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Eine Fahrt mit dem Shinkansen von Tokio nach Kyoto und Osaka – Ein deutscher Schnellzug kann da nicht mithalten
Ein Japaner, der von Tokio nach Kyoto reisen will, nutzt weder das Auto noch das Flugzeug, sondern den Zug. Denn die knapp 500 Kilometer schafft der Shinkansen in etwas über zwei Stunden. Für rund 80 Euro ist es wie ein Flug auf Schienen.
Schon der Check-In läuft wie am Flughafen ab. Zugang zu einem der zehn Shinkansen-Bahnsteige in Tokio erhält man nur, wenn vor einem Drehkreuz der Fahrschein digital erfasst worden ist. Im Zug selbst findet keine Fahrkartenkontrolle statt. Bei der Einfahrt des Shinkansen merkt man, dass er keine Zeit zu verlieren hat. Er rast mit solcher Geschwindigkeit in den Bahnhof, dass man die Sorge haben könnte, er würde nicht rechtzeitig zum Stehen kommen. Was fatal wäre. Denn für den Tōkaidō-Shinkansen Richtung Kyoto und Osaka ist der Tokioter Hauptbahnhof Endhaltestelle. Die Gleise enden hier.
Er hält mit den Zugtüren exakt an den Bahnsteigtüren, die sich nur dann öffnen, wenn der Zug eingefahren ist, und die dafür sorgen, dass niemand ins Gleis fällt. Auch in Stoßzeiten herrscht kaum Gedränge. Die neuen Fahrgäste müssen ohnehin warten, bis alle ausgestiegen sind, der Zug gereinigt ist und die Sitze vom Zugpersonal um 180 Grad gedreht sind. Niemand soll entgegen der Fahrtrichtung sitzen. „Falsche Wagenreihung“ wie bei der Deutschen Bahn? Gibt's hier nicht.
Nach zehn Minuten ist die Prozedur an dem fast einen 500 Meter langen Zug beendet. Die Schiebetüren am Bahnsteig öffnen sich wieder, die neuen Gäste, die sich diszipliniert hintereinander in der Schlange eingereiht haben, dürfen einsteigen. Man gelangt prompt und ohne Drängelei zum reservierten Sitzplatz, auch weil der Mittelgang breit genug ist für zwei Personen. Überhaupt ist der Shinkansen breiter als der deutsche ICE, bietet er doch Platz für fünf Fahrgäste pro Reihe, drei links, zwei rechts vom Mittelgang. Richtung Osaka sitzen die meisten rechts, können sie hier doch bei guter Sicht auf den Vulkanberg Fuji blicken.
Auch bei der Abfahrt hält sich der Shinkansen nicht lange auf. Der Zugführer drückt sofort so auf die Tube, dass es einen wie beim startenden Flugzeug in den Sitz presst. Mit bis zu 270 Stundenkilometern rast der schnellste Zugtyp, der Nozomi, an der dicht besiedelten Ostküste entlang. Kurze Stopps gibt es nur in den Millionenstädten Yokohama und Nagoya. Alle zehn Minuten kommt hier pro Richtung ein Shinkansen vorbei, in Stoßzeiten sogar alle dreieinhalb Minuten. Das funktioniert nur, weil anders als in Deutschland kein Regional- oder Güterverkehr die Gleise der Schnellzüge blockiert.
Im Zug selbst ist es ruhig und sauber. Japaner reden nicht laut, telefonieren im Waggon ist verpönt. Dort findet man auch keine Abfallbehälter. Verpackungsmaterial für eine Brotzeit oder leere Getränkedosen stecken nämlich alle wieder ein und entsorgen den Unrat zu Hause. Ab und an schaut eine Zugbegleiterin nach dem Rechten. Viel zu tun hat sie bei diesen vorbildlichen Fahrgästen nicht. Bevor sie zum nächsten Waggon schreitet, verabschiedet sie sich mit einer tiefen Verbeugung.
In Kyoto und Osaka kommt der Zug auf die Minute genau an. Die notorische Unpünktlichkeit deutscher ICE kennt man hier nicht und wäre für die Zugführer ein Grund zur Scham. Muss man noch darauf hinweisen, dass es seit Betriebsbeginn der Shinkansen im Jahr 1964 keine Unfälle mit Todesfolge gab?