Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Vom Pferdeantrieb zur Elektromobilität – In Ostpreußens Hauptstadt stand man schon ab dem Jahr 1895 voll unter Strom
Im November 1832 nahm in New York die erste von Pferden gezogene Straßenbahn ihren Betrieb auf. Das war damals eine Sensation. Dahingegen dauerte es noch bis Juni 1865, ehe auch in Deutschland eine Pferdebahn verkehrte. Diese pendelte in Berlin zwischen dem Brandenburger Tor und Charlottenburg. Bis 1880 folgten dann Hamburg, Stuttgart, Frankfurt am Main, Dresden, München, Köln und etliche andere Städte. Erst am 26. Mai 1881 erreichte der Fortschritt schließlich auch Königsberg. Die erste Linie der Königsberger Pferdeeisenbahn-Gesellschaft führte vom Steindamm in die Hufen. Zwischen Juni 1881 und August 1897 kamen sieben weitere Linien hinzu, auf denen ebenfalls Bahnen im Zehn-Minuten-Takt fuhren.
Ab dem 31. Mai 1895 erhielt die ostpreußische Pferdebahn allerdings durch die Städtische Elektrische Straßenbahn Konkurrenz. Diese nutzte Gleise in der Meterspur, welche engere Kurven erlaubte, während die Pferdebahn eine Spurweite von 1435 Millimetern hatte. Der Antrag der Pferdeeisenbahn-Gesellschaft auf Genehmigung ihrer Elektrifizierung wurde von der Stadt zurückgewiesen, weil die Erstere den Umstieg auf die Meterspur verweigerte. Erst im Mai 1900 rüstete die Pferdeeisenbahn-Gesellschaft eine ihrer Strecken um, woraufhin sie dort auch den elektrischen Betrieb aufnehmen konnte. Nach weiteren Umspurungen änderte die Königsberger Pferdeeisenbahn-Gesellschaft ihren Namen zum 1. April 1901 in Königsberger Straßenbahn AG (KÖSAG).
13 Linien in diversen Farben
Mit dem Auslaufen der Konzession der KÖSAG übernahm die Stadt deren Netz und stellte es komplett auf die Meterspur für E-Wagen um, sodass ab Ende 1901 keine Pferdebahnen mehr in Königsberg unterwegs waren. Trotzdem existierte die KÖSAG formell noch bis zum 31. März 1909, ehe sie vollkommen in den Besitz der Kommune überging. Seither oblag der Straßenbahnbetrieb ausschließlich der Elektrizitätswerke und Straßenbahn Königsberg AG.
Die erste Elektro-Straßenbahnlinie der ostpreußischen Provinzhauptstadt führte vom Pillauer Bahnhof über den Kaiser-Wilhelm-Platz, wo sie die Gleise der Pferdebahn kreuzte, bis zum Neuen Markt. Bis 1904 stieg die Zahl der Linien der Städtischen Elektrischen Straßenbahn auf elf. Die Wagen kamen dabei sämtlich aus der ortsansässigen Waggonfabrik L. Steinfurt AG und die Motoren von der Firma Siemens.
Im Jahre 1910 existierten dann schon 13 Linien, die zunächst immer noch keine Nummern trugen, sondern sich durch die Farbgebung der Wagen unterschieden. Fünf der Linien verkehrten im Sieben-Minuten-Takt, und die restlichen Bahnen fuhren aller zehn bis 20 Minuten.
102 Kilometer langes Streckennetz
In den 1920er Jahren erfolgte ein umfassender Ausbau der Königsberger Infrastruktur, wodurch die Zahl der Straßenbahnlinien bis 1924 auf 15 stieg. Unter anderem rollte nun auch eine Bahn vom Kalthof zum Verkehrsflughafen Devau nördlich der Stadt. Die Länge der einzelnen Strecken variierte zwischen 2,8 und 7,3 Kilometern. Gleichzeitig erfolgte 1922 eine Umbenennung des Trägerunternehmens der Straßenbahn in Königsberger Werke und Straßenbahn GmbH.
Weitere Neubaustrecken kamen im Herbst 1927 hinzu. Und dann führten die Eröffnung des neuen Königsberger Hauptbahnhofes im September 1929 und des neuen Nordbahnhofes im Jahre 1930 zu nochmaligen Änderungen und Erweiterungen im Straßenbahnnetz von Königsberg, welche unter anderem auch der Gewährleistung des Sonderverkehrs zur Deutschen Ostmesse dienten. Die letzte neue Linie zwischen Maraunenhof und dem Krematorium entstand im Mai 1938. Dadurch besaßen die Königsberger Straßenbahnen nun ein Gleisnetz von insgesamt 102 Kilometern. Etliche der Streckenabschnitte waren dabei bereits zweigleisig angelegt. Außerdem wurden die Schienen vielfach von der Straße weg auf einen eigenen Bahnkörper verlagert.
Sowjets gierig auf Straßenbahn
Während des Zweiten Weltkrieges fanden zwischen Juni 1941 und April 1945 mehrere sowjetische und alliierte Luftangriffe auf Königsberg statt, unter denen auch das Straßenbahnnetz litt. Am Ende waren zahlreiche Gleise, vier der fünf Straßenbahndepots und ein Großteil der ehemals 251 Straßenbahnen zerstört oder beschädigt. Dennoch drängten die neuen sowjetischen Machthaber auf die schnelle Wiederaufnahme des Fahrbetriebs im verbliebenen Rumpfnetz. Diese erfolgte am
7. November 1946. Und Ende 1947 gab es dann immerhin schon fünf Linien, auf denen reparierte Bahnzüge verkehrten.
Austausch gegen E-Busse
Im Jahre 1960 umfasste das Straßenbahnnetz in Ostpreußens Hauptstadt Königsberg, die nun seit 1945 unter sowjetischer Herrschaft stand und von den russischen Machthabern Kaliningrad genannt wurde, zehn Linien, deren Strecken im Wesentlichen wie in der Vorkriegszeit verliefen. Daran änderte sich bis zum Ende der Sowjetunion kaum etwas. Und auch die russische Wirtschaftskrise der 1990er Jahre überstand die Straßenbahn in Königsberg noch relativ unbeschadet.
Dann jedoch kam es ab 1999 zur Ausdünnung des bisherigen Liniennetzes beziehungsweise sogar zur rapiden Stilllegung von Strecken, sodass 2009 nur noch zwei Abschnitte von insgesamt 21,5 Kilometern Länge übrig blieben. An die Stelle des Öffentlichen Personennahverkehrs mit Straßenbahnen traten der Pkw-Individualverkehr und zum Teil auch elektrische Busse, welche die früheren Oberleitungen der Straßenbahnen nutzen.