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Erinnert eher an ein  Instrument aus dem Film „Metropolis“:  Ausstellungsstück eines Helms zum Haaretrocknen, das im Allensteiner Museum der Moderne ausgestellt wurde
Foto: U.H.Erinnert eher an ein Instrument aus dem Film „Metropolis“: Ausstellungsstück eines Helms zum Haaretrocknen, das im Allensteiner Museum der Moderne ausgestellt wurde

Museum der Moderne

Die Geschichte des Föns

Eine Ausstellung in Allenstein zeigte Vorläufer des heutigen Haartrockners

Uwe Hahnkamp
02.05.2024

Eines überraschend umfangreichen Themas aus dem Alltag hatte sich das Museum der Moderne des Städtischen Kulturzentrums in Allenstein mit einem Vortrag zum aktuellen Exponat des Monats angenommen. Unter dem Titel „Der polnische Beitrag zur Geschichte des Pustens“ nahm Jacek Moczulski, der Leiter des Museums, die Geschichte des Haartrocknens und des Föns unter die Lupe – verbunden mit einigen praktischen Vorführungen.

Als Exponat Nummer 1 erwies sich der bequeme, jedoch bescheiden aussehende Stuhl vor den Sitzreihen der Zuschauer zu Beginn des Vortrags von Moczulski. Mit einem Handgriff, einem einfachen Ruck am Kopfteil lässt sich bei diesem Friseurstuhl aus Königsberg nämlich das Sitzkissen umdrehen, wodurch die Reinigung einfacher und der Wechsel der Kunden schneller wird. Der innovative Geist der Friseure zeigte sich im 19. Jahrhundert auch beim Franzosen Alexander-Ferdinand Godefroy (1852–1933), der sich selbst als Friseur und Erfinder bezeichnete.

Nutzung elektrischer Energie
Nach seiner Auswanderung in die USA entwickelte er eine Konstruktion zum Haare-trocknen, in dem die Luft mit einem Gasofen erhitzt und in eine Haube auf dem Kopf umgeleitet wird, und präsentierte sie erstmals 1888 in St. Louis im US-amerikanischen Bundesstaat Missouri. Die Regulierung der Temperatur war sehr eingeschränkt; dennoch schlug diese Art der schnelleren Verschönerung bei Kundinnen und Friseursalons wie eine Bombe ein. Aus der Kombination von Erhitzen und Luftzug entwickelten sich viele, oft nicht ungefährliche Einrichtungen. Eine Installation im früheren Trolleybusdepot und heutigen Ausstellungsraum des Museums der Moderne zeigte eine waghalsige Konstruktion aus einem Staubsauger, der Luft über einen Stoffschlauch in einen großen Karton leitet, und einem Toaster, der dort die Luft erhitzt, die über einen weiteren Schlauch an die Haare gelangt. Möglich wurde das erst mit elektrischem Strom.

Hier kommt das heute unbekannte Genie Michał Doliwo-Dobrowolski (1862–1919) ins Spiel. Der in Gattschina bei St. Petersburg als Sohn eines polnischen Adeligen geborene Pionier der Wechselstromtechnik ging in Odessa zur Schule, studierte in Riga und nach der Emigration ab 1883 an der Technischen Universität in Darmstadt. 1888 konstruierte er einen Generator für dreiphasigen Wechselstrom und ein Jahr später einen Induktionsmotor mit Rotor. Sein großes Verdienst war es, dass er die Geschäftsleitung seines Arbeitgebers, der bekannten Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft (AEG), von der Idee des Wechselstroms überzeugte.

Im Jahr 1898 entwickelte er als Chefingenieur des AEG-Werks in Nürnberg den ersten Hand-Haartrockner. Er nannte ihn „Fön“ nach dem Föhn, also dem warmen Fallwind an den Alpen, ließ aber bewusst das h weg. Der Name wurde auf die ersten Geräte geprägt und so zum Eigennamen des Handtrockners bis heute. Der neue Fön wurde nicht patentiert. Das machte zehn Jahre später ein Amerikaner mit einem Gerät, das im Grunde eine Kopie von Dobrowolskis Fön war. Dobrowolski selbst wurde später Direktor der Berliner Fabrik der AEG, nahm die schweizerische Staatsbürgerschaft an und starb in Heidelberg.

Formenvielfalt dank Bakelit
Dobrowolskis Konstruktion überlebte ihn bis heute. Sie erwies sich als so gelungen, dass sich das Aussehen der meisten Föne auf der Welt bis Mitte des 20. Jahrhunderts nicht änderte. Die Geräte wurden größer oder kleiner, das Material ging von Stahl über leichtere Metalle zu den ersten Kunststoffen über, um den Umgang mit den anfangs recht schweren Geräten zu erleichtern. Neben diesen Fönen führte Moczulski an einem seiner Mitarbeiter vom Städtischen Kulturzentrum eine tragbare Version des Staubsauger-Toaster-Modells vor, in dem ein Handsauger der Firma Vorwerk den zentralen Platz einnimmt.

Die Leistungsstärke und Geräusche, die einzelne Föne produzieren, präsentierte Moczulski anhand in der Republik Polen hergestellter Haartrockner, die dank des Kunststoffs Bakelit auch andere Formen hatten. Unter den gezeigten Exponaten des Museums und den Leihgaben von Privatpersonen befand sich einer der ersten polnischen Föne, der 1953 bei der Fabrik für Fahrräder und Kinderwagen in Resche [Rzeszów] produziert wurde. Besonderes Augenmerk lag auf den verschiedenen Generationen des 1964 erstmals auf dem Markt erschienenen Fema SR, der in Bromberg und später in Rastenburg hergestellt und noch bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts verkauft wurde.

Die heutigen Föne orientieren sich im Prinzip wieder an der Konstruktion von Dobrowolski. Die „Ausstellung des Designs“, die mit dem Vortrag eröffnet wurde, zeigte auch einen Trockenhelm, der wunderbar in den Film „Metropolis“ gepasst hätte, und erzählt von ungewöhnlichen Anwendungen der Föne. Wie Moczulski erklärte, kann man damit Kinder in den Schlaf wiegen, weil das Geräusch sie an das Atmen ihrer Mutter erinnert, das sie im Bauch gehört haben. Wenn man mit einem großen Fön bewaffnet eine Messung der Geschwindigkeit nachspielt, bringt man die Autofahrer dazu, vor seinem Haus langsamer zu fahren.


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