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Nach dem Zerwürfnis zwischen Trump und Selenskyj steht auch die künftige Bundesregierung schon vor ihrem Start vor einer Bewährungsprobe
Die weltpolitischen Nachrichten überschlagen sich in diesen Tagen. Am Freitag vergangener Woche zelebrierten US- Präsident Donald Trump, sein Vize J.D. Vance und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor laufenden Kameras ihr Zerwürfnis. Anlass waren unterschiedliche Vorstellungen über den Weg zum Frieden im Ukrainekrieg. In den Tagen danach versammelten sich die Europäer, angeführt von Großbritannien und Frankreich, um darüber zu diskutieren, was das Drama im Oval Office für ihre eigene Sicherheit bedeutet. Zu Beginn der Woche verkündete Trump dann, die Unterstützung seines Landes für die Ukraine solange auszusetzen, bis Selenskyj bereit sei, auf den Kurs der USA einzuschwenken und in Washington um Entschuldigung bitte.
Grundsätzliche Änderung der Lage
Angesichts dieser und weiterer jüngster Ereignisse, man denke an das Interesse Trumps an dem zu Dänemark gehörenden Grönland oder auch an das Auftreten Vance' bei der Münchner Sicherheitskonferenz (die PAZ berichtete), kann niemand bestreiten, dass sich die sicherheitspolitische Lage für Europa grundlegend geändert hat. Die USA – jahrzehntelang Garant der äußeren Sicherheit erst Westeuropas, später auch weiter östlich liegender Länder – stehen unter ihrer neuen Führung für eine radikale „America first“-Politik und nehmen dabei keine Rücksicht auf ihre europäischen Verbündeten.
Für diese ist die neue Lage zweifelsohne eine extreme Herausforderung. Seit Gründung der NATO gewohnt, unter dem Schutzschirm der Supermacht USA zu stehen, und im Bewusstsein, die eigenen Streitkräfte nach dem Ende des Kalten Krieges heruntergewirtschaftet zu haben, wird ihnen nun schlagartig bewusst, wie gefährdet ihre äußere Sicherheit wäre, falls die Amerikaner auch ihnen den Beistand entzögen. Insofern ist es nur zu begrüßen, wenn die Europäer endlich darüber nachdenken, ihre Verteidigungsfähigkeit wieder selbst in die Hände zu nehmen.
Höchst bedenklich ist jedoch der derzeit in London, Paris und Berlin zu vernehmende Affekt, als Reaktion auf das Agieren Washingtons die eigene Unterstützung für die Ukraine zu erhöhen. Zwar brauchen sie sich ökonomisch keineswegs vor den Amerikanern und den Russen zu verstecken, doch wären selbst alle Europäer zusammen nicht in der Lage, den Umfang der US-Hilfen an Geld, Kriegsgütern und insbesondere an Aufklärungsinformationen zu ersetzen.
Ein weitaus gefährlicherer Aspekt ist, dass sich für die Europäer mit den derzeit angedachten Schritten ihr Verhältnis zum Ukrainekrieg erheblich zu verändern droht. Auch wenn man verstehen kann, dass Briten, Franzosen, Deutsche und andere Nationen den russischen Versuch, Grenzen wieder mit militärischen Mitteln zu verschieben, zurückweisen wollen und deshalb gewillt sind, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf nicht im Stich zu lassen, so müssen sie doch bedenken: Durch die Verhandlungen des Weißen Hauses mit dem Kreml über einen Frieden – unabhängig davon, wie dieser aussehen mag – befinden sich die USA und Russland auf einem Kurs der Entspannung, während die Europäer zunehmend auf einen Kurs der Eskalation geraten.
Insofern wären all jene, die nun nach einem verstärkten europäischen Engagement zugunsten der Ukraine rufen, gut beraten zu überlegen, ob auch sie nicht stärker auf die Mittel der Diplomatie zurückgreifen sollten. Zumal die bisherigen massiven Militärhilfen der USA nicht verhindert haben, dass Russland Schritt für Schritt ukrainisches Terrain erobern konnte. Glaubt jemand in London, Paris, Berlin und andernorts ernsthaft, die Lage der Ukraine auf dem Schlachtfeld verbessern zu können, wenn noch nicht einmal die Amerikaner dies vermochten?
Zweifelhaftes „Sondervermögen“
Eine Schlüsselrolle in der Haltung der Europäer kommt naturgemäß Deutschland, der größten Macht auf dem Kontinent, und insbesondere seiner künftigen Regierung zu. Hier lassen jedoch erste Aussagen und Schritte des wahrscheinlich nächsten Bundeskanzlers Friedrich Merz nach der Wahl vermuten, dass die Bundesrepublik unter seiner Ägide am bisherigen Kurs festhalten wird. So schlug sich Merz im Anschluss an das Zerwürfnis zwischen Trump und Selenskyj umgehend auf die Seite des Ukrainers – was ihn in Washington wohl kaum zu einem gern gesehenen Gesprächspartner machen dürfte.
Weit bedenklicher sind die durch Medien kolportierten Überlegungen, noch mit den Mehrheitsverhältnissen des alten Bundestags zwei hunderte Milliarden Euro schwere „Sondervermögen“ (also Schuldenpakete) für Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben beschließen zu wollen. Abgesehen davon, dass Merz in unzähligen Wahlkampfauftritten (unter anderem vor einem Millionenpublikum bei den TV-Duellen) erklärt hatte, dass der Staat endlich mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld auskommen müsse, steht zu befürchten, dass schuldenfinanzierte Sonderpakete die auch in der Wehrpolitik dringend erforderlichen Reformen auf unbestimmte Zeit verzögern würden.
Hinzu kommt, dass jegliches „Sondervermögen“ oder gar eine Änderung des Grundgesetzes selbst im Eiltempo einige Zeit brauchen und vermutlich auch Klagen der Opposition vor dem Bundesverfassungsgericht nach sich ziehen dürften. Möglicherweise haben sich derweil Amerikaner und Russen längst über das Schicksal der Ukraine und Europas verständigt – ohne die Europäer.
Vor diesem Hintergrund sollte die neue Bundesregierung vor einem möglichen sicherheitspolitischen Fehlstart zunächst besonnen die Lage sondieren und ihre Anstrengungen darauf richten, wie der Ukrainekrieg diplomatisch beendet und die Gefahr der Eskalation zu einem größeren europäischen Konflikt vermieden werden kann. Mit der so gewonnenen Ruhe könnte sie dann – womöglich sogar ohne „Sondervermögen“ – die dringend erforderlichen Reformen anpacken.