06.03.2025

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Will trotz historischer Schlappe bei der Bundestagswahl das Feld nicht räumen: Das Führungsduo der Sozialdemokraten aus Saskia Esken und Lars Klingbeil
Bild: picture alliance/REUTERS|ANNEGRET HILSEWill trotz historischer Schlappe bei der Bundestagswahl das Feld nicht räumen: Das Führungsduo der Sozialdemokraten aus Saskia Esken und Lars Klingbeil

Das Rascheln der Intriganten

Nach ihrer historischen Niederlage bei der Bundestagswahl steht die SPD an einem neuen Tiefpunkt. Doch die Führung der Partei verweigert eine ehrliche Ursachenforschung und scheint einfach weitermachen zu wollen, als sei nichts geschehen

Holger Fuß
05.03.2025

Zunächst eine frohe Botschaft, zumindest für die Abgeordneten: Die Bundestagsdiäten könnten im Sommer um gut 606 Euro auf 11.833,46 Euro monatlich ansteigen. Die Bezüge werden jedes Jahr entlang der allgemeinen Lohnentwicklung im Vorjahr angepasst.

Nun zu den Beziehern dieser Einkünfte, und wie sie sich das Geld verdienen. Zum Beispiel die Sozialdemokraten. Eine stolze Population in deutschen Parlamenten, im Bundestag siedelt sie seit 1949, und schon im Reichstag waren sie vertreten. Die Genossen waren also schon immer da und blicken gern zurück auf namhafte Vorfahren wie August Bebel, Friedrich Ebert, Kurt Schumacher und Willy Brandt. Und auf Otto Wels, der 1933 gegen die Ermächtigungsgesetze Adolf Hitlers aufbegehrt hatte.

Und weil die Sozialdemokraten seit ihrer Gründung 1863 viel Bedeutsames geleistet haben, sind sie heute der Meinung, ihnen gehöre die Demokratie auch ohne nennenswerten Zuspruch der Wähler. Auf kümmerliche 16,4 Prozent der Stimmen hat es die SPD bei der jüngsten Bundestagswahl nur noch gebracht. Ein historischer Tiefstand, der danach schreien würde, über Nacht die gesamte Parteispitze aus der Hauptstadt zu verbannen und mit neuem Führungskader aus der programmatischen Sackgasse zu finden, sich wieder den Interessen der arbeitenden Bevölkerung zuzuwenden und neuerlich zur Volkspartei links der Mitte zu erblühen.

Ignoranz der Wahlverlierer
Stattdessen war in der Berliner Parteizentrale am Wahlabend nur das Rascheln der Intriganten zu vernehmen. Co-Parteichef Lars Klingbeil dachte keineswegs an Rücktritt, sondern nutzte das Schockvakuum im Willy-Brandt-Haus während der Hochrechnungen, um mit eisernen Nerven ins Zentrum der Macht vorzustoßen. Noch am Wahlsonntag organisierte er seinen Aufstieg als Chef der künftigen, von 207 auf 120 Mitglieder geschrumpften, Bundestagsfraktion und verpflichtete seine Co-Parteivorsitzende Saskia Esken zur Rückendeckung seines dreisten Manövers. Die „Architekten des Misserfolgs“, so Juso-Chef Philipp Türmer wenig später, leisten sich gegenseitig Schützenhilfe beim Ränkespiel um den Erhalt ihrer Herrschaft.

Wer sich an der Basis der Partei umhört, stößt reihum auf Schulterzucken. Die Wahlniederlage haben all jene Sozialdemokraten erwartet, die sich außerhalb der Metropolen in den Kommunen und Landtagen für die Partei ins Zeug legen. Mit einem Null-Kanzler wie Olaf Scholz in den Wahlkampf zu gehen, schien vielen ein aussichtsloses Unterfangen. Trotzdem haben sie an frostigen Wintertagen Plakate aufgestellt und an Infoständen um Stimmen geworben. Das gehört sich so. Die Parteispitze in Berlin ist für sie wie ein ferner Götter-Olymp, der sich von ihnen abgewandt hat und dem es nur um Macht und wohldotierte Posten zu tun ist. Die Fraktionsvorsitzende in einem nordhessischen Kreistag sagte gar, eine Esken hätte sie „längst in den Keller gesperrt“. Warum ist die überhaupt noch SPD-Chefin? „Weil keine andere da ist.“

