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Eigentümliche Erinnerungen an einen Sommertag und Überlieferungen, die nicht verblassen
Es war wohl eine dieser Eingebungen, die mich vor 25 Jahren an Mittsommer an die Persante fahren ließen. An jenem Mittwoch des Jahres 2000 traf ich im alten Belgard ein, wo ich mir zunächst ein Quartier suchte und in den späten Abendstunden einen Spaziergang durch die Stadt machte. Es war die Mittsommernacht, um die sich unterschiedliche Überlieferungen ranken. An den Resten der alten Stadtmauer nahm ich einen leichten Windzug und vermeintliche Gestalten wahr.
Erst an den darauf folgenden Tagen begann ich mir tiefere Gedanken zu machen, denn wie durch einen Zufall entdeckte ich eine alte Abhandlung aus dem Belgarder Land. Sie berichtete von einer Begebenheit, die sich in Belgard immer zur Jahrhundertwende an Mittsommer vollziehen würde. Letztmalig war sie für das Jahr 1900 bezeugt worden ...
In jenem Jahr zogen am 21. Juni ein paar junge Männer von der Arbeitsstätte aus einem benachbarten Dorfe nach Belgard hinein. Als in der Ferne die Rathausglocke 12 Uhr geschlagen hatte und die Geisterstunde angebrochen war, sahen sie plötzlich drei weiße Gestalten vom Amtsdamm zur Alten Stadtmauer schweben, hinter der die Stadt im Schlafe lag.
Wie alte Quellen zu berichten wissen, sind dies die unruhigen Seelen der drei Burgfrauen aus dem Rittergeschlecht deren von Hechthausen, die bis nach dem Dreißigjährigen Krieg in Belgard die Burghauptleute waren. Alle einhundert Jahre suchen sie seither die alten und ihnen lieb gewonnenen Orte wieder auf. Von ihren Grabgewölben der Marienkirche ziehen sie über den Markt zum Schloss ...
Nachdem sie an den Orten nach dem Rechten gesehen haben, kehren sie wieder zurück zu ihrer hundertjährigen Ruhe. Hingewiesen wird in den alten Schriften auch auf den Altar der Marienkirche und das Hechthausen'sche Wappen – einen aufschwimmenden Hecht mit einem Ring im Maule. Es wurde einst von Berndt von Hechthausen getragen. Er hatte am 14. November 1681 verfügt: Von den 200 Talern, die er der Stadt Belgard zum Geschenk machte, sollte die eine Hälfte der Zinsen am Tage Kunigunde, die andere am Tage Candidus an die Armen der Stadt in Gegenwart des ältesten Vetters vom Geschlecht derer von Hechthausen gegeben werden. Einst geschah diese Schenkung zu Weihnachten und zu Ostern, heute ist das Wissen darum längst vergessen.
Es wundert also nicht, dass auch in 75 Jahren die Geister derer von Hechthausen durch Belgard ziehen, um nach dem Rechten zu sehen, bis das Versprechen wieder eingelöst wird. Bekannt ist, dass der Ritter Johann von Hechthausen als Klosterhauptmann im Stift Marienfließ in den Prozess gegen Sidonia von Borcke verstrickt war – sie wurde wegen Hexerei gefoltert, verurteilt und hingerichtet.