28.06.2025

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Reformen

Digitalpläne der neuen Koalition lassen Datenschützer aufschrecken

Dass Deutschland bei der Digitalisierung aufholen muss, wird kaum bestritten. Doch in den konkreten Vorhaben von Schwarz-Rot sehen Kritiker große Gefahren für die Rechte der Bürger

Wolfgang Kaufmann
13.05.2025

In George Orwells Roman „1984“ errichtet der „Große Bruder“ mit Hilfe des „Ministeriums für Wahrheit“ einen totalitären Überwachungsstaat, um die Masse der Bevölkerung im Zaum zu halten. An diese Dystopie gemahnen zahlreiche Formulierungen im schwarz-roten Koalitionsvertrag, der skizziert, in welche Richtung sich die deutsche Gesellschaft künftig entwickeln soll. So heißt es beispielsweise: „Jeder Bürger und jede Bürgerin erhält verpflichtend ein Bürgerkonto und eine digitale Identität.“ Beides soll mit einer digitalen Brieftasche namens European Digital Identity Wallet für den digitalen Euro verknüpft werden.

Darüber hinaus kündigen die Koalitionäre an: „Noch 2025 rollen wir die elektronische Patientenakte stufenweise aus, von einer bundesweiten Testphase zu einer verpflichtenden sanktionsbewehrten Nutzung.“ Ebenso strebt Schwarz-Rot eine straff durchdigitalisierte Verwaltung, die „stringente“ Umsetzung des EU-weit geltenden, vielfach kritisierten Zensurgesetzes über die Digitalen Dienste (DSA), verschärfte Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung sowie die automatisierte biometrische Identifikation an. Dazu kommt der Plan zur Einführung einer bundesweiten Schüler-Identifikationsnummer. Und da all dies natürlich kaum ohne weiteres Wuchern der hiesigen Bürokratie denkbar ist, soll auch ein Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung entstehen.

Kritikern zufolge spricht der Koalitionsvertrag den Bundesbürgern damit faktisch das Recht auf analoges Leben ab und öffnet Tür und Tor für eine digitale Zwangsbeglückung nach dem Vorbild der Volksrepublik China, wo eine zentral gesteuerte Gesellschaft, in der jedweder Widerspruch im Keim erstickt wird, Realität geworden ist. Durch die Sperrung der digitalen Konten oder Identitäten kann die Bewegungs- und Handlungsfreiheit von Dissidenten jederzeit auf rigide Weise eingeschränkt werden. Nicht zu vergessen auch die Überwachungsmöglichkeiten der verschiedensten Art. Beispielsweise wäre so eine lückenlose Erfassung und schnelle Aushebung aller wehrpflichtigen Personen möglich.

Risiko des repressiven Staates
Sind die Pläne der schwarz-roten Koalition ein Angriff auf den Datenschutz und die Privatsphäre der Bundesbürger? Dazu steht im Vertrag: „Das Spannungsverhältnis zwischen sicherheitspolitischen Erfordernissen und datenschutzrechtlichen Vorgaben muss neu austariert werden.“ Wie dieses „Austarieren“ enden könnte, lässt die Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom Juni 2024 „Zum sogenannten Digitalzwang und einem Recht auf analogen Zugang zu Verwaltungsleistungen“ erahnen. Darin wird behauptet, dass das Grundgesetz kein „Abwehrrecht“ gegen eine digitale Verwaltung vorsehe.

Dabei sind die Risiken selbst bei verantwortungsvoller Umsetzung der Digitalpolitik ohne repressive Attitüden vonseiten des Staates immens. Jede neue digitale Anwendung erzeugt zusätzliche Schwachstellen und Hintertüren in der digitalen Architektur, welche Angreifern – egal ob politischer oder krimineller Natur – in die Hände spielen und Missbrauch ermöglichen könnte.

Glauben die Koalitionäre ernsthaft, den Diebstahl digitaler Identitäten verhindern zu können, wo doch bereits der Feldversuch mit der Einführung digitaler Bezahlkarten für Asylbewerber gescheitert ist? Und was wäre nach einem Machtwechsel? In den USA nutzt die Trump-Regierung jetzt die unter Biden vergebenen Sozialversicherungsnummern von illegalen Einwanderern, um das finanzielle Leben der Betroffenen „auszulöschen“.

Angesichts all dessen mehren sich die Stimmen, welche vor den Planungen im Koalitionsvertrag in puncto Digitalisierung warnen. So kritisiert der Chaos Computer Club, der mittlerweile zu den wichtigsten europäischen Nichtregierungsorganisationen für Datenschutz, Datensicherheit und Informationsfreiheit gehört, das Papier aufs Schärfste und fordert eine „Notbremse für den Überwachungskatalog“ von CDU/CSU und SPD. Ähnlich argumentiert die Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage, die sich für die Aufnahme des Rechts auf ein Dasein ohne Digitalzwang ins Grundgesetz stark macht. Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben dürfe ebenso wie die Inanspruchnahme öffentlicher Infrastrukturen und Leistungen nicht an die Nutzung eines Smartphones oder des Internets beziehungsweise bestimmter Softwareprodukte gebunden sein.

Sollte der Koalitionsvertrag tatsächlich zur Umsetzung kommen, dann wäre nicht nur Kritik, sondern auch Gegenwehr angesagt, sollten die kritischen Stimmen recht haben. Und das ist die große Chance, aus der digitalen Falle zu entkommen, in der viele Bundesbürger jetzt schon ein ganzes Stück weit stecken. In den Absichten von Schwarz-Rot sehen Gegner den Anlass, sich unverzüglich um die Wiedergewinnung der eigenen informationellen Selbstbestimmung zu bemühen, auch wenn dies – wie im Falle der Rückkehr zur konsequenten Barzahlung – vielleicht mit der einen oder anderen Unbequemlichkeit verbunden ist.

Und wenn es sowieso nicht klappt?
Und sollte das nicht genügen, gäbe es weitere Möglichkeiten. Hierzu schreibt der frühere Redakteur des Magazins „Rubikon“, Nicolas Riedl: „Was bringt es, wenn die Einführung einer digitalen Identität beschlossen wird, aber dann mehr als ein bis zwei Dutzend Millionen Menschen sich daran nicht beteiligen und die Mitwirkung bei der Erstellung des Bürgerkontos verweigern? Will man die allesamt von der öffentlichen Teilhabe ausschließen? Das dürfte Protestformen wie die Spaziergänge wiederaufleben lassen, die damals schon die Impfpflicht verhindert haben.“

Sarkastische Kritiker äußern die Hoffnung, dass der Staat auch bei dieser neuen Digitalisierungsoffensive versagt. 2017 trat das Onlinezugangsgesetz in Kraft, welches unter anderem vorschrieb, dass es im Jahre 2022 möglich sein solle, 575 Verwaltungsleistungen aller Art über ein freiwilliges Bürgerkonto namens BundID abzuwickeln. Dieses Ziel wurde nicht einmal ansatzweise erreicht, angeblich wegen der komplexen föderalen Strukturen, des unterschiedlichen Standes der Digitalisierung in den einzelnen Bundesländern und der „heterogenen IT-Landschaft“ insgesamt.


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