31.05.2025

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Filmplakat von „Ostpreußen“
Foto: Neue Lloyd Filmdistribution GmbHFilmplakat von „Ostpreußen“

Kino

Ein- und Abtauchen in eine „entschwundene Welt“

Hermann Pölking hat in Lüneburg seinen neuen Kompilationsfilm über Ostpreußen von 1912 bis 1945 vorgestellt

Manuel Ruoff
30.05.2025

Diesen Monat hatte der Filmemacher Hermann Pölking in den „Filmpalast“ geladen, um seinen neuesten Film „Ostpreußen – Entschwundene Welt“ vorzustellen. Lüneburg als Sitz des Ostpreußischen Landesmuseums war nicht zufällig als Ort für die Uraufführung gewählt. Das OL zählte mit zu den Einladenden, dessen Direktor Joachim Mähnert gehörte mit Pölking zu den Diskutanten im Anschluss an die eigentliche Filmvorführung, und auch ansonsten war das Museum durch haupt- wie ehrenamtliche, aktive wie ehemalige Mitarbeiter im Publikum vertreten.

In der Diskussion verbalisierte Pölking noch einmal seine Intention, die vorher bereits sein Werk gezeigt hatte. Für den Filmemacher steht der Film und nicht der Ton im Vordergrund. Ihm ging es nicht darum, einen Text, ein Narrativ mit bewegten Bildern zu belegen und zu unterlegen. Vielmehr ist sein Werk eine Aneinanderreihung von meist von Amateuren stammenden Filmaufnahmen aus den Jahren 1912 bis 1945. Von 1912 stammen die ersten Filmaufnahmen aus Ostpreußen, die Pölking ausfindig machen konnte. 1945 ging das alte Ostpreußen unter.

In mühevoller, zeitraubender Kleinarbeit haben Pölking und sein Team die Aufnahmen ausfindig gemacht, sie restauriert, deren oft stichige Farben korrigiert, die Aufnahmen mit dezenter Filmmusik unterlegt sowie schließlich mit Texten versehen, die Auskunft darüber geben, wer die Aufnahmen wann wo gemacht hat, was auf den Aufnahmen zu sehen ist und wie der Entstehungszusammenhang aussieht, in welchem Kontext die Aufnahmen entstanden. Es ist so spannend wie bewundernswert, was Pölking und sein Team zu den Aufnahmen alles herausbekommen haben und dem Zuschauer mitzuteilen wissen.

Angesichts der Bedeutung des bewegten Bildes für Pölkings Werk ist es umso bemerkenswerter, dass es nicht mit Filmaufnahmen beginnt, sondern mit einer schwarzen Leinwand und einem Text aus dem Off, der den Kinobesucher mit diversen Beispielen in aller Kürze in das Ostpreußische einführt. Man könnte meinen, der Filmemacher wolle uns nicht nur sehbar, sondern auch hörbar machen, was wir mit dem alten Ostpreußen verloren haben. Denn eines ist klar: Die Ostpreußen haben ihre Sprache zwar mit auf die Flucht genommen, aber mit der Erlebnisgeneration wird auch das Ostpreußisch verschwinden.

Die ersten Filmaufnahmen zeigen oberflächlich den Bau einer Behelfseisenbahnbrücke über die Weichsel durch die Wehrmacht in der zweiten Hälfte des Kriegsjahres 1944. Unterschwellig zeigen sie in Kombination mit dem erläuternden Text aus dem Off den Wahnsinn des Krieges und die mit ihm verbundene ungeheuerliche Ressourcenverschwendung. Der Kinobesucher erfährt nämlich, dass an derselben Stelle schon eine Eisenbahnbrücke gestanden hatte – welche die Polen allerdings nach dem Ersten Weltkrieg demontiert hatten. Und er erfährt, dass keine vier Monate nach dem Einweihungsakt der Behelfsbrücke am 6. Oktober 1944, von dem der Kinobesucher Filmaufnahmen zu sehen bekommt, dieses Bauwerk im weiteren Sinne von seinen eigenen Erbauern, nämlich den Deutschen, schon wieder zerstört wurde.

Dann kommt ein krasser Wechsel bei Ton wie Bild. Eine Frau spricht nun statt eines Mannes aus dem Off, und es gibt wundervolle, friedliche und dabei nur wenig ältere Bilder als die zuvor gezeigten zu sehen von der Kurischen Nehrung, ihrer Vogelwelt, ihrer Natur, ihrer Idylle.

Die Aufeinanderfolge dieser beiden ersten Filmsequenzen spiegelt bereits im Kleinen das Programm wider, das Pölking bei seinem Werk verfolgt hat. Dieses Programm samt dessen Entstehung verbalisierte der Filmemacher an jenem Uraufführungsabend selbst. Er habe sich inspirieren lassen von einem Besuch von Yad Vashem, Israels zentraler Gedenkstätte in Jerusalem für den Holocaust, die Shoa, die Endlösung, die Judenvernichtung. Dort würde der Rundgang nicht gleich mit der Katastrophe beginnen. Vielmehr würde man vorher glückliche Familienbilder aus der Zeit davor zu sehen bekommen.

Nur nebenbei sei erwähnt, dass der Deutsche, um dieses Konzept kennenzulernen, nicht nach Israel hätte reisen müssen. Viele Folgen der erfolgreichen deutschen Fernsehserie „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ sind so aufgebaut. Über die Idylle, den friedlichen Alltag bricht das Böse, das Unglück, die Katastrophe herein.

Pölking indes hat sich entschieden, das Konzept umzudrehen. Er beginnt mit der Katastrophe, dem Ende, dem Verlust, um dann zu schildern, was dadurch verloren ist.

Abgesehen von den obengenannten beiden ersten hat Pölking die Filmsequenzen nach ihrem Entstehungsjahr in Blöcke zusammengefasst, denen ein Hinweis auf den entsprechenden Zeitraum samt einem passenden Zitat vorangestellt ist. Diese Blöcke werden nun in chronologischer Reihenfolge gezeigt mit Ausnahme des letzten, der den Zeitraum 1944/1945 behandelt und damit auch den Verlust. Er ist entsprechend dem Programm des Hermann Pölking den anderen Blöcken vorangestellt, in denen geschildert wird, was verloren ist, die sogenannte entschwundene Welt, wie Pölking es nennt.

Wer sich für das alte Ostpreußen interessiert und in diese „entschwundene Welt“ ein- oder abtauchen will, kann das mit „Ostpreußen“ für eine gute Spielfilmlänge auf recht angenehme, interessante und im besten Wortsinn unterhaltende Weise tun. In Norddeutschland kann er das etwas schneller. Die Produzenten haben sich entschlossen, den Film in sechs sogenannten Kampagnen in die bundesdeutschen Kinos zu bringen. Los geht es in Nordniedersachsen, Weser-Ems und Bremen. Im nächsten Monat soll es deutschlandweit weitergehen. Wer wissen will, wann der Film wo in seiner Nähe zu sehen sein wird, kann das bei der Neuen Lloyd Filmdistribution GmbH, Waller Stieg 3, 28217 Bremen, Telefon (04293) 3109999, E-Mail: office@helden-der-geschichte.de, erfragen.


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