Das ist der eine Grund, weshalb die SPD nach ihrer krachenden Wahlniederlage einfach weiter macht, als sei nichts gewesen. Es ist weit und breit keine Gestalt zu entdecken, die aus dem trüben Einerlei des phrasengetriebenen Sozialhanseltums herausragt, die Begeisterung beim Publikum entzündet und in deren Reden sich breite Teile der Bevölkerung mit ihrer Lebenswirklichkeit gespiegelt finden. Zu Problemlösungen scheinen diese chronisch erschöpft wirkenden Führungskader gar nicht mehr vorzudringen: Stattdessen werden Problemlösungen lieber zu „einfachen Lösungen“ herabgewürdigt, die schon deshalb des Populismus verdächtig seien, weil Problemlösungen eine komplizierte, unübersichtliche Realität aufklaren würden, die für Sozialdemokraten gern die Stichworte für ihre Untätigkeitsversessenheit liefert. Sozialdemokratisch sein ist heute demnach nicht der Wille zur Beseitigung von Problemen, sondern die Entschlossenheit zum Verwalten von Problemen.

Das Fehlen von populären Leitfiguren und die Ideenlosigkeit der Funktionäre
Und Probleme verwalten geht auch ohne brillante Köpfe. Dafür reicht das Mittelmaß, das Voraussetzung ist, um die Führungsstruktur der SPD erklimmen zu können. Genau genommen ist ja auch ein Boris Pistorius seit Amtsantritt als Verteidigungsminister im Januar 2023 nur deshalb beliebtester deutscher Politiker, weil er weniger peinlich auftritt als die anderen. Als Person ist Pistorius der Öffentlichkeit gänzlich verborgen geblieben; vielleicht war er gerade deshalb eine so wohlfeile Projektionsfläche der Wünsche vieler Bürger.

Ein zweiter Grund für das Weiter-so der Sozialdemokraten seit dem Wahlsonntag ist die programmatische Wüstenei der Partei. Dass die SPD zu einer gut eineinhalb Jahrhunderte alten Hülle für Intrigen und Ideenlosigkeit verkommen ist, wurde bereits 2013 offenbar, als die Partei sich in „Bürger-Konventen“ Anregungen fürs Wahlprogramm holte. Was auf den ersten Blick sympathisch volksnah wirkt, war in Wahrheit bloß ein fehlendes Gespür sozialdemokratischer Entscheidungsträger für die Themen der Straße. All diese Mitmach-Formate sind so langweilig wie interaktives Fernsehen, wo ausgebrannte Drehbuchautoren bei den Zuschauern Ideen abfischen. Geholfen haben sie der Partei jedenfalls nie – mit der SPD ging es verlässlich bergab. Die Arbeiter, die im Ruhrgebiet heute lieber AfD wählen, verbringen ihre Wochenenden eben nicht auf Demokratieforen der SPD.

Entsprechend uninspiriert plätscherte der SPD-Wahlkampf dahin – bis der Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz nach den Messermorden von Aschaffenburg mit seinem Fünf-Punkte-Plan zur Verschärfung der Migrationspolitik auftrat.

Als Merz in der letzten Januarwoche dazu einen Entschließungsantrag und einen Gesetzentwurf im Bundestag gemeinsam mit SPD und Grünen durchboxen wollte, was aber von den Mitte-Links-Parteien abgelehnt wurde, gelangten insbesondere die Sozialdemokraten auf Betriebstemperatur. Fraktionschef Rolf Mützenich ließ sich zum Diktum vom „Tor zur Hölle“ hinreißen, das eine Zustimmung durch die AfD aufgerissen hätte, und noch am selben Abend wurden die Straßen mit tausenden „besorgten Bürgern“ geflutet, orchestriert von Nichtregierungsorganisationen, die von der Ampelregierung großzügig alimentiert werden. Auf Pappschildern wurde das Verbot der Union gefordert, Friedrich Merz als Nazi geschmäht und auf die Siegessäule wurde die Laufschrift „Ganz Berlin hasst die CDU“ projiziert.

Verirrt im mit NGOs geführten „Kampf gegen Rechts“
Je maßloser der „Kampf gegen Rechts“, desto stärker die Mobilisierung für die SPD – diese Rechnung der Genossen ging bekanntlich nicht auf. Wenn überhaupt, so wurde der Linkspartei in bester DDR-Tradition die antifaschistische Kernkompetenz zuerkannt, was der SED-Nachfolgepartei bei der Wahl 3,9 Prozentpunkte mehr als 2021 einbrachte.

Weil aber die SPD beim Personal so blank dasteht wie bei den Themen, konnte sie auch in der Woche nach der Wahl nur ihre rostige „Kampf gegen Rechts“-Rhetorik krächzen, als die Union eine „Kleine Anfrage“ mit 551 Fragen an die noch amtierende Bundesregierung zur „Politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen“, also sogenannter Nichtregierungsorganisationen, stellte. Eigentlich sind derlei Anfragen parlamentarische Routine, doch diesmal konnte der staunende Beobachter den linksgrünen politisch-medialen Komplex wie einen Vulkan explodieren und einen Ascheregen der Empörung tagelang herniederregnen sehen.

