15.02.2025

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Auf der Seebrücke in Ahlbeck: Schemenhaft wie eine Fata Morgana taucht die Bohrinsel am Horizont auf
Foto: RosenthalAuf der Seebrücke in Ahlbeck: Schemenhaft wie eine Fata Morgana taucht die Bohrinsel am Horizont auf

Wirtschaft

Der Tourismus und (k)eine Fata Morgana

Werden sich Erholung, Natur und Energiegewinnung vor Pommerns schönster Küste vereinbaren lassen?

Erwin Rosenthal
15.02.2025

Bedrohlich ragt sie am Horizont auf, zehn Kilometer vor den pommerschen Ostseebädern Heringsdorf, Swinemünde und Misdroy: die 70 Meter lange und 68 Meter breite dänische Bohrinsel „Noble Re­solve“. Die US-Firma Noble Corporation, die von einem kanadischen Unternehmen beauftragt wurde, in der Ostsee Erkundungsbohrungen vorzunehmen, hat sie gechartert. Anderthalb Monate soll sie dauern, die Suche nach Erdgas, eine kommerzielle Gasförderung könnte nach polnischen Medienberichten hingegen erst nach 2027 beginnen.

Begründet wird die Wahl des Standortes der Bohrplattform mit der bereits vorhandenen Infrastruktur Swinemündes, insbesondere mit dem dortigen LNG-Umschlagterminal. Zudem würde das Ende des polnischen Gasliefervertrags mit Gazprom nahelegen, dass eine stärkere heimische Gasversorgung für das Land insgesamt sowie die Wollin-Region im Besonderen von großem Nutzen wäre, heißt es auf der Internetseite des Unternehmens.

Energie im Wandel
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Erkundungsbohrungen erfolgreich verlaufen werden. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass die bei Touristen beliebte vorpommersche Insel Usedom reich an Bodenschätzen ist. Bereits im Jahre 1965 wurde man bei einer Bohrung auf der Halbinsel Gnitz, westlich des Ostseebades Zinnowitz gelegen, fündig. 100 Tonnen Reinöl wurden dort pro Tag gefördert. Schließlich erwuchs in den Folgejahren die Erdöllagerstätte Lütow, aus der bis heute mehr als 1,3 Millionen Tonnen Erdöl gewonnen werden konnten.

Etwas später, im Jahre 1981 entdeckten Geologen eine Gaskondensat-Lagerstätte in Heringsdorf. Wie das Erdöl in Lütow ist das Heringsdorfer Gas an die Speichergesteine des Staßfurtkarbonats im Zechstein gebunden. Die Bohrung wurde seinerzeit unmittelbar neben der Strandpromenade des Seebades Heringsdorf, auf dem dortigen Sportplatz, niedergebracht. Um den Tourismus so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, erfolgten die Bohrarbeiten außerhalb der Hauptsaison, von September 1983 bis Februar 1984.

Die Einwohner Heringsdorfs fühlten sich während der Testarbeiten durch den im gesamten Ort wabernden penetranten Geruch nach Schwefelwasserstoff, vorbeugende Evakuierungen, weithin sichtbare Flammen auf einem Hochfackelmast und eine definierte Sicherheitszone stark beeinträchtigt. Sie waren überzeugt, dass Erdgasförderung und Tourismus unvereinbar sind. Zur Förderung des Heringsdorfer Erdgases kam es glücklicherweise nicht. Der DDR fehlten die finanziellen Mittel, um Aufbereitungsanlagen für das aggressive, schwefelwasserstoffhaltige Erdgas zu beschaffen.

Nach der friedlichen Revolution in den Jahren 1989/1990 wurde durch den Eigentümer des Bergwerksfeldes, die Erdöl-Erdgas Gommern GmbH, hiernach die Erdgas Erdöl GmbH im Eigentum der Gaz de France erneut der Versuch unternommen, die Ausbeutung der Heringsdorfer Lagerstätte vorzunehmen. Das Erdgas sollte nach seiner Reinigung „bohrlochsnah“ in einem Kraftwerk verstromt werden. Mit dem erzeugten Strom wollte man eine Meerwasserentsalzungsanlage betreiben und auf diese Weise die Skeptiker des Projekts umstimmen. Das sehenswerte Erdölmuseum im vorpommerschen Reinkenhagen dokumentiert die Pläne sehr ausführlich.

Bürgerproteste
Die ablehnende Haltung der Bewohner, insbesondere aber jener, die vom Tourismus profitieren, verhinderte das Vorhaben. Es wurde im Jahr 2002 im Zuge eines Raumordnungsverfahrens abgelehnt. Gegenwärtig ist Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus verärgert über die neuen Probebohrungen, denn die deutschen Behörden wurden nicht im Voraus über das Projekt informiert, obwohl es eine entsprechende Vereinbarung gibt. „Es ist mir wichtig, dass wir umfassend über die Bohrungen aufgeklärt werden“, so Backhaus im Landtag in Schwerin. Zudem schließt der Minister nachteilige grenzüberschreitende Auswirkungen der Erkundung und eine mögliche Förderung des Gases nicht aus.

Beobachtungen in der Gemeinde Heringsdorf würden nahelegen, dass dort durch die Bohraktivitäten Lärm- und Vi­brationsbelastungen entstehen könnten. Zudem könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Erkundungsbohrungen und dabei gegebenenfalls austretende Stoffe Auswirkungen auf die Fauna und Flora im Küstenmeer von Mecklenburg-Vorpommern haben. Mit Sicherheit würden aber auch die beliebten polnischen Ostseebäder Misdroy und Swinemünde in Mitleidenschaft gezogen.

Sorge macht den benachbarten deutschen Ostseebädern und den Betreibern des Rostocker Überseehafens auch der östlich der Swine auf der Insel Wollin geplante sehr große Containerhafen.

Im Stadtparlament und in der Stadtverwaltung von Swinemünde gibt es offenbar zwei „Fraktionen“. Während die eine vor allem die See- und Hafenwirtschaft sowie die Energieversorgung im Fokus hat, favorisiert die andere den
Tourismus.

Die Zukunft wird zeigen, ob sich die weitere Industrialisierung Swinemündes und der Tourismus auf den Inseln Usedom und Wollin vereinbaren lassen.


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