28.06.2025

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Reisebeschreibung

Per Kutsche an das „Ozeanische Meer“

Alexander Glück hat den Bericht einer Rügen-Reise seines Verwandten im Jahr 1824 neu herausgegeben

Ute Eichler
28.06.2025

Historische Reisebeschreibungen finden auch heute noch ihre Leser. Vor allem das 18./19. und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts waren nicht nur eine Zeitspanne des intensiven Briefeschreibens, sondern auch die Entstehungszeit vielfältiger Reiseliteratur. Nicht wenige dieser Werke haben gedruckt eine große Verbreitung und einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt; andere existieren in nur wenigen Exemplaren im Sammlungsbestand von Bibliotheken oder als Manuskript in Privatbesitz, in Familienarchiven.

Von wissenschaftlichen Werken (Alexander von Humboldt) über die subjektiv-informativen Beschreibungen von Italienreisen (Vater und Sohn Goethe, Johann Gottfried Seume), über den jungen Ernst Moritz Arndt, der als genauer Beobachter seinen „Pariser Sommer 1799“ auch ironisch beschreibt, zu Ludwig Steubs „Alpenreisen“, diesen zwischen 1846 und 1880 verfassten Wanderbildern voll Humor – ihnen allen, auch den vielen ungenannten Reiseschriftstellern, ist eines gemeinsam: Es gab überwiegend keine Notwendigkeit für die Reise. Sie war in der Regel die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches. Sie wurde als Bildungsreise angetreten, sie stillte das Interesse an einem anderen Kulturkreis, die Neugier auf eine andere Landschaft und sie erfüllte bestenfalls das unvoreingenommene Kennenlernen anderer geschichtlicher Lebensräume und politisch-wirtschaftlicher Verhältnisse im Vergleich zu denjenigen, aus denen der Reisende kam.

Viele der Reisebeschreibungen sind zu Lebzeiten des Verfassers gedruckt worden. Andere schlummerten in Familienbesitz wie das „Reisetagebuch von 1798“ des Johann Friedrich Abegg, das erst 1976 dank der mühevollen Transkription durch einen Nachkommen des Verfassers veröffentlicht wurde und interessante Einblicke in das Leben in Berlin, Danzig und Königsberg zum Ende des 18. Jahrhunderts gewährt.

Ironische und humoristische Beschreibungen
Einen Johann Ernst Klopsch und seinen „Versuch einer humoristischen Beschreibung meiner Reise nach der Insel Rügen und nach Wien in den Jahren 1824 und 1833“ wird kaum jemand kennen. Es ist dem in Österreich lebenden Herausgeber Alexander Glück, einem Nachkommen aus einer Nebenlinie, zu verdanken, „dieses äußerst seltene Büchlein“ wieder zugänglich gemacht zu haben. Nur – man muss gute Augen, gutes Leselicht, Geduld und bestenfalls eine Lupe griffbereit haben, um die Reprintausgabe, die der typografischen Originalgestalt der Vorlage entspricht, zu lesen.

J. E. Klopsch, 1790 in Gr. Glogau geboren, 1853 in Breslau gestorben, war in Schlesiens Provinzhauptstadt Gymnasiallehrer, Schmetterlingsforscher und Familienvater. Seine zwei Reisen trat er zwar nicht allein, doch ohne Frau und Kinder an. Nach Rügen ging es, um „einmal das ozeanische Meer“, die Ostsee, zu sehen, per Kutsche und in reiner Männergesellschaft zu fünft. Einer der Reisegefährten war sein Bruder Christian Daniel Klopsch, Gymnasiallehrer in Gr. Glogau.

