10.06.2025

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Ukraine

Zeugnisse einer Katastrophe

Die russische Journalistin Katerina Gordeeva hat zahlreiche ukrainische Frauen und Männer, die unmittelbar vom Krieg betroffen sind, interviewt

Manuela Rosenthal-Kappi
10.06.2025

Als Katerina Gordeeva am 24. Februar 2022 die Nachricht erhielt, dass Russland in die Ukraine einmarschiert war, war sie zunächst fassungslos. Ihren Kindern sagen zu müssen, dass das Land, welches ihre Heimat war, einen Krieg angefangen hatte und Menschen tötet, die sie liebt, war für sie eine Katastrophe.

Gordeeva ist eine russische Journalistin, die jahrelang beim russischen Fernsehen gearbeitet hat, unter anderem als Kriegsberichterstatterin. Aus Protest gegen den Krim-Anschluss verließ sie 2014 Moskau. Sie lebt heute mit ihrer Familie im Exil in Lettland. 2020 gründete sie ihren eigenen YouTube-Kanal „Tell Gordeeva“, der 1,74 Millionen Abonnenten hat und auf dem sie unter anderem über den Ukrainekrieg berichtet.

Es ist ihr ein Anliegen, Menschen, die unmittelbar von den Kriegshandlungen betroffen sind, zu Wort kommen zu lassen. Gordeeva, die in Rostow am Don zur Welt kam und dort studiert hat, sieht sich selbst als Betroffene, denn ihre Verwandten leben auf beiden Seiten der Grenze, die Hälfte ihrer Lieben lebt in Kiew.

Für die Arbeit an ihrem Buch „Nimm meinen Schmerz“ nahm sie Kontakt zu zahlreichen Kriegsgeschädigten auf. Nicht immer stößt sie auf die Bereitschaft, über das schreckliche Erlebte zu reden. Die Menschen begegnen ihr teils mit Misstrauen, teils mit offener Feindschaft. Manche sind nicht in der Lage, überhaupt noch zu sprechen. Daneben gibt es Leute – meistens Frauen –, die ihr mit Wärme und Herzlichkeit begegnen und die ihr als Russin keine Mitschuld am Krieg geben.

Es sind erschütternde Berichte, die Gordeeva zu Buche bringt. Eine Frau, die ihre Katze füttern will und nur knapp mit dem Leben davonkommt, als ihr bereits verlassenes Haus unter Beschuss gerät. Eine Tochter, die Medikamente aus der zerschossenen Wohnung für die im Keller wartende Familie holen soll und nicht zurückkehrt, eine ältere Frau, die Mann und Sohn an den Krieg verloren hat – die Beispiele für das Grauen sind endlos.

Was alle Kriegsopfer eint, ist der Schmerz sowie die tiefe Trauer und Wut darüber, dass man ihnen ihr Zuhause genommen hat. „Gebt uns unser Zuhause zurück“, lautet ihr Appell. Einige sagen, es sei ihnen egal, wer am Ende regiert, Hauptsache, sie können irgendwann zurückkehren. Die Jahre im Krieg haben die Menschen abstumpfen lassen. Sie wollen einfach nur überleben. Sie haben sogar gelernt einzuschätzen, ob es eigene oder russische Drohnen sind, die am Himmel fliegen. Sie machen ihnen keine Angst mehr.

Katerina Gordeeva: „Nimm meinen Schmerz. Geschichten aus dem Krieg“, Droemer Verlag, München 2024, gebunden,
349 Seiten, 24 Euro


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