09.03.2025

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König Leopold III. im Jahre 1939
Bild: mauritius images/World History Archive/Alamy/Alamy Stock PhotosKönig Leopold III. im Jahre 1939

Königsfrage

Das Volk wollte ihn mehrheitlich, aber genützt hat es ihm wenig

Vor 75 Jahren votierten 57,86 Prozent der Belgier dafür, „dass König Leopold III. seine verfassungsgemäßen Ämter wieder ausübt“

Manuel Ruoff
09.03.2025

Vor 75 Jahren wurden die Belgier zu den Urnen gerufen. Sie sollten entscheiden, ob ihr König aus dem Exil zurückkommen und auf seinen Thron zurückkehren sollte. Die Frage spaltete die Nation (– sofern man bei den Belgiern überhaupt von einer Nation reden kann). In die Kritik geraten war Leopold III. wegen seiner Haltung im Zweiten Weltkrieg.

Wie die Niederlande hatte auch Belgien den Streitkräften des großen Nachbarn im Osten kaum etwas entgegenzusetzen, als diese 1940 ihren Westfeldzug begannen. Schon bald stand Belgiens Staatsführung vor der Frage, ob sie wie die Königin der Niederlande und die Großherzogin Luxemburgs ins britische Exil gehen sollte. Für eine Flucht ins Exil sprach die Aussicht, sich so die Handlungsfreiheit bewahren zu können. Für ein Verbleiben im Lande sprach das Gebot, dass ein Monarch sein Volk nicht allein lassen und dessen Schicksal teilen sollte. Jedenfalls entzweiten sich darüber Belgiens Regierung und König. Die Regierung ging ins Exil, und der König blieb.

Und beide stellten sich auf den Standpunkt, den jeweils anderen vertreten zu können beziehungsweise müssen. Der König argumentierte, dass die Regierung nach ihrer Flucht ins Exil nach London am 25. Mai handlungsunfähig sei, und kapitulierte am 28. Mai 1940. Am selben Tag erklärte die Regierung den König für „in seiner Amtsausübung verhindert“ und übernahm nun ihrerseits vom Londoner Exil aus provisorisch in corpore die Amtsbefugnisse des Monarchen.

Leopold betrachtete sich nun als „Kriegsgefangener“ der Deutschen und versuchte alles zu vermeiden, was ihm als Kollaboration ausgelegt werden konnte. Von seinen Gegnern wurde ihm denn auch weniger vorgeworfen, mit den Besatzern zusammengearbeitet zu haben, als vielmehr, nicht genügend gegen sie getan zu haben. Nicht zuletzt übel genommen wurde ihm, dass er während seiner selbsterklärten Kriegsgefangenschaft und noch in der Trauer um seine beliebte erste, aus Schweden stammende Ehefrau Astrid, die 1935 bei einem von ihm selbst verschuldeten Verkehrsunfall uns Leben gekommen war, die unbeliebte Flämin Mary Lilian Baels heiratete, die nicht nur bürgerlich war, sondern auch als NS-freundlich galt.

Nach der Landung der Alliierten in Frankreich brachten die Deutschen Leopold erst nach Sachsen und dann nach Salzburg. Dort wurde er bei Kriegsende von den vorrückenden US-Amerikanern befreit.

Das belgische Parlament verweigerte Leopold jedoch die Rückkehr. Es erklärte ihn für regierungsunfähig und bestimmte seinen jüngeren Bruder Karl zum Regenten. Die linken Parteien setzten durch, dass das Ende der Regierungsunfähigkeit einen entsprechenden Beschluss beider Parlamentskammern in einer außerordentlichen Sitzung voraussetzte.

Leopold-freundlich waren nur die Christdemokraten. Sie setzten in einer Regierung mit den Liberalen durch, dass das Volk befragt wurde. Am 12. März 1950 sprach sich eine Mehrheit von 57,86 Prozent der Stimmberechtigten dafür aus, „dass König Leopold III. seine verfassungsgemäßen Ämter wieder ausübt“. 42,32 Prozent waren dagegen.

In der sogenannten Königsfrage ging ein Riss durch Belgien, an dem der Staat zu zerbrechen drohte. Die Leopoldisten fanden sich vor allem in Flandern, unter den Katholiken und in den großen Industriezentren, die Antileopoldisten eher in der französischsprachigen Wallonie, unter Linken und auf dem Land.

Über der Königsfrage zerbrach auch die christlich-liberale Regierung, da die Liberalen sich weigerten, der Einberufung der für die Umsetzung des Volksentscheids notwenigen Parlamentssitzung zuzustimmen. In dieser verfahrenen Situation löste der Prinzregent Karl das Parlament auf.

Entsprechend dem Ausgang des Volksentscheides errangen die Leopold-freundlichen Christdemokraten bei den Neuwahlen am 4. Juni 1950 in beiden Kammern die absolute Mehrheit. Der Christdemokrat Jean Duvieusart bildete eine neue Regierung, und am 20. Juni 1950 erklärte das Parlament die „Regierungsunfähigkeit“ Leopolds III. für beendet. Im darauffolgenden Monat kehrte der König aus seinem Schweizer Exil auf den belgischen Thron zurück.

Die Verlierer waren jedoch insbesondere in der Wallonie nicht bereit, das anzuerkennen. Es kam zu Streiks, Bombenattentaten auf Eisenbahnstrecken und Demonstrationen. Insbesondere Linke drohten mit der Loslösung der Wallonie.

Angesichts dieses Drucks von der Straße forderte die Regierung den König auf, zugunsten seines 1930 geborenen ältesten Sohnes Baudouin zu verzichten. Nachdem Leopold nicht einmal mehr die regierenden Christdemokraten geschlossen hinter sich wusste, knickte er ein, verlangte jedoch die Volljährigkeit seines Sohnes abzuwarten. Am 16. Juli 1951 dankte Leopold III. ab. Am darauffolgenden Tag wurde Baudouin mit 20 Lebensjahren sein Nachfolger. Diesem folgten 1993 Leopolds zweiter Sohn Albert und 2003 dessen ältester Sohn Philippe, der siebte König der Belgier.


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