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Strammstehen, das sollen künftig auch viele neue Rekruten der Bundeswehr, die dringend neues Personal benötigt
Bild: IMAGO / Panama PicturesStrammstehen, das sollen künftig auch viele neue Rekruten der Bundeswehr, die dringend neues Personal benötigt

Bundeswehr

Die Truppe benötigt Soldaten

Was hilft? Wehrdienst oder Freiwilligkeit? Unterdessen rüstet Russland enorm auf

Peter Entinger
13.06.2025

Deutschland rüstet auf – nur nicht in den Kasernen. Während im Zuge des Ukraine-Konflikts Milliardenpakete für Waffenlieferungen geschnürt werden, kämpft die Bundeswehr an der Heimatfront mit einem ganz anderen Gegner: dem Mangel an Personal. Die Zahl der Soldaten bleibt derzeit hinter allen Zielmarken zurück. Statt der angekündigten personellen Aufstockung auf 203.000 Soldaten, wie einst von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ausgerufen, kommt die Truppe nicht einmal auf die alten Sollstärken. Die Realität ist ernüchternd. Dem Ziel, bis 2031 mehrere zehntausend zusätzliche Dienstposten zu besetzen, stehen ausgedünnte Jahrgänge, fehlende Ausbildungsplätze und schwindende Motivation gegenüber.

Hinter vorgehaltener Hand heißt es in der Truppe: „Wir können so viel Panzer bauen, wie wir wollen – wenn keiner drin sitzt, schießt und fährt nichts.“ Die Zahlen bestätigen den sarkastischen Slogan. Zwar stiegen die Bewerbungen für militärische Dienstverhältnisse zuletzt an, doch die Diskrepanz zwischen Bedarf und Wirklichkeit bleibt dramatisch. Die angekündigten Werbekampagnen – lautstark und bunt – erzeugen Aufmerksamkeit, aber bisher keinen nachhaltigen Effekt.

Innere Resilienz ist gefragt
Die politische Debatte über eine Rückkehr zur Wehrpflicht, die 2011 ausgesetzt wurde, ist deshalb zurück. Während in Berlin die üblichen Mahnungen ertönen, man dürfe nichts überstürzen, wird aus den Reihen der Union zunehmend offen darüber gesprochen. „Die Bundeswehr kann personell nur über eine Wehrpflicht nachhaltig verstärkt werden“, sagt CSU-Verteidigungspolitiker Thomas Silberhorn. Sein Kollege Roderich Kiesewetter geht noch weiter und fordert ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr, auch zur Stärkung der inneren Resilienz.

In weiten Teilen der CDU/CSU gilt die damalige Aussetzung der Wehrpflicht unter Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg heute als ein strategischer Fehler. Was einst als Reform gefeiert wurde, entpuppt sich unter den neuen Bedingungen einer Zeitenwende als Schwächung des Landes. Selbst langjährige Gegner der Dienstpflicht rudern zurück. Der Alt-Grüne Joschka Fischer bezeichnete die Abschaffung jüngst als „Fehleinschätzung“. Und auch in der SPD beginnt ein Umdenken – wenngleich noch eher zögerlich.

Noch wird auf Freiwilligkeit gesetzt
Die Ampelkoalition bremste auf ihren letzten Metern. Die neue, nicht mehr ganz so Große Koalition laviert. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat zwar die Not erkannt, will aber (noch) weiterhin auf Freiwilligkeit setzen. In Interviews verteidigt er seinen Kurs mit dem Argument, eine Rückkehr zur alten Wehrpflicht sei „nicht realistisch“, es fehle an Infrastruktur, Personal, Ausbildungskapazitäten.

Pistorius plant stattdessen ein neues Modell: Alle jungen Männer sollen künftig ein Informationsschreiben erhalten, mit dem sie zur freiwilligen Meldung ermutigt werden. Wer sich meldet, soll schnell und flexibel einsatzfähig gemacht werden
– auch in Heimatschutz und Krisenhilfe.

Was auf den ersten Blick recht pragmatisch klingt, ist in Wahrheit ein gefährlicher Formelkompromiss. Die sicherheitspolitische Lage hat sich dramatisch verändert. Die Bedrohung durch hybride Kriege, Sabotageakte, Cyberattacken und destabilisierende Kräfte innerhalb Europas wächst. Doch statt entschlossen zu handeln, wählt die Bundesregierung den Weg des kleinsten Widerstands.

Militärisch betrachtet ist dieser Kurs kaum haltbar. Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer warnt offen: „Wir brauchen bis zum Ende des Jahrzehnts über 100.000 neue Soldaten.“ Auch der neue Wehrbeauftragte Henning Otte hält es für notwendig, dass der Staat „umschalten kann“, wenn sich die Freiwilligkeit als unzureichend erweist. Klare Worte, die bisher auf taube Ohren zu stoßen drohen. In der grünen Bundestagsfraktion gilt die Wehrpflicht ohnehin nach wie vor als Relikt vergangener Zeiten – zu teuer, zu aufwendig, zu wenig konsensfähig.

Machen statt reden
Dabei zeigt die Realität längst: Die Freiwilligkeit hat ihre Grenzen. Die frühere Wehrbeauftragte Eva Högl sagte im März bei der Vorstellung ihres letzten Berichtes: „Leider weiterhin verschlechtert hat sich die sehr hohe Anzahl unbesetzter Dienstposten.“ Im Jahr 2020 – dem Beginn ihrer Amtszeit – seien rund 18 Prozent des militärischen Personals in den Laufbahnen oberhalb der Mannschaften unbesetzt gewesen. Ende 2024 seien es sogar knapp 20 Prozent gewesen. Bei den Mannschaften waren im vergangenen Jahr rund 28 Prozent aller Dienstposten unbesetzt gewesen.

Bundeswehr-Chef Breuer mahnt daher drastisch: „Russland ist spätestens in vier Jahren militärisch dazu in der Lage, die baltischen Nato-Staaten Estland, Litauen und Lettland anzugreifen. Er betonte, dass sich auch ein früherer Angriff Russlands nicht ausschließen lasse. Russland stelle pro Jahr etwa 1500 Panzer her. Breuer zufolge ist dies eine Aufrüstung in einem „enormen Ausmaß“. Seine Forderung: Der Westen müsse gegenhalten.

Doch was fehlt, ist der politische Wille. Deutschland steht in einer sicherheitspolitischen Übergangsphase, die schnelles und vorausschauendes Handeln verlangt. Es gibt viele, die sagen, die Bundeswehr könne nicht auf Freiwilligkeit hoffen, während sich die Weltlage verdüstert. Ein starker Staat beginnt bei der Wehrhaftigkeit. Wer ewig diskutiert, verspielt die Einsatzfähigkeit seiner Armee – und damit die Sicherheit des Landes.


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