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Wolfgang Benz liefert mit „Exil. Geschichte einer Vertreibung 1933–1945“ eine wichtige Gesamtdarstellung des Themas – Der Verfolgung von Juden, Intellektuellen und Oppositionellen widmet er besondere Aufmerksamkeit
Wolfgang Benz ist ein bekannter Zeithistoriker. Er leitete an der TU Berlin das Zentrum für Antisemitismusforschung und machte sich einen Namen als großer Kenner des Widerstandes gegen das NS-System.
Wie die Jahreszahlen zeigen, behandelt das Buch „Exil. Geschichte einer Vertreibung 1933–1945“ nicht die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den ostdeutschen Provinzen, sondern die gesamte Widerstandsbewegung in der deutschen Bevölkerung gegen das nationalsozialistische System in allen Facetten, wobei die jüdische Bevölkerung die größte Gruppe bildet.
Benz gliedert sein Buch in neun Kapitel, die jeweils in einzelne Abschnitte unterteilt sind. Das erste Kapitel lautet „Politische Emigration im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik“; weitere behandeln „Vertreibung durch Diskriminierung. Jüdische Auswanderung 1933–1938“ und „Orte des Exils“ sowie „Kindertransporte“ und „Rückkehr aus dem Exil“. Der inhaltliche Aufbau ist also chronologisch von den ersten Zeichen im Kaiserreich bis in unsere Gegenwart.
Wenn auch das Schicksal der Juden im Mittelpunkt steht, werden andere Bevölkerungsgruppen wie Wissenschaftler, Literaten, Naturwissenschaftler, Journalisten und auch die einfachen Leute entsprechend berücksichtigt. Die Zahl der Namen der Prominenten und weniger Prominenten, der Mediziner und Naturwissenschaftler, der Journalisten und Literaten sowie der demokratischen Politiker ist erstaunlich hoch. Es ist das „Who is who“ der geistigen Elite Deutschlands.
Benz nennt eine Fülle an bekannten Namen wie Thomas Mann, Nelly Sachs, Hannah Arendt oder Willy Brandt, Bruno Kreisky, Herbert Wehner, Bertolt Brecht, Albert Einstein, Sigmund Freud und viele mehr. Der Autor gibt die Zahl der Juden, die Deutschland bis 1941 verlassen haben, mit 27.800 Menschen an. Danach begann die systematische Ermordung in den Vernichtungslagern.
Hohe Fachkompetenz
Alle Kapitel zeugen von hoher Fachkompetenz in Auswahl und Interpretation der zahlreichen Quellen. Benz zitiert aus den Dokumenten, er lässt Zeugen selbst sprechen und formuliert seine eigenen Interpretationen als Denkanstoß. Die Klarheit und Verständlichkeit seiner Sprache wird ergänzt und verstärkt durch authentische Fotos von behandelten Personen.
Der Leser erfährt wichtige Details, die zum Verständnis des gesamten Themas unentbehrlich sind: Etwa, dass Exil nicht Emigration ist, sondern Exil bedeutet Verlassen des Heimatgebietes aus verschiedenen, auch politischen Gründen, um wieder zurückzukehren; das beste Beispiel für Deutschland ist Thomas Mann. Emigration hingegen ist ein endgültiges Verlassen der Heimat, um eine neue zu finden, wie die Emigration von Hunderttausenden Deutscher in die USA im 19.Jahrhundert. Die Flucht aus Deutschland seit Beginn der NS-Herrschaft war kein einfaches Unterfangen und die Ankunft in den gewünschten Zielen nicht einfach, oft mit erheblichen Umwegen verbunden.
Hauptziel für die jüdischen Flüchtlinge war Palästina als die historische Heimat des jüdischen Volkes. Es waren neben den jüdischen Mitbürgern vor allem Kommunisten, Sozialdemokraten, Journalisten, Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle. Von 1933 bis 1939 verließen mehr als 80.000 Menschen Deutschland aus politischen Gründen. Die „Reichskristallnacht“ zeigte vornehmlich den deutschen Juden die Unmöglichkeit eines weiteren Lebens in Deutschland.
Benz zeichnet das Schicksal zahlreicher Prominenter und sogenannter einfacher Leute auf ihren schwierigen und oft verschlungenen Wegen nach, es sind häufig erschütternde Schicksale, besonders eindrucksvoll ist die Schilderung über die Kindertransporte nach England.
Das Thema des Buches ist eine wichtige Gesamtdarstellung dieses Teils der Geschichte des NS-Regimes und des Zweiten Weltkrieges. Es gehört in jede öffentliche Bücherei und Schulbibliothek. Politisch interessierte Bürger, gleichviel welchen Alters, sollten dieses Thema als Teil unserer Geschichte zur Kenntnis nehmen.
Wolfgang Benz: „Exil. Geschichte einer Vertreibung 1933–1945“, Verlag C.H. Beck, München 2025, gebunden, 407 Seiten, 36 Euro