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Warum der Ampel-Anfang viel schöner war, und wieso sich die SPD jetzt so aufspielt
Erinnern Sie sich noch an die hübschen Selfies von den vier Verhandlern der FDP und der Grünen am Beginn der Ampel-Koalition? Annalena Baerbock, Christian Lindner, Robert Habeck und Volker Wissing strahlen da in die Kamera wie auf einer lustigen WG-Party! Ach, war das schön. „Fortschrittskoalition“ – ja, so muss so etwas wohl aussehen, dachten wir damals voller Erwartung. Wie das dann weiterging, konnten wir ja nicht ahnen.
Aber welche Atmosphäre stellen wir uns dem gegenüber vor, wenn wir an die laufende Startphase von Schwarz-Grün denken? Party wohl kaum, eher kommen uns dabei Szenen einer Schulhofprügelei in den Sinn oder die eines außer Kontrolle geratenen Kindergeburtstags, wo gekeift, gekratzt und gebissen wird. Wer es erwachsener mag, denkt an einen Mafia-Geburtstag, auf dem man sich über dem Tisch finster zuprostet, während darunter die entsicherte Waffe lauert.
Boris Pistorius zieht in der SPD-Fraktionssitzung über Thorsten Frei von der CDU und dessen CSU-Kollegen Alexander Dobrindt her („wirklich unangenehm“, „kein Gewissen“) und prahlt damit, die Schwarzen mit einem „Placebo“ zur Migration veräppelt zu haben: „Das hat null Wirkung, gar keine!“ Gepetzt hat das der „stern“.
Aufschlussreich ist das Gezeter von Saskia Esken auf derselben Versammlung. Die SPD-Co-Chefin nörgelt da, es sei eine „große, große Ungerechtigkeit der Geschichte“, dass die Union jetzt den Kanzler stelle. Und nicht mehr die SPD, soll das wohl heißen. So haben früher absolutistische Herrscher gejammert, denen der Pöbel das gottgegebene Recht zu herrschen ungerechterweise entrissen hatte. Es ist wieder einmal Frau Esken, die uns einen tiefen Einblick in das Selbstverständnis zeitgenössischer Demokratieverteidiger eröffnet. Danke!
Um „null Wirkung“ absolut sicherzustellen, feuert Noch-Innenministerin Nancy Faeser die Allzweckwaffe gegen jede Art von Zuzugsbegrenzung ab, nämlich die Warnung vor „nationalen Alleingängen“. Da ist er wieder, der Ruf nach einer „europäischen Lösung“. Seit Merkels „Wir schaffen das“ vor zehn Jahren hallt er durch die Debatte, um jeden Fortschritt bei der Begrenzung von Asylmissbrauch und illegaler Einreise im Keim zu ersticken. Der Erfolg ist auch diesmal gesichert. Reihum haben unsere werten Nachbarn klargestellt, dass sie auf deutsche Grenzkontrollentscheidungen pfeifen, niemanden zurücknehmen und also mit dem Durchwinken gen Germania fortzufahren gedenken.
„Null Wirkung“ eben. Allerdings dämmert manchem erfahrenen Unionspolitiker, dass sich bei dem einen oder anderen Wähler von CDU oder CSU ein saures Gefühl im Magen breitmacht, weil es diesmal vielleicht ein bisschen zu viel faules Zeug zu essen gab. Der CDU-Innenminister von NRW, Herbert Reul, brachte es bei „Hart aber fair“ auf den Punkt: „Wir haben ein Problem mit der bundesrepublikanischen Bevölkerung.“ Weil die nämlich in Scharen zur AfD abwandere, wenn die Etablierten das Migrationsproblem weiterhin nicht gelöst bekämen.
Ein interessanter Gedankengang. Böswillige könnten ihn nämlich so lesen: Das Hauptproblem ist nicht, dass wir beim Thema Asylbegrenzung nicht von der Stelle kommen. Die eigentliche Gefahr besteht vielmehr darin, dass uns der Durchschnittsmichel diese Untätigkeit ankreiden könnte und dafür an der Wahlurne Rache nimmt.
