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Skurrile Forschungsobjekte: Asymmetrische Hoden von antiken Skulpturen, die Fallrichtung von Schwangeren, Fusseln im Bauchnabel
Bild: mauritius images/Paul Catalin Pop/Alamy Stock Photos; mauritius images /Matthew Horwood/Alamy; mauritius/Zoonar GmbH/Alamy Stock PhotosSkurrile Forschungsobjekte: Asymmetrische Hoden von antiken Skulpturen, die Fallrichtung von Schwangeren, Fusseln im Bauchnabel

Wissenschaft

Ein Preis für Entdeckungen, auf die niemand gewartet hat

Der „Ig-Nobelpreis“ prämiert blödsinnige oder gruselige „Leistungen“ aus Forschung und Entwicklung. So entstand ein Panoptikum des Nonsens. Manchmal ist aber auch Sinnvolles dabei

Wolfgang Kaufmann
01.02.2025

Der Ig-Nobelpreis gilt als Anti-Nobelpreis – immerhin steht „Ig“ ja für das englische Wort „ignoble“, das sich mit „unwürdig, schmachvoll, schändlich“ übersetzen lässt. Tatsächlich sind viele der prämierten wissenschaftlichen „Leistungen“ pure Zeit- und Geldverschwendung oder Schlimmeres. Das gilt etwa für Untersuchungen über die Salmonellen-Ausscheidungen „vergnügungssüchtiger“ Schweine, die Berechnung der Wahrscheinlichkeit, dass Michail Gorbatschow der Antichrist ist, das Trainieren von Tauben, damit sie Gemälde von Monet und Picasso unterscheiden können, sowie die Erfindung einer Geburtshilfemethode, bei der die Gebärende auf einen Tisch geschnallt wird, der mit hoher Geschwindigkeit rotiert.

In die Kategorie Unsinn fallen auch Studien über Fusseln in Bauchnabeln, die Asymmetrie der Hoden bei antiken Skulpturen oder homosexuelle Nekrophilie unter Enten, Experimente zum Vergleich der menschlichen Schwimmgeschwindigkeit in Wasser und Sirup sowie die rechnerische Begründung, warum Hochschwangere nicht nach vorne kippen. Ebenso hätte die Menschheit sicher gut auf den Nachweis verzichten können, dass Messer aus gefrorenen Exkrementen schlecht schneiden. Gleichermaßen bizarr ist das Beispiel des Australiers John Keogh, der 2001 vermeinte, das Rad erfunden zu haben, wonach das Patentamt in Canberra seine „Neuschöpfung“ unverzüglich unter Markenschutz stellte.

Das Kopfweh des Spechts
Andererseits gibt es Träger des Preises, auf deren Konto durchaus bedeutsame Entdeckungen gehen. Dazu zählen David Dunning und Justin Kruger, welche den nach ihnen benannten Effekt beschrieben haben, bei dem inkompetente Menschen das eigene Wissen und Können systematisch überschätzen. Ebenfalls von großer praktischer Relevanz ist das von John Paul Stapp, George Nichols und Edward Murphy formulierte Gesetz, demzufolge alles, was schiefgehen kann, oft tatsächlich schiefläuft, weil sich immer jemand findet, der genau die falsche Entscheidung trifft. Und die Beantwortung der Frage durch die kalifornischen Mediziner Ivan Schwab und Philip May, warum Spechte keine Kopfschmerzen bekommen, war wichtig, weil sie die Optimierung von Schutz- und Sturzhelmen ermöglichte.

Seine stärkste Bedeutung entfaltet der Ig-Nobelpreis allerdings, wenn er auf satirische Weise eklatante Fehlentwicklungen in Wissenschaft, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik aufgreift. So ging der Preis 1992 an den russischen Chemiker Jurij Strutschkow, der zwischen 1981 und 1990 aller vier Tage einen Fachartikel veröffentlichte. Des Weiteren ausgezeichnet wurden 976 Mediziner aus 15 Ländern, welche 1993 einen Text publizierten, der einhundertmal mehr Autoren als Seiten hatte. Zu den Preisträgern zählte zudem der US-amerikanisch-ungarische Physiker und sogenannte Vater der Wasserstoffbombe Edward Teller „für seinen lebenslangen Einsatz, die Bedeutung des Wortes ‚Frieden' zu verändern“.

