14.06.2025

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Das Dalí-Museum in St. Pete: Die Glasblase namens Enigma scheint sich aus dem Betonklotz zu quälen
Bild: shutterstock.comDas Dalí-Museum in St. Pete: Die Glasblase namens Enigma scheint sich aus dem Betonklotz zu quälen

Reale Scheinwelt

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Ein Besuch im Dalí-Museum in St. Pete an Floridas Westküste

Jens Eichler
14.06.2025

Schon von außen scheint das Dalí-Museum in St. Pete die Grenzen der Realität zu dehnen. Das Gebäude an der Promenade des mondänen Küstenorts – ein kühner, surrealer Bau aus Glas und Beton – wirkt wie aus einem Traum geboren. Eine riesige gläserne Kuppel, der sogenannte „Enigma“, scheint sich wie ein Fremdkörper aus dem Betonkubus zu winden, als wäre sie aus einer anderen Dimension hierher gefallen. Schon bevor man einen Fuß ins Museum setzt, wird mir als USA-Korrespondent der PAZ klar: Das ist kein gewöhnlicher Kunstbesuch. Es ist vielmehr ein Schritt in das unergründliche Universum eines faszinierenden Genies, das Zeit, Raum und Logik aufgelöst hat – Salvador Dalí.

Das Museum liegt malerisch, eingerahmt von Palmen, Meerblick und offenen Himmel. Der Architekt Yann Weymouth hat hier mehr als nur einen Ausstellungsort geschaffen. Das Gebäude ist selbst eine Hommage an Dalís Geist: mathematisch präzise und gleichzeitig irrational verspielt. Der „Enigma“-Glasdom, bestehend aus über 1000 einzelnen Glasscheiben, erinnert an Dalís Faszination für die Wissenschaft und für symmetrische Strukturen wie die Doppelhelix. Wer das Museum betritt, findet sich sofort in einer Übergangszone zwischen Realität und Imagination wieder. Das Andere, das real Unreale, eine undefinierbare Faszination – alles ist irgendwie hautnah zu spüren, zu fühlen, es hüllt einen ein.

Die Sammlung im Inneren gehört zu den bedeutendsten Dalí-Sammlungen außerhalb Spaniens. Möglich wurde sie durch das Ehepaar Reynolds und Eleanor Morse, enge Freunde Dalís, die über 40 Jahre hinweg Werke des Künstlers sammelten. Ihre mehr als 2000 Werke umfassende Kollektion – darunter 96 Ölgemälde, Hunderte Zeichnungen, Skulpturen, Fotographien und Manuskripte – bildet das Herzstück des Museums.

Bereits im ersten Ausstellungsraum schlägt einem das volle Gewicht von Dalís Genie entgegen. Großformatige Werke wie „Die Halluzinatorische Stierkampfarena“ oder „Gala schaut auf das Mittelmeer, das bei 20 Metern Entfernung wiederum das Porträt von Abraham Lincoln ergibt“ lassen den Betrachter schier sprachlos zurück. Diese Werke sind keine bloßen Bilder, sondern mehrdimensionale Gedankengebäude, in denen jeder Zentimeter voller Symbole, Anspielungen und psychologischer Tiefe steckt.

Das Spiel mit der Wahrnehmung
Ein zentrales Thema in Dalís Werk ist die Wahrnehmung – und wie leicht sie sich manipulieren lässt. Das Kunstmuseum nutzt moderne Technologien, um das raffinierte Spiel mit der Realität noch (be-)greifbarer zu machen. In einem immersiven Virtual Reality-Raum wird man buchstäblich in eines von Dalís Gemälden hineingezogen. Mit einer VR-Brille durchstreift man eine surreale Landschaft, in der Elefanten auf Stelzen wandeln, Uhren schmelzen, und der Himmel flüssig zu sein scheint. Es ist ein sinnlicher, fast meditativer Zustand, in dem man Dalís Kunst nicht nur betrachtet, sondern fühlt und verinnerlicht.

Beim Gang durch die Ausstellung begegnet der Besucher nicht nur dem Künstler, sondern auch dem Menschen Dalí
– mit all seinen Widersprüchen, seiner Egozentrik, seiner Einmaligkeit. Fotos zeigen ihn mit seinem berühmten gezwirbelten Schnurrbart, stets inszeniert, exzentrisch, fast karikaturesk. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich ein scharfer Intellekt, ein Mann mit tiefer Bewunderung für Freud, Newton und Einstein, ein rastloser Suchender auf der Grenze zwischen Kunst und Wissenschaft, zwischen Mythos und Mathematik.

Die Frau hinter dem Künstler: Gala
In einem der Räume widmet sich eine multimediale Installation Dalís Faszination für die Quantenphysik. Modelle von DNA-Strängen und holographische Darstellungen spiegeln seine Überzeugung wider, dass Kunst und Naturwissenschaften zwei Seiten derselben Wahrheit sind – ein Thema, das sich besonders in seinen späten Werken manifestiert.

Kein Besuch im Dalí-Museum wäre vollständig ohne die Begegnung mit Gala, Dalís Muse, Ehefrau und Managerin. In vielen Werken erscheint sie als Madonna, Königin oder mystische Führerin. Eine eigene Sektion des Museums beleuchtet ihre Rolle in Dalís Leben – nicht nur als Modell, sondern als kreative Kraft, ohne die der exzentrische Katalane wohl nie zur Ikone geworden wäre.

Neben den Gemälden bietet das Museum interaktive Bereiche, in denen Besucher – ob Kinder oder Erwachsene – spielerisch mit Dalís Motiven interagieren können. In einem Raum kann man digitale Uhren „schmelzen“ lassen und in einem anderen eigene surreale Gemälde generieren. Das Museum setzt auf Partizipation, nicht auf stilles Staunen. Und das macht den Besuch besonders lebendig.

Der Garten der Ideen
Zum Abschluss führt der Weg nach draußen in den sonnigen „Avant Garden“ – eine Freiluftoase voller symbolträchtiger Skulpturen, labyrinthischer Wege und Zitate von Dalí in Stein gemeißelt.

Besonders auffällig ist der spiralförmige Baum aus Wunschbändern, an dem Besucher ihre Gedanken und Träume hinterlassen können. Ein Ort der Stille und des inneren Versinkens, an dem man Dalís Philosophie spüren kann: dass Träume und Kunst untrennbar verbunden sind.

Impressionen, die nachwirken
Ein Besuch im Dalí-Museum ist kein schneller Kunstgenuss – er ist ein Erlebnis, das lange nachwirkt. Man verlässt das Gebäude nicht einfach, man taucht daraus auf wie aus einem seltsamen, aber wundersamen Traum. Die Grenzen zwischen dem, was möglich scheint, und dem, was wirklich ist, verschwimmen hier auf faszinierende Weise.

In einer Welt, die oft von Eindeutigkeit und Pragmatismus geprägt ist, erinnert Dalí daran, dass das Irrationale, das Spielerische und das Visionäre ebenso wichtig sind. Sein Museum in St. Pete ist ein Tempel der Vorstellungskraft – und ein Ort, an dem man für ein paar Stunden nicht nur Kunst sieht, sondern der Wirklichkeit entflieht, indem man sie neu zu denken lernt – eine Twilightzone!


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