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Anstatt unser Land endlich auf aktuelle und künftige Konflikte besser einzustellen, führen Teile von SPD und Linkspartei abenteuerliche Debatten
Einen Moment lang sah es so aus, als hätten sie verstanden, was die Stunde geschlagen hat. Als der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022 angesichts der russischen Invasion der Ukraine eine „Zeitenwende“ ausrief, erhielt er dafür nicht nur Beifall aus allen Fraktionen, sondern auch die Zusicherung breiter Unterstützung für die im Angesicht der neuen Lage angekündigte Wiederertüchtigung der allzu lange vernachlässigten deutschen Streitkräfte.
Doch schon bald kamen Zweifel auf, ob insbesondere maßgebliche Repräsentanten der seinerzeitigen Kanzlerpartei SPD bereit waren, den Worten ihres Frontmannes auch Taten folgen zu lassen. So dauerte es noch fast ein Jahr, bis Scholz die in ihrem Amt sichtlich überforderte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im Januar 2023 gegen den weitaus energischeren Boris Pistorius austauschte.
Auch danach änderte sich in Sachen Verteidigungspolitik wenig. Sowohl bei der besseren Finanzierung der Streitkräfte als auch bei deren personeller Aufstockung ließ Scholz Pistorius im Regen stehen. Die von dem Minister angestoßene Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht endete in Überlegungen, junge Erwachsene zu verpflichten, einen Fragebogen auszufüllen, in dem sie über ihre Bereitschaft, dem Land mit der Waffe zu dienen, Auskunft geben sollten.
An dieser Nicht-Bereitschaft, den Worten von der „Zeitenwende“ Taten folgen zu lassen, änderte sich auch nach der Bundestagswahl wenig. Zwar haben die Sozialdemokraten in den Koalitionsgesprächen mit der Union das Verteidigungsressort für sich behalten können und auch Pistorius im Ministerposten belassen, doch hintertreiben einflussreiche Kreise in der Partei noch immer echte Schritte der Anpassung an die neuen sicherheitspolitischen Verhältnisse.
Dies zeigt sich vor allem in der Frage der Wehrpflicht. Obwohl in Fachkreisen Einigkeit darüber herrscht, dass die Bundeswehr mehr Soldaten braucht, um unser Land im Ernstfall verteidigen zu können, und obwohl die Erfahrungen der letzten anderthalb Jahrzehnte zeigen, dass der erforderliche Aufwuchs der Truppe mit Freiwilligen nicht zu gewährleisten ist, ist die Wehrpflicht für die Genossen noch nicht einmal ein Debattenthema.
Selektive Blicke auf die Weltlage
Stattdessen sorgte dieser Tage ein „Manifest“ für Wirbel, in dem prominente Sozialdemokraten den „Zwang zu immer mehr Rüstung und zur Vorbereitung auf einen angeblich drohenden Krieg“ anprangerten und die „Gefahr einer weiteren Militarisierung der internationalen Beziehungen“ beklagten. Leider wurde vor allem über die – an sich banale und durchaus richtige – Forderung des „Manifestes“ diskutiert, zur Beendigung des Ukrainekriegs auch das Gespräch mit Russland zu suchen. Dabei ist das Papier vor allem als Ausdruck einer gesinnungsethischen Haltung lesenswert, die zur Aufrechterhaltung der eigenen Träume wichtige Teile der Wirklichkeit einfach ausblendet. Wozu vor allem gehört, dass das durch Aufrüstung herbeigeführte Gleichgewicht der militärischen Kräfte jahrzehntelang einen heißen Krieg in Europa verhinderte, während das Abrüstung genannte Herunterwirtschaften der eigenen Streitkräfte keineswegs dabei geholfen hat, neue Kriege zu vermeiden.
Wie selektiv der Blick auf die Welt in weiten Teilen nicht nur der deutschen Sozialdemokratie – bei Grünen und Linken finden sich ähnliche Argumentationsmuster – ist, zeigt die Kritik in dem „Manifest“ an der „fundamentalen Verletzung der Menschenrechte im Gaza-Streifen“. Womit das israelische Vorgehen gegen die Hamas gemeint ist. Dass zuvor am 7. Oktober 2023 arabische Kommandos in einem beispiellosen Terrorakt über 1200 israelische Bürger brutal massakrierten und somit das harte Vorgehen Israels provozierten, findet keine Erwähnung.
Ähnlich verhält es sich in diesen Tagen angesichts der jüngsten Militärschläge Israels gegen den Iran. Obwohl auch hier die Gegebenheiten unbestreitbar sind – das Mullah-Regime verfolgt seit Jahrzehnten das Ziel der Auslöschung des jüdischen Staates – gilt die Kritik in weiten Teilen der deutschen Linken in erster Linie Israel. So kritisierte der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich im „Deutschlandfunk“ das israelische Vorgehen als „eine große Eskalationsgefahr“. Der Chef der Linkspartei, Jan van Aken, bescheinigte Israel auf der Plattform „X“ gar „eine schwere Verletzung des Völkerrechts, die nicht mit einer Selbstverteidigung zu rechtfertigen ist“. Und die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht erklärte an gleicher Stelle: „Es ist unglaublich, wie die israelische Regierung um sich schlägt.“ Kein Wort davon auch hier, dass sich Israel deshalb im Krieg mit dem Iran befindet, weil die Mullahs diesen Krieg erklärt haben.
Die Kommentare von Linksaußen sind an dieser Stelle deshalb zu erwähnen, weil zahlreiche Sozialdemokraten nach dem schlechten Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl und dem unerwarteten Erfolg der Linkspartei wiederholt erklärten, die „Friedenspolitik“ nicht allein den Populisten überlassen zu wollen.
Angesichts dieser Rahmenbedingungen erscheint es zweifelhaft, dass die deutsche Politik sich aus der „Zeitenwende“ ergebende grundlegende Reformen bald einleiten wird. Zwar haben Union und SPD ein historisches „Sondervermögen“ für Verteidigungsausgaben beschlossen, mit dem die Ausrüstung der Streitkräfte erheblich verbessert werden kann. Doch lehrt gerade der Ukrainekrieg, dass es – wie es der frühere Generalinspekteur Kujat in dieser Zeitung formulierte – auch im Hightech-Zeitalter in militärischen Konflikten weniger auf die Waffen ankommt als vielmehr auf die Soldaten, die sie bedienen.
Und so dürfte es noch eine Weile dauern, bis die deutsche Sicherheitspolitik zur Rationalität früherer Regierungen zurückkehrt. Den Ton setzen einstweilen jene Träumer, die stets vorgeben, das Gute zu wollen – und letztlich nur dafür sorgen, dass unser Land auf künftige Krisen nicht angemessen vorbereitet ist.