Es sieht aus, als diene sich die Union dem linken Spektrum an als Kanonenfutter für die erste Frontlinie im Kampf gegen Rechts und bitte sie die rote Etappe flehentlich um Unterstützung: Wenn ihr uns nicht wenigstens etwas Munition lasst, dann werden sie uns überrollen. Seid nicht so hartleibig.
Forschungsobjekt für Psychologen
Dabei übersehen die Schwarzen etwas, und zwar etwas ganz Entscheidendes: SPD und Grüne haben bei der Wahl arg Prügel bezogen und kräftig verloren. Verlierer aber sind leicht reizbar und ganz und gar der Überzeugung, keine Rücksicht nehmen zu dürfen. Nur in verbissener Hartleibigkeit sehen sie die Chance, am Ende doch noch wie Sieger auszusehen und die blamable Niederlage vergessen zu machen. Pistorius' „Null Wirkung“-Triumphalismus ist Eiter aus den Wunden der vom Wähler zertrampelten Sozialdemokratie. Und er riecht auch so.
Während der NRW-Innenminister im Fernsehen SPD und Grüne um Entgegenkommen anflehte, sendete CDU-Chef Merz Berichten zufolge eine Art Weisung an seine Partei, jetzt auf allen Ebenen möglichst nett zu den Grünen zu sein, damit die ihm seine Billionen-Schulden-Orgie nicht verhageln. Doch auch der mögliche nächste Kanzler wird die Lust der Verlierer am Triumphalismus damit nur noch mehr anheizen. Kein Zweifel: Sie wollen die Union leiden und winseln sehen. Und genau diese Show bietet ihnen die CDU.
Die geplante Koalition wäre ein lohnendes Forschungsobjekt für Psychologen. Unter „Toxische Beziehung“ habe ich bei Google folgendes gefunden: „Toxisch bedeutet giftig. Eine toxische Beziehung besteht aus einem dominanten, fordernden und einem eher zurückhaltendem, schwachen Part. Die Bedürfnisse des dominanten Parts stehen absolut im Fokus, während der vermeintlich Schwächere der Beziehung diese Bedürfnisse bedenkenlos erfüllen muss.“ Das trifft es ziemlich genau, finden Sie nicht? Wobei das Wort „vermeintlich“ im Zentrum steht, denn eigentlich hat ja die Union bei der Wahl gewonnen und die SPD wurde rasiert.
Womit wir noch mal beim brodelnden Magengefühl der Unionswähler wären. Denen muss nun jemand erklären, was die erwählte Partei mit ihren Stimmen anstellt, und vor allem: Wieso sie das tut. An den CDU/CSU-Parteispitzen ist man geneigt, solches Unwohlsein mit dem Hinweis auf die Unvermeidlichkeit des schwarz-roten Bündnisses wegzubalsamieren.
Aber stimmt das überhaupt? Es stimmt, solange an der „Brandmauer“ zur AfD niemand auch nur zu kratzen wagt. Ende Januar musste Friedrich Merz die blaue Karte nur einen Millimeter breit hinter seinem Einstecktuch hervorlugen lassen, und das gesamte linke Lager geriet umgehend in Panik. Wovor? Davor, dass die Union nicht mehr jede linke Zumutung ertragen muss, weil sie eine andere strategische Option im Ärmel hätte. Und wäre es auch nur das gelegentliche gemeinsame Abstimmen im Parlament, wenn's inhaltlich passt. Oder die blaue Duldung einer schwarzen Minderheitsregierung, die sich ihre Mehrheiten je nach Lage der Dinge organisiert. Minderheitsregierungen sind in anderen, stabilen Demokratien durchaus üblich, warum nicht auch in Berlin?
Immerhin hätte die Mehrheit im Volk dann auch die Mehrheit im Parlament, und die wäre derzeit keineswegs links. Doch darüber will im Adenauerhaus niemand laut nachdenken. Folglich will man den eigenen Wählern das trübe Gezappel als „alternativlos“ verkaufen. Wie zu Merkels Zeiten. Und welche Partei zog aus dieser Merkel-Doktrin noch gleich ihren Namen?