Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Gräueltaten auf beiden Seiten – wieviel Leid können Menschen jemals verzeihen?
Das Jahr 2025 steht ganz im Zeichen der Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren und des Gedenkens an die über 60 Millionen Opfer dieses unseligen Krieges. Allein im Raum Ostpreußen waren über 500.000 Kriegsopfer zu beklagen. Das waren 20 Prozent der Bevölkerung.
Der wahnsinnige Krieg, der von Hitler und seinen nationalsozialistischen Schergen im Jahr 1939 angezettelt wurde und nahezu sechs Jahre dauerte, war am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht dann doch endlich beendet worden. Die vier Siegermächte – England, die Sowjetunion, die Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich – übernahmen die Hoheitsgewalt über das Deutsche Reich und teilten dieses nach den Beschlüssen der Alliierten von Jalta, die im Februar 1945 unterzeichnet wurden, und die Resolution von Potsdam aus dem August 1945, untereinander in Besatzungszonen auf. Die deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie wurden unter polnische und sowjetische Verwaltung, allen voran das Gebiet Königsberg, gestellt.
Doch diesem vernichtenden Ende des Deutschen Reiches gingen gerade in den Ostprovinzen nicht nur erbitterte Kämpfe der Wehrmacht mit der sowjetrussischen Übermacht voraus, sondern auch grausamste Schicksale der zivilen Bevölkerung – auf beiden Seiten.
Während die Alliierten bereits im Oktober 1944 bis an die westliche Reichsgrenze vorgedrungen waren und die Wehrmachtstruppen bei der alliierten Rheinlandoffensive immer weiter zurückdrängten, überrannte die Rote Armee der Sowjets erst im Januar 1945 die deutschen Ostgrenzen in Schlesien und Ostpreußen. Am 12. Januar 1945 begann die Großoffensive der Roten Armee und damit der Sturm auf Ostpreußen, der für die Bewohner zur Tragödie wurde. Durch diesen Vorstoß der Roten Armee wurde Ostpreußen Ende Januar 1945 vom Deutschen Reich endgültig abgeschnitten.
Verbrechen an Wehrlosen
Bereits Ende 1944 begann aus Furcht vor den Massakern der sowjetrussischen Truppen die nahezu panische Fluchtbewegung der ostpreußischen Zivilbevölkerung aus den östlichen Grenzregionen von Ostpreußen in Richtung Westen. Viele ahnten bereits das Ende des Krieges, viele hofften darauf, aber niemand konnte sich letztendlich wirklich vorstellen, um welchen Preis und mit welchem Ergebnis alles zu Ende gehen sollte.
Der Einmarsch der Roten Armee in die ostpreußischen Gebiete war gekennzeichnet durch bis heute unvorstellbar brutale Grausamkeiten: An den Frauen wurden Massenvergewaltigungen verübt, die Russen schossen auf die Zivilbevölkerung, auf alte Männer sowie auf Frauen und Kinder – obwohl diese völlig unbewaffnet und somit keine Kriegsteilnehmer waren, die daher auch keinerlei militärische Gewalt ausübten. In schauerlicher Weise entlud sich der aufgestaute Hass, der noch zusätzlich vom Schriftsteller und Propagandisten Ilja Ehrenburg weiter geschürt wurde, der mit Flugblättern an die sowjetrussischen Soldaten aufrief: „Töte den Deutschen, Versäume nichts, töte!“, in einer geradezu emotionalen Explosion.
Es war daher nicht nur Rache und Vergeltung für die vorher von Deutschen verübten grauenhaften Kriegsverbrechen – an Soldaten wie an Zivilisten – die sich hier in der Form von Gegengewalt äußerte und entlud, sondern auch das zügellose und sinnlose Morden der Sowjetsoldaten, die noch weiter an- und aufgestachelt nach Ehrenburgs widerlichen Hetzparolen handelten.
Der russische Literatur-Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn be-schreibt in diesem Zusammenhang in seinem Band „Ostpreußische Nächte“ folgendes tragische Erlebnis in Neidenburg in Ostpreußen:
Zweiundzwanzig, Höringstraße.
Noch kein Brand, doch wüst, geplündert.
Durch die Wand gedämpft – ein Stöhnen:
Lebend finde ich noch die Mutter.
Waren's viel auf der Matratze?
Kompanie? Ein Zug? Was macht es!
Tochter – Kind noch, gleich getötet.
Alles schlicht nach der Parole:
Nichts vergessen! Nichts verzeihen!
Blut für Blut! – und Zahn für Zahn.
Für diejenigen, die von der Roten Armee eingeholt oder gar regelrecht überrollt wurden, bedeutete dies in den meisten Fällen: Folter, Verschleppung, Vergewaltigung oder Tod. Ein Tod, der manchmal sogar einer Erlösung gleichkam.