Die „taz“ sah in der Anfrage einen „Angriff der Union auf Zivilgesellschaft“: „Das schüchtert ein.“ Selbige Zivilgesellschaft reagierte in Gestalt der „Omas gegen Rechts“ und des BUND reflexartig aufgebracht, und natürlich war wieder einmal die Demokratie in Gefahr. Lars Klingbeil ließ gleichsam als erste Amtshandlung als Fraktionsführer an die Union eine diskrete Warnung absetzen: Entweder ihr nehmt eure Anfrage zurück oder es gibt keine Koalitionsverhandlungen.

Hinter dem Aufruhr stand die verständliche Sorge der SPD, dass mit der Transparentmachung der verschiedenen „Demokratieförderprogramme“ der vergangenen Jahre und dem Ausgießen von vielen Millionen Euro an Vorfeldorganisationen zum Ruhme von linksgrünem Demokratieverständnis auffliegen könne, dass der „Kampf gegen Rechts“ ein steuergeldfinanzierter Propagandaschwindel zur Absicherung des Machterhalts von Parteien links der Mitte ist. Die sogenannte Zivilgesellschaft war nie etwas anderes als die Halluzination eines sich progressiv wähnenden Bürgertums, das zu gegebenen Anlässen massenhaft hysterisiert werden kann, um gesellschaftlichen Druck medial unterstützt aufzubauen.

Dass ausgerechnet Klingbeil zur Unions-Anfrage die Backen aufblies, war auch deshalb pikant, weil seine Ehefrau Lena-Sophie Müller seit 2014 Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins Initiative D21 ist, der sich als „Deutschlands größtes Netzwerk für die Digitale Gesellschaft“ beschreibt. Die Initiative erhält finanzielle Unterstützung aus Bundesmitteln, allein 2023 flossen mindestens 150.000 Euro aus drei Ministerien an den Verein, der klar politisch ausgerichtet ist. So soll mit dem alljährlich ausgerichteten Girls' Day „stereotypes Denken“ überwunden sowie „eine vielfältigere und inklusivere Gesellschaft“ gefördert werden. Hinter der Empörung steht also das schlechte Gewissen von Ertappten, die ihre „woke“ Agenda aus dem Steuertopf finanzieren.

Wachsender Unmut an der Basis
Mit ihren nunmehr 16,4 Prozent ist die einstige Volkspartei SPD an einem Tiefpunkt angelangt, an dem sie nichts mehr zu verlieren hat. Im Rennen um die nächste Regierung sind die Sozialdemokraten nur noch wegen der Brandmauer zur AfD. Solange die Rechtspopulisten als unantastbare Paria gelten, können die Genossen aufs Koalitionskarussell mit der Union springen. Friedrich Merz wiederum ist durch die Brandmauer erpressbar. Die SPD kann ihm in den kommenden Verhandlungswochen nach Belieben auf der Nase herumspringen. Saskia Esken hat bereits angedroht: „Ich verspreche, dass ich nerve!“

Doch in der Partei wächst der Unmut über die Führungsspitze. Schon im September forderte Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange ein Talkshow-Verbot für ihre Parteichefin: „Es ist nämlich unerträglich.“ Nach der Bundestagswahl legte Münchens einflussreicher Oberbürger Dieter Reiter nach: Esken solle sich zurückziehen und Klingbeil den Vorsitz allein überlassen. Auch Heiko Wittig, Fraktionschef im Kreistag Nordsachsen, meint: „Saskia Esken kommt bei der Basis nicht gut an.“

Doch die SPD wäre nicht sie selbst, wenn sie auf einen guten Vorschlag nicht einen vernichtend schlechten folgen ließe. Als Nachfolgerin von Saskia Esken ist die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas im Gespräch. Eine Frau, die in ihrem Amt im Schatten ihrer Vorgänger dahinwelkte und über Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble erklärte: „Also es sind schon klar kluge Köpfe, die eben auf ihre Art ihre Reden gehalten haben. Bei mir ist es halt ein bisschen anders.“ Zweifellos wäre diese Personalie ein niederschwelliger Aufstieg nach ganz oben.

Holger Fuß ist freier Autor und schreibt regelmäßig für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften über das Zeitgeschehen. 2019 erschien „Vielleicht will die SPD gar nicht, dass es sie gibt“ (FinanzBuch Verlag)www.m-vg.de/finanzbuchverlag 


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