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Von der Antike zum Automobil – Zu Besuch im Automuseum Dr. Carl Benz von Ladenburg, das sich als älteste deutsche Stadt sieht
Heidelberg, Bamberg und Rothenburg ob der Tauber – diese Städte kennen viele. Zu Recht, denn sie sind außerordentlich sehenswert und von bemerkenswerter Schönheit. Weniger bekannt dürfte der Ort Ladenburg sein.
Im Nordwesten des Rhein-Neckar-Kreises zwischen Mannheim und Heidelberg gelegen, birgt dieses Kleinod eine Fülle von historischen Schätzen und kann auf eine beachtliche Geschichte zurückschauen. Wer sich hierher begibt, kommt zunächst nicht aus dem Staunen heraus, so malerisch wirkt der Ort. Auf dem Marktplatz am Brunnen stehend erwartet man beinahe, dass die Gänsemagd aus dem Märchen der Brüder Grimm hier gleich auftauchen wird.
Beim Schlendern durch die Altstadt kann es passieren, dass ein Einheimischer sich spontan zu einer kleinen Ortsführung anbietet und sich dabei herausstellt, dass dieser selbst mit einer Nachfahrin von Carl Benz zur Schule ging.
Ihr Vorfahr, der von einem pferdelosen Wagen träumende deutsche Ingenieur Benz, erfand 1885 das erste praxistaugliche Automobil, bekam 1886 für seinen „Motorwagen Nummer 1“ ein Patent und lebte mit seiner Frau Bertha und den fünf Kindern von 1905 bis zu seinem Tod 1929 am Rande des Ortes in einer repräsentativen Villa mit angrenzendem Park. Allerdings lagen dann endlich die harten und mageren Jahre in Mannheim hinter ihnen, als Carl Benz in seiner mechanischen Werkstatt in T6,11 (heute T6,23) an der Entwicklung seiner Vision arbeitete.
Im rechtwinklig angelegten Straßensystem der „Quadratestadt“ Mannheim sind die Wege bekanntlich mit Zahlen und Buchstaben benannt. Diese Kuriosität ist zurückzuführen auf Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz (1574–1610), der die Planstadt nach militärischen Aspekten anlegen ließ. So erklärt sich diese eigenartige Adressangabe T6,11.
Im Garten der Ladenburger Benz-Villa befindet sich die, wenn man so will, erste steinerne Autogarage der Welt. Benz ließ im hinteren Gartenteil ein Gartenhaus in Gestalt eines Wehrturms errichten. Im Untergeschoss befand sich die Autogarage, im oberen Teil sein Studierzimmer, das er aber auch zum Kartenspielen mit seinen Söhnen nutzte. Heute wird das Gebäude vom „Motorsportclub Dr. Carl Benz e.V. im ADAC“ als Domizil genutzt. Welch ein historischer, sicher auch inspirierender Ort!
Keltische Sumpfsiedlung
Wer noch ein wenig weiter am Neckar-Ufer entlangwandert, stößt unweigerlich auf das Automuseum Dr. Carl Benz, angesiedelt in der historischen Benz-Fabrik. Der Oldtimer-Sammler Winfried Seidel inszenierte hier eine Schau der Sonderklasse. Mit Mitteln des Mercedes-Konzerns konnte der Autonarr die alten Werkstätten restaurieren, in denen 1908 die ersten Automobile der Marke „C. Benz Söhne“ gefertigt wurden. Nachdem die letzten Fahrzeuge 1924 das Werk verließen, fungierte es anschließend als Reparatur- und Zuliefererbetrieb.
Im Flyer des Automuseums ist zu lesen, dass nur drei Fahrzeuge aus der Ladenberger Automobilfabrik erhalten geblieben sind: „Zwei davon stehen nun wieder in der Fabrik, in der sie einst produziert wurden, neben ihren Verwandten aus der Mannheimer Produktion.“
Zurück in der knapp 13.000 Einwohner zählenden Kleinstadt Ladenburg wird man mehrfach an den Autoerfinder erinnert. Es gibt das Carl-Benz-Gymnasium, den Carl-Benz-Platz und das Gasthaus zum Ochsen. Dieses behauptet mittels eines an der Außenwand angebrachten Schildes selbstbewusst, dass Benz hier sein Stammlokal gehabt habe. Widersprechen kann er ja nicht mehr, und werbewirksam ist es auf jeden Fall.
Wer sich von den hübschen Häuserfassaden erst einmal lösen kann, um noch tiefer in die Geschichte einzutauchen, wird schnell fündig werden. Wenige wissen, dass Ladenburg zu den ältesten Städten Deutschlands rechts des Rheins gehört. Manche Einheimische behaupten sogar, in der ältesten Stadt Deutschlands zu wohnen, was nicht ganz stimmt. Doch die älteste Stadt im Rhein-Neckar-Kreis ist dieses Kleinod allemal.
Der römische Name „Lopodunum“, aus dem sich der heutige Ortsname entwickelte, geht zurück auf den keltischen Namen „Lokwodunum“, was „Seeburg“ oder „Sumpfsiedlung“ bedeutet. Die Kelten siedelten hier schon lange vor den Römern. Im ersten Jahrhundert nach Christus errichteten die Römer in diesem Gebiet nacheinander zwei Kastelle.
Der aus dem Elbegebiet eingewanderte und dann am Neckar siedelnde, von den Römern als „Svebi Nicrensis“, also Neckarsweben, bezeichnete germanische Stamm wurde von den römischen Machthabern geduldet und zum Schutz ihrer Gebiete für ihre Zwecke eingespannt.
Gänsemagd braust davon
Als Gründungsdatum Ladenburgs gilt das Jahr 98 n. Chr. zur Zeit Kaiser Trajans (Marcus Ulpius Traianus). Unter dessen Herrschaft entwickelte sich Ladenburg zum Hauptort der „Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium“, einer Verwaltungseinheit der römischen Provinz Obergermaniens. Im Laufe der Zeit sind bei Ausgrabungen, oft rein zufällig, bauliche Zeugnisse der römischen Herrschaft zutage befördert worden, darunter eine Stadtmauer, außerhalb dieser ein halbrundes Theater mit 5000 Plätzen, Tempel, Thermen, ein Forum mit angrenzender Marktbasilika von immensen Ausmaßen, insgesamt 130 mal 85 Meter, das somit als das größte römische Bauwerk im süddeutschen Raum gilt. Im Untergeschoss eines Wohnhauses sind Teile der Ausgrabungen hierzu frei zugänglich. Weitere Funde aus der Zeit sind im Lobdengau-Museum, der ehemaligen Nebenresidenz des Bischofs von Worms, zu bewundern.
Um 260 n. Chr. verdrängten die Alemannen die Römer aus diesem Gebiet. Deren Spuren verloren sich mehr und mehr, was auch eine kurze Rückeroberung der Stadt 369 n. Chr. unter Kaiser Valentinian I. nicht mehr verhindern konnte. Auch das Mittelalter hinterließ seine Spuren, wie das Martinstor, den Hexenturm oder bedeutende Kirchen, wie die St.-Gallus-Kirche oder die St.-Sebastian-Kapelle. Immer wieder entdeckt man beim Spaziergang durch den Ort Reste der reichen Vergangenheit.
Das klingelnde Smartphone einer Gänsemagd des 21. Jahrhunderts holt einen zurück in die Gegenwart. Sie springt in ihr Auto und braust davon – doch eher eine Bertha Benz der Moderne.