12.12.2024

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Klever Gärten

Hol’s der Kuckuck

Preußische Herrschaft und niederländische Nachbarn – Kleve am Niederrhein ist durch diese Einflüsse regelrecht erblüht

Bettina Müller
15.06.2021

Die Bedienung im Stadtcafé legt den Gästen den Corona-Meldezettel hin, doch der ist in holländischer Sprache. Ist man etwa aus Versehen in den falschen Zug eingestiegen und in den Niederlanden? Doch nein, alles ist gut, dies ist definitiv das ausgesuchte Ziel der heutigen Tagestour, nämlich Kleve im deutsch-niederländischen Grenzgebiet. Und hier sind die niederländischen Nachbarn eben allgegenwärtig: von der „Beatrix-Straße“ bis hin zum Niederländischen Konsulat. Aber wer zum Duivel ist eigentlich dieser „Kuckuck“, der hier sogar ein eigenes Museum hat?

Auf dem Stadtplan bemerkt man die rundförmige Anordnung der Straßen des Innenstadtkerns, die sich einst unter anderem um den Vorgängerbau der heutigen Schwanenburg aus dem 11. Jahrhundert herum gebildet hatten. Von der mittelalterlichen Stadtmauer sind nur Reste übrig geblieben, doch die Burg, in deren Turm das Geologische Museum untergebracht ist, wacht zuverlässig über die Stadt, die seit 1242 das Stadtrecht besitzt. Da regierten schon längst die Grafen von Kleve ausgehend vom ersten, einem gewissen Rutger von Flandern, den man 1020 dazu ernannt hatte.

Im 16. Jahrhundert entwickelte sich durch die Verbindung zwischen den Herzogtümern Kleve, Jülich und Berg ein hohes Machtpotential, das den Wohlstand der Stadt begünstigte. Die Verbindungen reichten sogar bis ins ferne England, weil Anna von Cleve im September 1539 einen Ehevertrag mit dem englischen König Heinrich VIII. unterschrieben hatte. Der kannte seine Braut gar nicht persönlich, hatte sich in ihr vom Hofmaler Hans Holbein gemaltes Porträt verliebt, in natura kamen dann aber bei der leibhaftigen Begegnung keine romantischen Gefühle auf, sodass die Ehe annulliert wurde.

Konkurrenz zu Berlin

Gemächlich kann man in Richtung Westen die Tiergartenallee entlangwandern und die feudalen Villen aus der Zeit bewundern, als die Stadt noch „Bad Cleve“ hieß, nachdem 1741 am Springerberg eine Mineralquelle entdeckt worden war und sich Kuranlagen rund um das Kurhaus entwickelten, das heute das „Museum Kurhaus Kleve“ beherbergt. Es ist vor allem durch den Nachlass des Bildhauers Ewald Mataré bekannt, nennt aber auch Objekte von Joseph Beuys sein eigen.

Gleich daneben beginnt dann die äußerst fürstliche Gartenpracht. 2007 wurden die „Klever Gärten“, ihres Zeichens „Europäisches Gartendenkmal“, zum zweitschönsten Park Deutschlands gekrönt. Und „schuld“ daran war Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604–1679), der Statthalter des Großen Kurfürsten von Brandenburg.

Nach dem jülich-klevischen Erbfolgestreit, der durch die Kinderlosigkeit des letzten Herzogs, Johann Wilhelm (1562–1609), ausgelöst wurde, fiel das Herzogtum Kleve an Brandenburg-Preußen. Johann Moritz wollte nun „seine“ Residenzstadt zu etwas ganz Besonderem machen, und das konnte man am besten mit raffinierter Gartenkunst. Berlin und Paris? Die sollten vor Neid erblassen.

So wurde die Planung der Gartenanlage ab 1647 bis zu seinem Tod die Lebensaufgabe von Johann Moritz, die er gemeinsam mit dem Architekten Jacob van Campen realisierte. Das „Amphitheater“ am Springenberg mit Tempel, Terrassen und Teichen ist Ausgangspunkt für Erkundungen der Anlage. Und über allem wacht der „Eiserne Mann“ des Künstlers Stephan Balkenhol, eine 2004 anlässlich des 400. Geburtstags von Moritz wieder aufgebaute Skulptur, die 1794 zerstört worden war. Unermüdlich werkelte Moritz an der Perfektionierung seines Gartenreichs, und das unter dem Motto: „Bauen, graben, pflanzen, lasst's Euch nicht verdrießen, denn die nach Euch kommen, werden's noch genießen.“

Ein malender Koekkoek

Endlos weit schweift der Blick von der Anhöhe über das Gartenparadies mit seinen schnurgeraden Kanälen. Überall grünt es mit einer unerschöpflich vollen Pracht. Der unweit des Kurhauses gelegene Forstgarten strotzt mit seinen seltenen Bäumen aus aller Welt nur so vor frischen Farben in allen Schattierungen.

Östlich der Stadt ließ Moritz auf einem großen Areal noch den „Alten Park“ anlegen, schuf dort künstliche Aussichtshügel und sternförmige Wege bis hin zum Papenberg mit Panoramablick auf Kleve.

Zurück in der Innenstadt wird dann noch ein Geheimnis gelüftet. „Der Kuckuck“ heißt korrekt eigentlich Barend Cornelis Koekkoek (1803–1862), ein holländischer Landschaftsmaler, der sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts an der Kavarinerstraße ein Palais als Wohn- und Atelierhaus bauen ließ, in dem heute eine Dauerausstellung über ihn untergebracht ist. Die niederländischen Nachbarn sind zwar sehr nahe, aber vieles weiß man eben doch nicht über sie.


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Kommentare

Chris Benthe am 16.06.21, 07:12 Uhr

Wunderbarer, interessanter Artikel. Dafür liebe ich die PAZ. Danke.

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