesitz, wohingegen der ehemalige Schlosspark öffentlich zugänglich ist.