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Ob Stress, Unruhe oder Reizüberflutung – auch unsere vierbeinigen Freunde können psychische Leiden entwickeln
Sie ist leuchtend gelb, damit der Hund sie gut sieht, und quakt in einem tiefen Ton. Die Anti-Stress-Ente für den Hund soll Entspannung bringen, beruhigen, über Einsamkeit hinwegtrösten und die innere Ruhe fördern. Das Plüschtier aus besonders robustem Material, das zum Kuscheln und Spielen gemacht ist, soll einen therapeutischen Effekt haben. Die Frage, die sich da stellt, lautet: Warum muss der Hund auf die Couch?
Die Antwort ist wissenschaftlich erforscht. Stress, Zwangsstörung, ADHS, Angststörung, Depression – psychische Erkrankungen sind ein Problem der heutigen Zeit. Das gilt nicht nur für Menschen. Auch vierbeinige Begleiter leiden zunehmend unter psychischen Belastungen. Rund 10,5 Millionen Hunde leben in Deutschland – und immer häufiger treten beim besten Freund des Menschen Verhaltensauffälligkeiten auf. Eine Harvard-Studie kam zu dem Ergebnis, dass drei von vier Hunden charakterbeeinflussende Ängste zeigen. Ähnlich alarmierende Werte ermittelte eine Studie mit 14.000 Hunden, die im Jahr 2021 in Finnland durchgeführt wurde. Auch hier lautete das Fazit, dass drei von vier Hunden Ängste zeigten. Junge Hunde waren dabei oft zusätzlich hyperaktiv und unaufmerksam.
Für den Markt der Haustierbranche sind derlei Ergebnisse ein Glücksfall. Als Antwort auf psychische Probleme werden Beruhigungs-Leckerli auf den Markt gebracht. Cannabisöl für den Hund und andere Produkte mit dem Wirkstoff gibt es inzwischen ebenfalls. Ein anderes Angebot ist das Hundekissen, das verspricht, Abhilfe zu schaffen, indem es den gestressten Vierbeiner wie auf Wolken schlafen lässt. Ein hoher Rand soll dabei wie eine Umarmung wirken und das Nervensystem beruhigen. Das weiche Kunstfell soll Muskel- und Gelenkschmerzen lindern und Einsamkeit reduzieren. Die Anti-Stress-Ente als Spielzeug für den hyperaktiven und verhaltensauffälligen Hund ist hier die passende Ergänzung.
Stress, Unruhe und überreizte Sinne beim Hund finden ihre Ursache oft in der Haltung. Das ergeben auch die Studien. Die Rasse spielt zudem ebenfalls eine große Rolle. Besonders betroffen sind Hütehundrassen wie Australian Shepherds und Border Collies. Die haben sich zum einen in den letzten 20 Jahren besonderer Beliebtheit erfreut und sind deshalb stark verbreitet. Zum anderen sind gerade diese Hunde darauf gezüchtet, aufmerksam zu sein, sensibel und schnell zu reagieren. Reizüberflutung, wie sie in städtischer Umgebung gegeben ist, gepaart mit mangelnder Auslastung, begünstigt auffälliges Verhalten. Zu den Symptomen gehören neben Unruhe, Ängstlichkeit, und Hyperaktivität, Schattenfangen, das Jagen imaginärer Fliegen und Essstörungen. Oft wird dieses Verhalten vererbt. Besser wäre es, Hunde mit diesen Eigenschaften nicht bei der Zucht einzusetzen. Dazu kommt: Jagd- und Hütehunde werden heute nur selten in einer Umgebung gehalten, in der sie ihre Sinne und Bedürfnisse angemessen ausleben können.
Produkte vom Plüschtier, das Stress lindert, bis zum Kissen gegen Einsamkeit zeigen die Bereitschaft, das emotionale Wohlbefinden von Hunden ernst zu nehmen. Vielleicht reicht es aber bereits, selbstkritisch zu überlegen, wie die Haltungsbedingungen im Alltag den Bedürfnissen des Hundes gerecht gestaltet werden können. Und manchmal beginnt ein gutes Hundeleben schon vor der Anschaffung mit der Frage, welche Rasse wirklich zum eigenen Leben passt.