Um nach Wien zu kommen, benutzte J. E. Klopsch abschnittsweise die Postkutschenverbindung; er ging jedoch auch Wegstrecken zu Fuß, vor allem, wenn er jemanden fand, der sein „Felleisen“ trug. Es war nicht sein erster Besuch in der Hauptstadt der österreichischen Monarchie, sondern ein Wiedersehen mit mancher Sehenswürdigkeit wie Prater und Stephansdom. Er hätte sogar, für den Fall, ihm wäre die Brieftasche gestohlen worden – um sie trug er große Sorge – einen entfernten Verwandten in Wien wohnen gehabt. Die vielen Details aus dem Alltag eines solchen Aufenthalts – wie Qualität der Unterkunft, Essen und Trinken und die Kosten dafür, Vergnügungen wie Konzert- oder Kaffeehausbesuche, Kontakte zu anderen „Touristen“ oder zu Einheimischen machen die Lektüre interessant, vor allem, wenn der Leser den Vergleich zu einem Wien-Aufenthalt heutigentags hat.

Fremdeln mit der Insel
Die Fahrt nach der Insel Rügen zieht sich hin, auch für den Leser. Immer wieder zieht Klopsch Vergleiche: Die Straßen- und Wegeverhältnisse sind in Schlesien besser als in Brandenburg und Pommern, die Ausschilderung ist besser; die Unterkünfte in Gasthäusern und das gebotene Essen ist selten so gut wie in Schlesien. Vor allem sind die Menschen, die befragt oder um Dienstleistungen gebeten werden müssen, nie so angenehm wie die Schlesier es sind. Welche Freude, in der Fremde auf einen Landsmann zu treffen!

Die große Stadt Stettin gefällt den Reisenden. Den Weg nach Swinemünde legen sie per Segelschiff zurück. Für diese „Landratten“ ein Abenteuer. Und als sie dann erstmals am Strand der Ostsee stehen, auf Usedom, kosten sie das Wasser, um festzustellen: Es ist wirklich salzig.

Die Reisegesellschaft benutzte, um auf die Insel Rügen zu gelangen, die noch heute bestehende Fährverbindung Stahlbrode–Glewitz. Die südöstliche Halbinsel Mönchgut wird erkundet; zuvor verweilte man in der neu angelegten Residenzstadt Putbus und in Lauterbach, dem ersten Seebad der Insel. Bevor die Männer das Fischerdorf Göhren erreichen, machen sie sich lustig über die weiten, weißen Leinenhosen, die Bestandteil der Tracht der Mönchguter Männer sind. Über die Schmale Heide geht es auf die Halbinsel Jasmund, mit dem Ziel, das Gasthaus auf Stubbenkammer und den Königsstuhl zu erreichen. Klopsch schreibt, der berühmte Kreidefelsen werde jährlich von Tausenden Menschen besucht. Damals schon, 1824!

Weil ihnen das Wetter zu schlecht ist, bricht die Reisegesellschaft in Bobbin die Fahrt weiter in den Nordteil der Insel Rügen ab, begnügt sich mit Sagard und Bergen und hat Eile, Stralsund anzusteuern. Irgendwann wird klar, Klopsch hat nur drei Wochen Ferien. Er muss pünktlich zum Schuldienst zurück sein. Der Rückweg durch den märkischen Sand und das Randgebiet Berlins fordert auch seine Zeit. Klopsch schreibt: „Daselbst (in Glogau) bestieg ich Sonntag Morgen den Postwagen, und sah mich Montag früh, drei Stunden vor Ablauf meiner Ferien, wieder in Breslau und im Schooße meiner Familie.“

Alexander Glück (Hg.): „Versuch einer humoristischen Beschreibung meiner Reise nach der Insel Rügen und nach Wien in den Jahren 1824 und 1833 von J.E. Klopsch, Lehrer am Magdalenäum und Mitglied der Schlesischen patriotischen Gesellschaft“, kommentierte Reprintausgabe mit Anmerkungen und einem Nachwort, Verlag für Bibliotheken, Verlag BoD, Norderstedt 2019. broschiert, 226 Seiten, Bestellungen unter: glueckwien@gmx.at, Sonderpreis von 30 Euro (statt 72 Euro), versandkostenfrei, wenn unter Bezugnahme auf den Beitrag in der PAZ bestellt und im Voraus bezahlt wird.


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