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Die Katastrophe nach der Flut

Die ZDF-Serie „Die Zweite Welle“ zu Weihnachten – Überlebende des Tsunamis vor 19 Jahren kämpfen sich mühsam ins Leben zurück 

Anne Martin
26.12.2023

Sie haben sich neu eingerichtet im Leben nach der Welle: der Anwalt Harry und seine 17-jährige Tochter Noa, der früher mit der Anwältin Maren liierte Schönheitschirurg Heiko sowie das Paar Matthias und Britta. Aber dann steht viele Jahre nach dem Tsunami in Thailand plötzlich eine abgerissen wirkende Frau vor Harrys Tür. Als Alexandra stellt sie sich vor, Schwester von Harrys damals ertrunkener Frau Julia.

Was dann passiert, wird allen den Boden unter den Füßen wegreißen und wird sie wie in einem Strudel nach Luft schnappen lassen. Die TV-Serie „Die Zweite Welle“ (am 27. und 28. Dezember jeweils ab 22.15 im ZDF) legt Lügen frei und deckt tiefe menschliche Abgründe auf.

Alexandra (Caroline Schuch) sinnt auf Rache. Kurz vor der Katastrophe hatte sich die Freundesclique im Urlaubsparadies Khao Lak kurz getroffen, ein Versöhnungsurlaub sollte es sein, die Schwestern Julia und Alexandra wollten nach einem Zerwürfnis wieder zusammenfinden. Aber die Kluft ist zu groß. Überheblich mokieren sich die Urlauber über die Hütte, in der Alexandra mit ihrer kleinen Tochter Lucie und ihrem Partner lebt.

Auch das Kind wird argwöhnisch beäugt. Es kommt zum Eklat, der Bruch zwischen den Schwestern scheint endgültig. Dann kommt die Flutwelle vom zweiten Weihnachtstag 2004 und lässt nur Tote und Trümmer zurück. Harrys Frau Julia bleibt verschollen, Alexandra wird schwer verletzt in Thailand zurückgelassen, ein kleines Mädchen nach Deutschland mitgenommen. Ist es Noa, das Kind von Julia und Harry oder womöglich Lucie, die Tochter der tot geglaubten Alexandra?

Was der Sechsteiler zeigt, ist ein Psychodrama vor der Folie tatsächlicher Ereignisse. Wie kann die Rückkehr in ein normales Leben gelingen? Und was, wenn die Heldengeschichten von einst genauso brüchig sind wie das nach außen hin erfolgreiche Leben danach?

Alexandra, die von den Wellen fast erschlagen wurde und in einer Notoperation einen Unterschenkel verlor, diese hart gewordene Frau, die ihre Tochter verlor, verbrachte 13 Jahre wegen Drogenbesitzes in einem thailändischen Gefängnis. Immer noch greift sie gelegentlich zu Drogen, um die Schmerzen zu betäuben. Von den Überlebenden will sie zunächst nur Geld, Unterstützung für eine Strandbar in Portugal. Harry (Johann von Bülow) steckt ihr das Geld zu, mit diesem bangen Hoffen im Gesicht, damit sei nun alles geregelt. Ein Trugschluss, wie sich erweisen wird: „Ich mache die fertig, ich stell sie bloß in ihrer ganzen Verlogenheit, einen nach dem anderen. Und dann kommt Lucy zu mir zurück“, schwört Alexandra.

Fortan taucht sie wie ein rachsüchtiger Geist im Leben der saturierten Freundesclique auf. Sie deckt auf, dass Matthias im Thailand-Urlaub mit Harrys Frau eine Affäre hatte, sie lanciert schlechte Bewertungen auf der Internetseite des Schönheitschirurgen, sie lässt den neuen Arbeitgeber von Maren wissen, dass diese ein Alkoholproblem hat. Alexandra ist wie ein Stachel im Fleisch der bequem gewordenen Luxusbürger. Und sie meint zu wissen, dass das junge Mädchen mit den porzellangleichen Zügen, das den Namen Noa trägt und angeblich Harrys Tochter ist, ihre eigene Tochter Lucie sei.

In zahlreichen Rückblenden werden dem ungeheuren Verdacht des Kindesraubs immer neue Puzzlestücke hinzugefügt. Und immer, wenn einer der Protagonisten meint, Alexandra in die Enge getrieben zu haben, holt diese zum Gegenschlag aus. Unbarmherzig, mit kalten Augen, die nur warm werden, wenn sie Noa eine Torte zu deren 18. Geburtstag überreicht und dabei nicht weiß, wie sie dieser jungen Frau wieder nah kommen soll.

Dreharbeiten im Schwimmbecken
Dass der Tsunami von 2004 als Vorlage für spannende Unterhaltung dient, ist nicht neu. „Tsunami – Das Leben danach“ wurde 2012 mit Veronica Ferres verfilmt und erzählte die Geschichte zweier Überlebender, die nach der Katastrophe ein Paar werden. Im selben Jahr erschien auch der preisgekrönte spanische Kinofilm „The Impossible“ mit Hollywoodstar Naomi Watts. Auch hier liegt die wahre Geschichte einer spanischen Familie zugrunde, die von der Flut auseinandergerissen wird und wie durch ein Wunder wieder zusammenfindet.

Die gewaltige Flutwelle mit dem Epizentrum vor Sumatra, das drittstärkste je gemessene Seebeben mit Flutwellen bis zu 30 Metern, verschlang an den Küsten des Indischen Ozeans vor genau 19 Jahren über 250.000 Menschen, 5000 davon in Thailand. Über 500 Opfer stammten aus Deutschland, nicht alle konnten geborgen werden. Um Seuchen vorzubeugen, wurden damals viele Tote in Massengräbern beigesetzt.

Zum Verhängnis wurde vielen Urlaubern ihr Unwissen über Seebeben. Als sich das Meer zurückzog, um wenig später mit gigantischen Flutwellen zurückzuschlagen, suchten viele Urlauber in dem freigelegten Meeresboden noch arglos nach Muscheln. Die Katastrophe war auch deshalb so vernichtend, weil es keinerlei Warnung gab. Das immerhin hat sich geändert. Seit 2008 existiert im Indischen Ozean ein vom Geoforschungszentrum Potsdam mitentwickeltes Frühwarnsystem mit 300 Messstationen.

Nun also der fiktionale Fernseh-Nachlass. Die Dreharbeiten mitten im Corona-Lockdown stellten das Fernsehteam vor große Herausforderungen. Um die große Flut nachzubilden, wurde bei Bangkok ein Bassin gegraben, einige der Unter­wasserszenen wurden im olympischen Schwimmbecken der Universität Bangkok gedreht, andere Szenen in der Andamanensee vor Phuket. Für Caroline Schuch in der Rolle der Alexandra war der Dreh die bisher größte Herausforderung ihrer Karriere. Zwei Monate vor Drehbeginn begann sie mit einer Ernährungsumstellung und einem harten Fitnessprogramm, um jene Frau darzustellen, die dem Tod knapp entronnen ist, aber immer noch um ein Weiterleben kämpft.


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