19.11.2025

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Ein leider noch viel zu seltener Fahndungserfolg: Schwer bewaffnete Spezialkräfte der Polizei Hamburg bewachen 2,1 Tonnen  sichergestellte Päckchen mit Kokain. Der Wert auf der Straße liegt bei über 100 Millionen Euro
Bild: picture alliance/dpa | Marcus BrandtEin leider noch viel zu seltener Fahndungserfolg: Schwer bewaffnete Spezialkräfte der Polizei Hamburg bewachen 2,1 Tonnen sichergestellte Päckchen mit Kokain. Der Wert auf der Straße liegt bei über 100 Millionen Euro

Unterwanderung

EU-Länder sind auf dem Weg zum Narco-Staat

Die Machtzunahme krimineller Drogenbanden in Europa wächst sich inzwischen zu einer handfesten Gefahr aus

Sverre Gutschmidt
19.11.2025

Die spektakulären Angriffe der USA auf angebliche Drogenboote im Pazifik führen Europa den Ernst des Kampfes gegen Drogenkartelle vor Augen. Derweil läuft in Belgien eine Debatte, ob und wie Drogenbanden den Staat unterwandert haben. Eine Frage, die inzwischen ganz Europa betrifft. Wie hart darf oder muss der Staat vorgehen, ohne das Recht aus den Augen zu verlieren?

Der belgische Hafen Antwerpen bildet mit dem niederländischen Rotterdam faktisch eine eng vernetzte Einheit, die größte Europas. Zusammen ist es zugleich ein Drehkreuz des Drogenhandels. Als im Oktober eine belgische Untersuchungsrichterin in einem anonymen Brief Alarm schlug, die Macht der Kartelle habe längst den Staat unterwandert und „weit verbreitete mafiöse Strukturen“ geschaffen, sorgte das für einen Aufschrei. Das Land drohe zum Narco-Staat zu werden, dessen Wirtschaft und Strukturen also von der Drogenmafia unterwandert sind. Europaweit geht es darum, wie weit Länder in ihren Grundstrukturen von Drogenbanden angegriffen werden und welches Maß an Abschirmung oder auch Schutz für Richter, Staatsanwälte oder Polizisten die betroffenen Staaten aufbringen.

In Hannover kam letztes Jahr ein Staatsanwalt in Untersuchungshaft: Verdacht auf Kooperation mit einem Kartell. In Belgien gilt das Kokain als Geldquelle, die Kriminellen Macht zur Bestechung und zum Eindringen in öffentliche Strukturen verschafft. Mord im Zusammenhang mit Drogen ist keine Seltenheit mehr, Brüssel ist wie Antwerpen betroffen. Fälle von korrupten Beamten auf unterer Ebene, die intern nach Razzien in Häfen suchen, sind in Belgien belegt.

Noch betrage der Anteil des Drogenhandels am Bruttoinlandsprodukt nach Schätzungen der Nationalbank rund
0,2 Prozent. Gegenreaktionen des Staates funktionierten noch, beruhigen Experten. Erfahrungen im Kampf gegen Drogen zeigen indes, gerade wo Kontrollen ausbleiben, breitet sich das Verbrechen aus.

Deutschland ist ineffizient
Deutschland ist derweil als Geldwäscheparadies im Visier der Kartelle. Der Drogenkonsum steigt, vor allem mit Profit versprechendem Kokain, wie Befragungen des Instituts für Therapieforschung zeigen. Das lässt die Mafia wachsen. Die Aufklärungsquoten bei Drogendelikten sinken spürbar. Eine ARD-Dokumentation deckte Ende Oktober auf, wie täglich Milliardenbeträge aus allen Bereichen der Kriminalität in die deutsche Wirtschaft fließen. Abhörprotokolle der italienischen Polizei ließen erkennen, dass Deutschland extrem ineffizient gegen Geldwäsche der Drogenclans vorgehe. Bei den Kartellen hat sich herumgesprochen, das illegales Geld nicht weggenommen wird, sich mit Drogengeld beispielsweise in bar ein Restaurant kaufen lässt, wo vermeintlich bar von Kunden bezahltes Essen als Einnahme direkt zur Bank kommt und so in den Wirtschaftskreislauf gelangt.

Marokkobanden als Strippenzieher
Im Rheinland sorgen neue Anzeichen eines Vordringens der Kartelle für Aufsehen: Bombenexplosionen! Es sind Anzeichen von Revierkämpfen in Drogenkreisen, die auch völlig Unbeteiligte treffen können. In den Niederlanden, wo die Spuren hinführen, sind solche Anschläge schon länger an der Tagesordnung. In Köln kam im Mai sogar eine Gruppe Minderjähriger vor Gericht, die im Kartellauftrag Sprengsätze gegen rivalisierende Drogenhändler eingesetzt haben sollen. Im Hintergrund werden skrupellose brutale marokkanische Banden in den Niederlanden vermutet.

In Deutschland hat die Polizei es schwer, weil sie neben dem Schwarzgeldverdacht auch eine kriminelle Handlung nachweisen muss, um Gelder beschlagnahmen zu können – mitunter tarnen Drogenringe die Geldverschiebungen mit dem Import teurer Baumaschinen. Vor allem die deutsche Bargeldkultur erleichtert Drogenringen den Zugriff auf die Wirtschaft und somit auch auf den Staat.

Diese Schwäche Deutschlands hat laut Experten Einfluss auf weltweite kriminelle Strukturen und beeinträchtigt den Kampf anderer Staaten. Dass Unbeteiligte in Deutschland angeworben werden, um mit ihren Identitäten Aufgaben für Kartelle zu ermöglichen, ist längst Realität – die Macht des schnellen Geldes erzeugt enormes Korrumpierungspotential. Bis die Schwelle zu Behörden und Politik durchbrochen ist, ist nur eine Frage der Zeit, denn das Geld als Machtmotor kann nicht einfach beschlagnahmt werden, wie in den Niederlanden.

Diese Herausforderungen treffen alle Staaten Europas. Ermittler haben bei Geschwindigkeit und Ausmaß der Verbrechen oft das Nachsehen. Da viele Geldmodelle der Banden hierzulande unbeobachtet bleiben, geraten mehr und mehr Berufe wie Wirtschaftsbereiche in Kontakt mit ihnen. So sind Notare im Visier beim Geldverstecken. Längst berichten Ermittler von unauffälligen Hotels, die Geld waschen. Die Aushöhlung des Staates ist somit eine reale Bedrohung.


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