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Brandenburg

Parteien tricksen mit der Verfassung

Änderungen sollen die Rechte der Opposition im Landtag beschneiden – Gemeint ist die AfD

Norman Hanert
02.07.2021

Auf ihrem Bundesparteitag im Dezember 2018 legte sich die CDU auf einen Unvereinbarkeitsbeschluss fest, der „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland“ ausschließt. In einigen Landesparlamenten zeigt sich inzwischen jedoch ein anderes Bild: In Erfurt amtiert mittlerweile schon seit dem Frühjahr 2020 die linksgeführte Minderheitsregierung von Bodo Ramelow durch eine partielle Duldung durch die CDU. In Schwerin wurde vergangenes Jahr auf Vorschlag der Linkspartei Barbara Borchard zur Richterin am Landesverfassungsgericht gewählt – mit Stimmen der CDU. Borchard ist Mitbegründerin einer vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation.

Bemerkenswert sind auch aktuelle Pläne zur Änderung der brandenburgischen Landesverfassung, die im Potsdamer Landtag diskutiert werden. Die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und Linkspartei sowie die Fraktion von BVB/Freie Wähler haben zwei Entwürfe zur Änderung der Verfassung vorgelegt, um dort den Kampf gegen den Anti-Antisemitismus als Staatsziel zu verankern. Mit beiden Entwürfen wollen die beteiligten Fraktionen zudem auch die Freundschaft zu Polen in der Verfassung verankern.

Vizeposten soll verweigert werden

Die Freien Wähler wollen obendrein auch noch den Auftrag zur Vertiefung der europäischen Integration in die Verfassung schreiben. Die AfD-Fraktion wirft Rot-Schwarz-Grün vor, die Verfassung damit für Symbolpolitik missbrauchen zu wollen: „Wer Juden im Land schützen will, der muss Grenzen kontrollieren und importierte Antisemiten konsequent abschieben“, so der AfD-Fraktionschef Christoph Berndt.

Nötig ist für die Verfassungsänderungen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Die Regierungskoalition aus SPD, CDU und Grünen ist damit nicht zuletzt auf Stimmen der Linksfraktion angewiesen.

Gleiches gilt für eine weitere geplante Verfassungsänderung, die sich auf das Landesparlament bezieht. Gemäß der aktuell noch gültigen Rechtslage hatte die AfD nach der Landtagswahl im Herbst 2019 das Recht, als zweitstärkste Fraktion einen Posten des Vizepräsidenten des Parlaments mit einem ihrer Abgeordneten zu besetzen. Die AfD-Fraktion entschied sich, den ehemaligen Berliner Landesbeamten Andreas Galau ins Rennen zu schicken.

Bereits die Wahl Galaus zum Landtags-Vizepräsidenten im Jahr 2019 war eine Hängepartie, weil Abgeordnete von SPD, Grünen und Linkspartei bereits vor der Wahl erklärten, sie würden für keinen AfD-Politiker votieren. Am Ende wurde Galau doch bestätigt. Durchgesetzt hatte sich damit auch ein Stück weit praktische Vernunft, um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu gewährleisten.

Inzwischen sieht sich Galau Vorwürfen ausgesetzt, er sei als Vizepräsident des Parlaments nicht mehr tragbar, weil er bei Corona-Protesten mit Antisemiten und Rechtsextremen zusammengetroffen sei. Auf der Tagesordnung steht nun nicht nur die Abwahl des Landtags-Vizepräsidenten, sondern gleich auch noch eine generelle Beschneidung der Rechte der Opposition.


Bislang sieht Artikel 69 der brandenburgischen Verfassung bei der Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten des Landtages ein „Vorschlagsrecht (der Fraktionen, d. Red.) in der Reihenfolge ihrer Stärke“ vor. Zudem heißt es in dem Verfassungsartikel: „Jede Fraktion ist berechtigt, im Präsidium vertreten zu sein.“

Boykott läuft faktisch seit 2019

Setzen sich Rot-Schwarz-Grün, Linkspartei und Freie Wähler per Zwei-Drittel-Mehrheit durch, wird die Regelung so geändert, dass künftig nur noch eine der Oppositionsparteien im Präsidium des Parlaments vertreten sein muss. Für den derzeitigen Landtag würde dies bedeuten, dass zwar Linkspartei oder Freie Wähler im Präsidium vertreten wären, nicht aber die stärkste Oppositionskraft, die AfD.

Im Potsdamer Landtag läuft bereits seit der Landtagswahl 2019 faktisch eine Boykott-Strategie gegen die Fraktion der AfD. Rein rechtlich hat die Fraktion beispielsweise einen Anspruch darauf, auch in dem Gremium zur Kontrolle des Verfassungsschutzes vertreten zu sein. In der Praxis wird dieses Recht aber durch die anderen Fraktionen seit mittlerweile fast zwei Jahren blockiert. Inzwischen haben sich alle 23 Mitglieder der AfD-Fraktion für die parlamentarische Kontrollkommission zur Wahl gestellt – kein einziger der vorgeschlagenen Parlamentarier aber erhielt aus den anderen Fraktionen die nötige Unterstützung. Gleiches gilt für den Vorsitz im Kulturausschuss und den stellvertretenden Vorsitz im Hauptausschuss, die der AfD-Fraktion laut Parlamentsregeln zwar zustehen, faktisch aber nicht wahrgenommen werden können.


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Kommentare

sitra achra am 03.07.21, 10:09 Uhr

Man wird von diesen "Leuchten der Demokratie" im Potsdamer Landtag wahrlich geblendet. Tranfunzeln sind nichts dagegen.

Tom Schroeder am 02.07.21, 22:59 Uhr

Früher waren solche Leute der hier genannten Zielgruppe in der CDU! Man macht so lange hin, bis jede Opposition verschwindet und man ein Blockflötensystem hat. Bin mal gespannt, ob das so funktioniert - eher nicht! Man schaue auf das restliche Europa - Deutsche sind halt behäbig, aber wenn die mal in Bewegung sind, dann wird übertrieben - das sieht man ja jetzt. Richtig gefährlich wird diese Vorgehensweise, wenn die durchaus redlichen Argumente missbraucht werden und das Ding in die Gegenrichtung umschlägt, wie 1989. Ein ostdeutscher Kollege sagte aus eigener Erfahrung: "Das geht dann auf einmal ganz schnell". Das wünschen wir uns sicher alle nicht, denn es steht dann keiner im Westen und fängt uns auf!

henry paul am 02.07.21, 14:46 Uhr

hat die Afd leider selbst zu verantworten. All die Jahre bisher fährt diese Hoffnungs-partei nur mit Appeasement und Duldung sowie Hyperventilierende Kommunikation über Nebensächlichkeiten. Opposition ist etwas anders, insbesondere, wenn es so kommt wie überall mit dieser Partei. Da gibt es nur eins: Wahrheiten krass und nicht mehr diplomatisch. Draufhauen, draufhauen, draufhauen und Klagen führen.

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