Vielmals wurden auch Vertreter der Wirtschaft oder Finanzwelt „geehrt“, deren Fehlleistungen gigantische negative Folgen zeitigten. Das traf auf den US-Investmentbanker und Erfinder der hochspekulativen „Schrottanleihen“ Michael Milken und den chilenischen Bankmanager Juan Pablo Davila zu. Davila brachte seinen Computer 1994 dazu, irrwitzige Transaktionen vorzunehmen und so 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Anden-Staates zu verzocken. Einen weiteren Ig-Nobelpreis erhielt 2009 Gideon Gono, der Direktor der Zentralbank von Simbabwe, für die Herausgabe von Geldscheinen im Wert von bis zu 100 Billionen Simbabwe-Dollar und die damit verbundene „einfache und alltägliche Möglichkeit“ für die Bevölkerung, den Umgang mit großen Zahlen zu üben. Ebenfalls unter den „Ausgezeichneten“ befindet sich der Volkswagen-Konzern für „die Lösung des Problems überhöhten Schadstoffausstoßes von Autos durch automatisch reduzierte Emissionen, wenn die Fahrzeuge getestet wurden“.

Auch Politiker werden „geehrt“
Manchmal ging der Ig-Nobelpreis aber auch ans Militär, so 2007 an das Wright-Laboratorium der US-Luftwaffe, das Forschungsarbeiten über chemische Waffen angeregt hatte, welche die gegnerischen Truppen schwul machen sollten. Gleichermaßen bloßgestellt wurden Religionsgemeinschaften wie die Southern Baptist Church of Alabama, welche haarklein ausrechnete, wie viele verstockte Sünder in dem Bundesstaat zur Hölle fahren müssen.

Und dann gab es noch etliche Fälle von mehr oder weniger offener Politikerschelte. Hierzu zählt die Verleihung des Preises an italienische und amerikanische Forscher um den prominenten Sozialpsychologen Philip Zimbardo in Würdigung der Studie „Die einzigartig simple Persönlichkeit von Politikern“. Nicht selten wurde das Ig-Nobelpreis-Vergabegremium von der Zeitschrift „Annals of Improbable Research“ auch ganz konkret, indem es einzelne Staatsmänner vorführte.

Den allerersten Preis in der Kategorie Bildung erhielt 1991 der als besonders einfältig geltende US-Vizepräsidenten James Danforth „Dan“ Quayle für seine „selbstlose Demonstration der Wichtigkeit von solidem Wissen“. 1996 traf es dann den französischen Präsidenten Jacques Chirac, der im Vorjahr justament am 50. Jahrestag des Atombombenabwurfes von Hiroshima einen Kernwaffentest vornehmen ließ. Bald darauf bekamen die Premierminister von Indien und Pakistan, Atal Bihari Vajpayee und Nawaz Sharif, die Auszeichnung „für ihre militant friedlichen Kernwaffenexplosionen“.

Späterhin spielte auch das Handeln während der Corona-Pandemie eine Rolle bei der Auswahl der Ig-Nobelpreiskandidaten. Neun Staatschefs von Donald Trump bis Wladimir Putin wurden 2020 dafür geehrt, dass sie die Pandemie nutzten, „um der Welt zu demonstrieren, dass Politiker einen unmittelbareren Einfluss auf Leben und Tod haben können als Wissenschaftler und Ärzte“. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gehörte nicht zu den Auserwählten, obwohl sie die Corona-Politik hierzulande mit all ihren nicht immer vorteilhaften Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und Volksgesundheit entscheidend mitprägte.


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Kommentare

Gregor Scharf am 02.02.25, 14:47 Uhr

Die erwähnte US- Luftwaffe scheint im Westen erfolgreich zum Einsatz gekommen zu sein.

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