Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Hermann von Boyen galt als Erfinder der Allgemeinen Wehrpflicht und als einer der klügsten Köpfe preußischer Militärkultur
Kurz nach der Reichsgründung 1871 und dem dritten preußischen Sieg in den Deutschen Einigungskriegen sprach Kaiser Wilhelm I.: „Wir müssen anerkennen, daß wir nur auf den Grundlagen weiter gebaut haben, welche 1813, 1814 und 1815 gelegt worden sind“ und damit auch „das große Verdienst der Männer jener Zeit“ gewesen seien, „insbesondere Boyens, der leider oft und lange verkannt worden ist.“ Und tatsächlich musste Hermann von Boyen zweimal als preußischer Kriegsminister zurücktreten, obwohl er ungemein viel für den Ausbau der militärischen Schlagkraft des Königreiches getan hatte.
Boyen, der am 23. Juni 1771 im ostpreußischen Creuzburg auf die Welt gekommen und 1784 in die preußische Armee eingetreten war, stieg bis 1810 zum Oberstleutnant sowie Direktor des Allgemeinen Kriegsdepartments auf. In dieser Eigenschaft unterstützte er die Heeresreformer Gerhard von Scharnhorst und Neidhardt von Gneisenau. Gemeinsam mit diesen beiden appellierte er zudem auch an König Friedrich Wilhelm III., sich nicht mit Frankreich zu verbünden, was dieser aber angesichts der damaligen militärischen Schwäche Preußens am Ende doch tat.
Initiator der Wehrpflicht Preußens
Daraufhin wechselte Boyen 1812 nach Russland, um dort gegen Napoleon zu agieren. Wenige Monate später überbrachte er Friedrich Wilhelm das Bündnisangebot des Zaren, woraufhin Preußen die Seiten wechselte und seinen Befreiungskrieg begann. In diesem fungierte Boyen zuletzt im Range eines Generalmajors als Stabschef des 3. Armeekorps. Doch damit nicht genug: Nach dem Ersten Pariser Frieden wurde der nunmehrige Träger der höchsten preußischen Tapferkeitsauszeichnung „Pour le Mérite mit Eichenlaub“ im Juni 1814 zum Kriegsminister von Preußen ernannt.
Die wichtigste Handlung Boyens in diesem Amt war die Erarbeitung des Gesetzes „Ueber die allgemeine Verpflichtung zum Kriegsdienst“ vom 3. September 1814, mit dem die Allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, welche dem Prinzip der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz konsequent Geltung verschaffte. Außerdem schuf Boyen auch die Grundlage für das Fortbestehen der während des Befreiungskrieges durch Scharnhorst aufgebauten Landwehr. Damit entstand ein aus gedienten Veteranen bestehendes zweites Heer neben dem stehenden, dessen Größe immer nur die finanziellen Möglichkeiten des Staates widerspiegeln konnte.
Allerdings gewann der kantig-kernige Boyen, der sich am Rande des Wiener Kongresses 1815 ein zum Glück unblutig endendes Pistolenduell mit dem preußischen Gesandten Wilhelm von Humboldt geliefert hatte, dadurch keineswegs nur Freunde. Denn konservativen Kreisen und etlichen dünkelhaften, vom Kastengeist beseelten Berufsoffizieren war die Landwehr als breites Volksheer ein Dorn im Auge. So wurde behauptet, eine ganze „Nation zu bewaffnen, heißt Widerstand und Aufruhr zu organisieren“. Als der König diesen Kritikern Gehör schenkte, nahm Boyen Weihnachten 1819 seinen Abschied, womit zugleich auch die preußische Reformzeit endete.
Das galt indes aber nicht für Boyens militärische Karriere. Nach 21 Jahren im Ruhestand kehrte er auf Wunsch des neuen Königs Friedrich Wilhelm IV. unter Beförderung zum General der Infanterie in den aktiven Dienst zurück. Außerdem übertrug der Monarch dem mittlerweile bereits 69 Jahre alten Ostpreußen am 28. Februar 1841 erneut den Posten des Kriegsministers. Den bekleidete Boyen bis zum November 1847, wobei auch die zweite Demission keineswegs aus gesundheitlichen Gründen erfolgte.
Auslöser war vielmehr wieder der Streit um die Landwehr gewesen, in dem nun der Thronfolger und spätere Kaiser Wilhelm I. die Schar der Widersacher angeführt hatte, weil er an der Schlagkraft der Landwehr zweifelte und ein großes, einheitliches stehendes Heer als Garant der Krone und des Reiches wollte. Ungeachtet dessen erfuhr Boyen aber immer wieder bemerkenswerte Ehrungen wie die Verleihung des Schwarzen Adlerordens, dem höchsten Orden Preußens überhaupt. Zudem wurde der Heeresreformer anlässlich seines erneuten und diesmal endgültigen Abschieds zum Generalfeldmarschall befördert und zum Gouverneur des Invalidenhauses in Berlin ernannt.
Festungsname als Ehrentitel
In der preußischen Hauptstadt, die ihm bereits 1842 die Ehrenbürgerwürde verliehen hatte, starb Boyen dann am 15. Februar 1848, also unmittelbar vor Beginn der Märzrevolution in Deutschland. Sein Freund Ernst Moritz Arndt schrieb damals, dass Preußen nun „ein Held, ein Retter, ein Befreier, Licht, Recht und Schwert“ verloren gegangen sei. Und Friedrich Wilhelm IV. gab der großen Befestigungsanlage, welche von 1847 bis 1855 im Bereich der Masurischen Seen bei Lötzen zur Abwehr russischer Einfälle errichtet worden war und noch heute existiert, den Namen „Feste Boyen“. Darüber hinaus wurde das in Tilsit stationierte 5. Ostpreußische Infanterieregiment der Nr. 41 zu Beginn der Wilhelminischen Ära nach dem überragenden Militärreformer benannt.
Dahingegen fand der faktische Vater der Allgemeinen Wehrpflicht weder in der Bundeswehr noch der Armee der DDR sonderliche Beachtung – leider.