11.12.2024

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Wofür Steinmeier in Tansania um Verzeihung bat

Von 1905 bis 1907 fand im Süden Deutsch-Ostafrikas der erfolglose Maji-Maji-Aufstand statt

Wolfgang Reith
09.11.2023

Ende Juli 1905 brach im Süden Deutsch-Ostafrikas plötzlich und für die Verwaltung der Kolonie völlig überraschend der sogenannte Maji-Maji-Aufstand aus. Mehrere Stammeshäuptlinge hatten sich gegen die deutsche Kolonialmacht zusammengetan und riefen die Bevölkerung zum Kampf gegen Steuern und „Fronarbeiten“ auf. Den Männern, die zu den Waffen griffen, wurde ein Zaubertrank namens „Maji-Maji“ (Wasser, Wasser) verabreicht, der ihnen Unverwundbarkeit verschaffen sollte. Dem sich im Süden der Kolonie immer mehr ausbreitenden Ansturm der Rebellen war die schwache Schutztruppe, die oftmals in arge Bedrängnis geriet, nicht gewachsen. Sie wurde durch alte ausgediente Askari und durch Neueinstellungen verstärkt.

Außerdem entsandte Deutschland die Kriegsschiffe „Bussard“, „Thetis“ und „Seeadler“ sowie eine Kompanie Marineinfanterie, deren Matrosen und Soldaten die Besatzungen der Küstenorte ablösten. Immer wieder kam es zu schweren Gefechten, und erst Mitte des Jahres 1906 gelang es, die Situation in den Griff zu bekommen und die Ruhe wiederherzustellen, sodass der Aufstand in allen Gebieten als niedergeschlagen angesehen werden konnte.

Die Verluste der Schutztruppe waren vergleichsweise gering. Sie betrugen vier Deutsche und 73 Askari. Außerdem waren zehn Deutsche und 98 Askari verwundet worden, und weitere 70 Askari wurden vermisst, von denen wohl einige gefallen, andere ermordet und wieder andere zum Gegner übergelaufen waren. Die Zahl der Opfer unter den Eingeborenen lässt sich nur schwer ermitteln, doch dürften die genannten 300.000 Toten erheblich zu hoch gegriffen sein.

Umstrittene Opferzahl
Gouverneur Gustav Adolf Graf von Götzen schrieb in seinem 1907 erstatteten Jahresbericht über die Entwicklung Deutsch-Ostafrikas: „Die Folgen des Maji-Maji-Aufstandes in wirtschaftlicher Beziehung begannen erst nach seiner Unterdrückung sich ernstlich fühlbar zu machen“, und es folgten die nachdenklichen Sätze: „Was dem Aufstand folgte, war für die Eingeborenen schlimmer als die offenen Kämpfe. Im ersten Taumel der Kriegserregung hatten sie in den Erträgnissen der letzten reichen Ernte gepraßt und hatten geschlachtet, was sie an Vieh für sich retten konnten. Als dann der Rückschlag erfolgte, ihre verborgenen Vorräte entdeckt wurden und, soweit sie nicht für Expeditionszwecke zu verwenden waren, zerstört werden mußten und jeder Anbau den Besiegten unmöglich wurde, trieb die Sorge um die Zukunft die meisten zur Unterwerfung. Dazu kam strichweise eine nur geringe Ernte und Nahrungsmangel ... Von denen, die Krieg und Hunger verschont hatten, fiel eine große Zahl entkräftet jeder Krankheit zur Beute. Wurmleiden traten seuchenartig auf und breiteten sich, durch die Arbeiter verschleppt, auch in vorher gesunden Gegenden aus. Den schlecht genährten Müttern versagte die Milch, so daß in manchen Gegenden eine enorme Kindersterblichkeit eintrat – kurz, die ersten Monate dieses Jahres sehen in den aufständischen Gebieten ein unsagbar trauriges Bild.“

Mit der Beendigung des Aufstandes begann für die Leiter der betroffenen Bezirke dann mühsame Arbeit, denn was der Krieg zerstört hatte, musste neu aufgebaut werden. In weiten Gebieten hatte der Aufstand die alten Sultane hinweggerafft, neue mussten an ihre Stelle gesetzt werden. Die verstreuten Eingeborenen mussten in ihre Landschaften zurückgeführt werden, wo sie zur Anlage neuer Dörfer und zur Bestellung der verwilderten Felder angehalten wurden. Schließlich ging es vor allem darum, den Notstand zu beenden, wobei sich die örtlichen Kolonialbehörden als besonders tätig erwiesen. So wurden etwa Hungerleidende gespeist oder auch zu Notarbeiten herangezogen.

In großen Mengen verteilte man Saat und kaufte gelegentlich dort einen Teil der Ernte zu guten Preisen auf, wo sich das Bestreben gewissenloser Händler zeigte, welche die Notlage zu ihren Gunsten auszunutzen versuchten. In die verseuchten Gegenden entsandte man Ärzte, denen es wenigstens gelang, durch zahlreiche Impfungen eine Verbreitung der Pocken zu verhindern.

Frank-Walter Steinmeiers Motive
Einige der am Aufstand beteiligten Bezirke hatten keine dauerhaften Schäden an ihrer wirtschaftlichen Entwicklung genommen, andere hatten die erlittenen Schläge am Ende des Berichtsjahres 1906 nahezu überwunden, und wiederum andere benötigten noch einige Zeit, um sich vollständig zu erholen. Die Fürsorgemaßnahmen der Kolonialverwaltung nach dem Maji-Maji-Aufstand und die Weiterentwicklung der Kolonie in den folgenden acht Jahren stärkten jedoch das Vertrauen der Bevölkerung in die deutschen Behörden, und so kam es nach der Niederschlagung der Revolte auch zu keinen größeren Kampfhandlungen mehr in Deutsch-Ostafrika. Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges standen die Eingeborenen geschlossen an der Seite der Deutschen.

Zuletzt erhebt sich die Frage, warum im Zusammenhang mit den Herero- und Nama-Kriegen in Namibia auch mehr als ein Jahrhundert später immer noch Reparationszahlungen von den Nachkommen der damaligen Gegner gefordert werden, während diese für die Regierungen der anderen ehemaligen deutschen Kolonien keine Rolle spielen, ja solche Forderungen gar nicht erst auftauchen. So hat Tansania schon lange erklärt, dass es im Verhältnis zu Deutschland in die Zukunft schauen will und die Vergangenheit als abgeschlossen betrachtet. Und in Kamerun oder Togo wird heute die deutsche Kolonialzeit – im Vergleich mit der französischen Verwaltung nach 1920 – als eher „segensreich“ betrachtet. Warum also drängt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gerade jetzt bei seinem Besuch in Tansania auf ein Problem, das sich für die Gastgeber bisher gar nicht stellte? Es scheint ein weiterer Mosaikstein im endlosen „Schuldkult“ der Deutschen zu sein.


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Kommentare

Irem K. am 09.11.23, 08:28 Uhr

Vielen Dank für diesen hervorragend recherchierten Artikel - fernab der üblichen linken Einseitigkeit, die so weit entfernt von einer sachlichen Berichterstattung ist, wie der Mann, der sich Bundespräsident nennt - in Wahrheit aber nur ein konturloser, dauerschwafwelnder Heißluft-Apparatschik ist.

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