29.07.2025

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Jahrbuch Polen 2025

Wie unsere Nachbarn das Thema Energie behandeln

Das Deutsche Polen-Institut widmet seine Publikationen unterschiedlichen Themenschwerpunkten – Hochschullehrer, Journalisten, Künstler und Ethnologen kommen im aktuellen Band zu Wort

Karlheinz Lau
29.07.2025

Das „Jahrbuch Polen“ erscheint zu wechselnden Themen, wie 2020 „Polnische Wirtschaft“ oder 2021 „Oberschlesien“. 2025 wird der Schwerpunkt „Energie“ behandelt. Das „Jahrbuch Polen 2025. Energie“ ist in zwei Blöcke mit Unterkapiteln eingeteilt: „Der polnische Energiemix“ und „Politik/Gesellschaft“. Die Autoren bearbeiten einzelne Themenfelder, etwa „Warten auf den Reaktor“, „Die Vergangenheit erschürfen: Steinkohle als Identitätsstiftung“ oder „Zarnowiec. Der Traum von einem polnischen Atomkraftwerk“. Die Beispiele zeigen, dass einzelne Kapitel gesondert gelesen werden können.

Es sind insgesamt 13 Autoren, darunter ein deutscher Journalist, ansonsten sind es Hochschullehrer, Journalisten, Künstler und Ethnologen. Diese sind sicher in der Republik Polen bekannter als in Deutschland. Der Leser muss bei den meisten Beiträgen den Eindruck gewinnen, er lese ein Jahrbuch für Polen und nicht für Deutsche. Zahlreiche Bilder und Statistiken begleiten die Texte, generelle Beschriftungen wären wünschenswert.

Der erste Block vermittelt unter verschiedenen Aspekten das gegenwärtige polnische Klimaproblem, das mit dem Dreiklang „Kohle – Erneuerbare Energien – Kernenergie“ beschrieben werden kann. Es wird von einer schwungvollen Energiewirtschaft gesprochen, wobei der Anteil der Kohle beträchtlich bleiben wird. Der wirtschaftliche Aufschwung des Landes seit der Wende ist demnach eine Folge der Energiepolitik.

Alle Beiträge verraten ein hohes Maß an Fachwissen der Verfasser und setzen Vorkenntnisse beim Leser voraus. Befürchtungen in Deutschland über negative Auswirkungen von Tschernobyl waren und sind im Nachbarland nicht so ausgeprägt, obwohl es Proteste gab. Heute, nach über 40 Jahren seit der Katastrophe, wird die Vorstellung verbreitet, dass durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse Kernkraft sicherer geworden sei.

Kernkraft ist sicherer geworden
Die Meinung in der Bevölkerung änderte sich 2022 mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Ein erstes polnisches Atomkraftwerk soll an der pommerschen Ostseeküste entstehen, verschiedene Standorte sind im Gespräch: Zarnowitz [Zarnowiec], Lübtow [Lubiatowo]– Koppalin [Kopalino], Raum Danzig. Der Baubeginn ist offensichtlich noch nicht erfolgt. Deutsche Einwände gegen Standorte an der Ostsee werden nicht erwähnt, allerdings das Unverständnis in Polen über die deutsche Energiewende.

Im zweiten Block behandeln Beiträge, welche Auswirkungen der allmählich wachsende Wohlstand in Polen auf die Gesellschaft hat, zumindest in den urbanen Zentren. Als Beispiel wird die elektronische Musik aus Deutschland beschrieben. Es überrascht nicht, dass beim Thema Energie Oberschlesien und die Steinkohle einen identitätsstiftenden Stellenwert haben. In einem der Beiträge heißt es: „Für die Oberschlesier und Oberschlesierinnen war die Beziehung zu ihrem Boden als konkretem Ort schon immer stärker als die Bindung an eine Nation oder einen Staat.“ Hiermit soll offensichtlich auf die Autonomiebestrebungen der oberschlesischen Bevölkerung hingewiesen werden, die bis heute zu beobachten sind.

Die Aussagen über Oberschlesien in einzelnen Beiträgen vermitteln für den deutschen Leser den Eindruck einer ungebrochenen Zugehörigkeit dieses Landstrichs über die Jahrhunderte zu Polen. Das ist eindeutig, mindestens seit Beginn der Industrialisierung im 19.Jahrhundert nicht richtig. Man denke nur an die Konflikte um die Abstimmungen nach dem Ersten Weltkrieg. Antideutsche Töne liest man aus den entsprechenden Beiträgen nicht, sondern durchaus positive Einschätzungen trotz der unterschiedlichen Positionen zur Kernenergie.

Die Lektüre stellt hohe Ansprüche an deutsche oder polnische Leser. Das Impressum spricht von einer Chronik der politischen und kulturellen Ereignisse sowie der deutsch-polnischen Beziehungen. Diese wäre hilfreich, fehlt aber.

Deutsches Polen-Institut: „Jahrbuch Polen 2025. Energie“, Otto Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2025, Taschenbuch, 162 Seiten, 19,90 Euro


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