Heimat der Vorfahren verloren
Nach dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpreußen versuchten nun Bewohner aus allen Teilen des Landes, den Russen zu entkommen, indem sie den Weg über das zugefrorene Frische Haff wagten. Sie wollten nach etwa acht Kilometern auf dem Eis die Frische Nehrung erreichen. Von dort wollten sie weiter zum Danziger Hafen gelangen. Die Flucht über das zugefrorene Frische Haff erwies sich aber als äußerst tückisch und ebenso als fatal. Zahlreiche Fuhrwerke brachen in das Eis ein, weil sie von den Bordkanonen aus den sowjetischen Tieffliegern beschossen wurden. Die Menschen ertranken jämmerlich oder erfroren in Scharen auf dem Eis. Ich selbst habe als Kind diese Schicksale Anfang Februar 1945 auf dem Frischen Haff bei vor uns fahrenden Treckwagen persönlich erlebt. Es war schlicht die Fratze des Krieges, die sich hier offenbarte – und die ich niemals je wieder vergessen werde.
Und wie sah es in der letzten Phase des Krieges in unserem Kreisgebiet aus? Ende Januar und Anfang Februar 1945 verließen die Bewohner unseres Kreises in bitterer Kälte in überstürzter Flucht panikartig ihre angestammte Heimat mit der über 700-jährigen deutschen Geschichte, um entweder auf dem Landwege oder über die Ostsee das nackte Leben zu retten. Es war nicht nur ihre Heimat, sondern auch die Heimat ihrer Vorfahren, die diesen Menschen das tägliche Brot gegeben hatte. Die Furcht vor den Massakern der sowjetischen Armee war größer als der Wunsch nach einem Verbleib in der geliebten Heimat.
Treck der Verzweifelten
Im nordöstlichen Teil unseres Heimatkreises mit den Dörfern Uderwangen, Thomsdorf und Jesau flüchteten die Bewohner bereits am 26. Januar 1945 vor den sowjetischen Truppen. Einige Tage später verließ der Großteil der Bevölkerung von Wittenberg und Tharau überstürzt die heimatliche Scholle, und am 8. Februar 1945 ereilte die Menschen von Kreuzburg das gleiche Schicksal. Die Stadt Preußisch Eylau fiel am 9. Februar 1945, und die meisten Einwohner ergriffen, gejagt vom unerbittlichen Krieg und der rachedurstigen Roten Armee, auch hier die Flucht über Rositten in Richtung Westen.
Im südlichen Kreisgebiet um Glandau, Hanshagen, Landsberg, Buchholz und Canditten herrschten um diese Zeit katastrophale Zustände, denn hier war das Durchmarschgebiet der Flüchtlinge aus dem Osten Ostpreußens mit verstopften Straßen und gleichzeitig Kampfgebiet der Deutschen Wehrmachtstruppen gegen die Übermacht der Sowjets. Hier wurde erbittert gekämpft. In Landsberg begann die Flucht am 1. Februar 1945. Die Stadt fiel einen Tag später. Die letzten Kämpfe im Kreisgebiet fanden am 18. Februar 1945 um die Orte Augam und Quehnen statt; einige Tage vorher setzte auch hier die Flucht mit Pferdewagen und auf Truppenfahrzeugen ein.
Nur wenige, vor allem ältere Menschen, aber auch manche Frauen mit kleinen Kindern, blieben zu Hause oder kehrten nach einer lebensgefährlichen Flucht wieder zurück. Viele von ihnen wurden kurz darauf von den Sowjets oftmals auf unmenschliche Weise umgebracht, niedergemetzelt, vergewaltigt oder in das eisige Sibirien verschleppt. Ein armseliger Rest Überlebender verblieb in dem nunmehr geteilten sowjetischen und polnischen Teil des Heimatkreises und lebte dort unter unbeschreiblich erbärmlichen Verhältnissen. Im russischen Teil des Kreises wurden die letzten noch lebenden Deutschen bis 1948 aus ihrer Heimat vertrieben, im polnischen Teil bis etwa Ende 1947 – oder sie wurde gezwungen, die polnische Staatsangehörigkeit anzunehmen.
Die geflüchteten Menschen unseres Kreises fanden zunächst Zuflucht und Bleibe in der damals sowjetischen oder in der englischen Besatzungszone. Oder sie kamen in die Flüchtlingslager nach Dänemark, bevor sie im Laufe der nächsten Jahre in die „Westzonen“ ausreisen durften. Für sie alle begann zwar das Leben erneut, jedoch in einer völlig fremden Umgebung. Dennoch: Im Laufe der Jahre hatten sich die Flüchtlinge hier im Westen wieder mit großem Fleiß und einer gehörigen Portion Mut sowie Willen eine meist eher bescheidene neue Existenz aufbauen können. Zumindest eine in Frieden und Freiheit.
Die Verluste an der Bevölkerung nur im Kreis Preußisch Eylau durch den Zweiten Weltkrieg waren gewaltig. Nach halbamtlichen Unterlagen fielen 3236 deutsche Soldaten aus dem Kreisgebiet und 5570 Menschen starben auf der Flucht oder in der Internierung, wurden von den Sowjets getötet oder starben unter sowjetischer und polnischer Terrorherrschaft.