12.03.2025

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Schwierige Zeiten: Kai Wegner (CDU) mit Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD)
Bild: imago/Frank GaethSchwierige Zeiten: Kai Wegner (CDU) mit Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD)

Wahlfolgen

Wegner muss Linksbündnis fürchten

Schatten über Berlins schwarz-roter Koalition: Bundestagswahl zeigt klare linke Dominanz an der Spree

Hermann Müller
06.03.2025

Gut anderthalb Jahre vor der nächsten Berlin-Wahl haben Grüne und SPD bei der Bundestagswahl schlecht abgeschnitten, dafür fuhr die Linkspartei ein Rekordergebnis ein. Zählt man Linkspartei, SPD, Grüne und BSW zusammen, dann konnte das linke Lager in Berlin am 23. Februar annähernd 60 Prozent der Stimmen erringen. Angesichts dieser strukturellen Mehrheit linker Parteien muss sich die Berliner CDU darauf einstellen, mit der kommenden Berlin-Wahl im Herbst 2026 die Regierungsverantwortung wieder zu verlieren. Möglicherweise erweist sich der Wahlsieg der CDU bei der Abgeordnetenhauswahl 2023 damit nur als ein für Berlin untypischer Ausrutscher.

Noch im Januar erschien der Wiedereinzug der Linkspartei in den Bundestag als sehr unwahrscheinlich. Tatsächlich ist das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, während die Linkspartei ein bundesweites Ergebnis von 8,7 Prozent eingefahren hat. Besonders heftig fiel der Wiederaufstieg der Linken in Berlin aus. Die Partei, die vor Kurzem noch auf dem Weg zu einer unbedeutenden Sektierer-Gruppe schien, wurde in der Hauptstadt sogar erstmals überhaupt zur stärksten politischen Kraft. Die Partei erhielt fast 20 Prozent der Zweit- und 22 Prozent der Erststimmen und gewinnt vier der zwölf Berliner Wahlkreise.

„Das Ende von Kreuzberg“
Spitzenkandidat Gregor Gysi war erneut im Wahlkreis 83 Treptow-Köpenick erfolgreich, die Bundesvorsitzende Ines Schwerdtner im Wahlkreis 85 Lichtenberg. Völlig überraschend verloren die Grünen den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost an die Linkspartei. Bislang war dies eine Hochburg der Grünen: Hier holte Hans-Christin Ströbele 2002 bundesweit erstmalig ein Direktmandat für die Grünen. Seitdem blieb der Wahlkreis in grüner Hand. Der Verlust des Wahlkreises bei der Wahl am 23. Februar hat die Partei tief getroffen. Grünen-Urgestein Jürgen Trittin kommentierte am Montag nach der Wahl: „Das Ende von Kreuzberg.“ Weit verbreitet ist bei den Grünen die Sichtweise, dass den Verlust der jahrzehntelangen Hochburg Robert Habeck zu verantworten habe. Aufgestoßen scheint insbesondere der Zehn-Punkte-Plan zur Begrenzung der Migration, den Habeck noch wenige Tage vor der Bundestagswahl hastig präsentiert hatte.

Freuen kann sich die Linkspartei auch über ein Direktmandat im Wahlkreis 81 Neukölln. In diesem Wahlkreis zieht Ferat Koçak in den Bundestag ein. Wie einige Kommentatoren vermerkten, hat die Linkspartei mit dem Sieg in Neukölln ihren ersten Wahlbezirk erobert, der nicht auf dem Boden des früheren Ostsektors der Hauptstadt liegt. Der siegreiche Linke-Politiker Koçak wurde in Medien als „Polizei- und Israel-Kritiker“, mitunter auch als „Trotzkist“ charakterisiert.

Der Erfolg der Linkspartei in Berlin kann sich bereits kurzfristig auf SPD und Grüne sowie die Arbeit des schwarz-roten Senats auswirken. Die Landesverbände von SPD und Grünen sind ohnehin von sehr starken linken Flügeln geprägt. Diese könnten das schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl und den Erfolg der Linkspartei zum Anlass nehmen, um ihre Parteien noch weiter nach links zu rücken. In der linksalternativen „taz“ war wenige Tage nach der Wahl bereits zu lesen, dass SPD, Grüne und Linke immer eine Mehrheit in Berlin hätten. Mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahl 2026 lautete die Diagnose der Zeitung dann auch: „Nur R2G wird einen neuen Senat bilden können.“

Linke siegt über CDU und SPD
Tatsächlich haben in der Spree-Metropole bei der Bundestagswahl fast 52 Prozent der Wähler ihr Kreuz bei Linkspartei, Grünen oder SPD gemacht. Zudem holte das Bündnis Sahra Wagenknecht in Berlin 6,6 Prozent. Ein künftiges Regierungsbündnis Rot-Grün-Rot hätte damit im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit. Ein Viererbündnis aus Linkspartei, Grünen, SPD und BSW könnte die Träume von einer stramm linken „Fortschrittskoalition“ noch mehr beflügeln. Auch Berlins CDU muss damit rechnen, dass der Wahlsieg der Ultralinken nicht ohne Auswirkungen auf die weitere Regierungsarbeit mit der SPD bleibt.

Schon jetzt haben viele Beobachter den Eindruck, dass die SPD und insbesondere SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe die CDU mit ihren Forderungen vor sich hertreibt. Dies gilt für den Ruf nach einer „Reform“ der Schuldenbremse wie für die Abschaffung der Großunterkunft Tegel. Auch die Einführung eines 29-Euro-Tickets für Berlins Nahverkehr war ein Lieblingsprojekt der SPD, dass die CDU um des Koalitionsfriedens zuliebe zähneknirschend mitgetragen hat. Nun zeigt sich allerdings: Der Umstand, dass Kai Wegners CDU dem Juniorpartner SPD immer wieder Erfolge gönnte, hat sich für keinen der beiden Koalitionspartner ausgezahlt. Die CDU ist in Berlin hinter die Linkspartei auf Platz zwei abgerutscht. Die SPD sackte sogar auf Platz fünf ab.


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