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Nach jüngsten Gewaltverbrechen von Zuwanderern strebt CDU-Chef Friedrich Merz eine neue Migrationspolitik an. Dabei wird einmal mehr offenbar, wie sehr seine Partei in den Hinterlassenschaften der langjährigen Frontfrau Angela Merkel gefangen ist
Oft ist es in der Politik wie im richtigen Leben. Auch da kann mit besten Absichten anfangen, was später zur dramatischen Affäre wird. Aus der sich zu befreien, falls kein gutes Ende möglich ist, geht nicht ohne Wunden ab. Warum dann nicht lieber aus der Affäre einen erträglichen Zustand machen – wenn auch einen schlechteren, als in der guten Zeit zuvor?
In etwa ist das die heutige Lage der Union und ihres Kanzlerkandidaten. Die Affäre begann mit dem gutwilligen Drang der CDU, sich nach Angela Merkels erstem, trotz guter Ausgangspositionen fast verlorenem Wahlkampf von 2005 lieb Kind beim grünlinken Zeitgeist zu machen. Dem passte vielerlei nicht: Haushaltsdisziplin zur Stabilisierung des Euro, Energieversorgung durch Atomkraft, starkes Militär im Dienst des Friedens, Grenzsicherung als Sicherung des Sozialstaats, Patriotismus zur Integration eines Einwanderungslandes, praktizierter Pluralismus als demokratische Selbstverständlichkeit.
Irrwege einer Volkspartei
Um nicht länger linksgrün angreifbar zu sein und innenpolitische Kulturkämpfe ausfechten zu müssen, ließ sich die Union bequemerweise vergrünen und sozialdemokratisieren. Das ging bald weit über jenes Maß hinaus, das einem Großteil der Unionswähler einleuchtete. Derweil schmollte der merkelbesiegte vormalige Bundestagsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz im Abseits, erarbeitete sich finanzielle Unabhängigkeit, wartete auf eine neue Chance. Die ließ lang auf sich warten, weil Zeitgeist und Merkelunion eine Liebesehe eingegangen waren. So groß war das Glück im CDU-Hausstand, dass sogar missgünstige Nachbarn wie Sozialdemokraten und Grüne nun Mitbewohner sein wollten. Tatsächlich begrüßte Merkels Union sie als Dauermacht sichernde Koalitionspartner.
Hinauszuekeln begann man aber jene eigenen Leute, welche nicht lassen wollten von einer vorausschauenden Eurozonenpolitik, der friedlichen Nutzung der Kernenergie, einer starken Bundeswehr. Die auch vor einer fahrlässigen Migrationspolitik warnten sowie Patriotismus nicht für den Wegweiser nach Auschwitz hielten, sondern für einen Magneten gesellschaftlichen Zusammenhalts. Als deren neugegründete Partei AfD trotz aller Anfeindungen weitermachte und immer mehr Wähler anzog, durften die Regeln pluralistischen Parteienwettbewerbs für sie nicht mehr gelten. Ihre parlamentarischen Stimmen galten als „zu schmutzig“, als dass man sie haben wollte, und Anti-Rechts-Demonstrationen sollten so lange helfen, wie man die AfD nicht „um der Demokratie willen“ verboten hätte.
Das Scheitern des Zeitgeistes an der rauen Wirklichkeit
Doch die Wirklichkeit schlug immer wieder zurück. Der Zusammenhalt der Eurozone wurde wacklig. Die Energiewende würgte die deutsche Wirtschaft ab. Die Bundeswehr wurde „blank“. Aus der verkündeten Zuwanderung von Ingenieuren oder Krankenschwestern wurde eine von unausgebildeten jungen Männern mit Neigung zur Gewalt. Die soll man nun, aufgrund anscheinend unabänderlicher Rechtsvorschriften, dauerhaft ertragen. Zugleich sollte das Land regiert werden von Leuten, die mit Deutschland „noch nie viel anfangen konnten“. Kein Wunder, dass solche Leute bald mobilmachten gegen eine Partei, die sich als Alternative zu alledem anbot.
Als dann Merkel unter weitverbreiteter Erleichterung abtrat, begann die Ampelkoalition als ihre legitime Erbin mit der Aufführung eines grotesken Nachspiels jener gründlich missglückten Politikära. Nun erwachte die Union als größte Oppositionspartei aus der Trance zeitgeistiger Hingabelust. Nicht ohne großen Widerstand kehrte Friedrich Merz aus dem politischen Exil zurück.
Doch anschließend vertrieb er jene WerteUnion aus der CDU, die sich doch am stärksten für seine Wiederkehr eingesetzt hatte. Er musste nämlich einen Kompromiss nach dem anderen mit den Wüsts und Günthers seiner Partei schließen. Viel zu schwach war sein innerparteilicher Rückhalt, als dass er ohne das erst zu Ampelzeiten unübersehbare Scheitern von Merkels Visionen sein jetziges CDU-Programm hätte durchsetzen können. Und noch immer ist seine Stellung als „Merkel-Überwinder“ nicht gesichert – und schon gar nicht, wie er es entwicklungsblind einst verheißen hatte, die AfD „halbiert“. Das wäre nämlich nur mit einem rechtzeitigen Politikschwenk hin zu den jetzigen CDU-Positionen gelungen.
Endspiel um den Kurs der Union
Doch eine Art Endspiel hat nun begonnen. Die Affäre der Union mit dem grünlinken Zeitgeist geht nämlich bald zu Ende – vielleicht mit einem Befreiungsschlag, vielleicht mit einer tödlichen Verwundung. Es schwankt nämlich jene „Brandmauer“, die angeblich Deutschlands Demokratie vor den Horden blauer Nazis schützen soll.
Der Wirklichkeit kommt näher, wer ein Ende jener dahingehenden rot-grünen Erpressung nahen sieht, die seit Langem die Union der mittig-rechten Bevölkerungsmehrheit Deutschlands stets nur mittig-linke oder ganz linke Regierungen gegenüberstellen lässt. In Sachsen und Thüringen, einst Unionshochburgen, entblödete sich die Union nicht einmal, ihr Bündnis bis zum linken Rand auch noch als eine Stärkung der „politischen Mitte“ auszugeben.
Doch der Politthriller dieser Woche, die versuchte Neuausrichtung deutscher Migrationspolitik im Bundestag, wird die fehlende Durchhaltefähigkeit aller Versuche nachweisen, an die Stelle demokratisch herbeigewählter Mehrheitsverhältnisse nur noch Willkürbündnisse selbstbezogener Politikverwalter zu setzen. Unfreiwillig bekundete denn auch vor wenigen Tagen ein grüner Spitzenpolitiker den hier tatsächlich vorliegenden Erpressungsversuch, wenngleich durch seine Umdeutung ins Gegenteil: Durchs Zusammenwirken mit der AfD wolle die Union den Grünen und der SPD eine Migrationspolitik aufzwingen, welche diese Parteien ablehnten.
Rot-grüne Rückzugskämpfe
Anscheinend kommt es in einer grün-linken Demokratie nicht darauf an, was nach langen öffentlichen Debatten eine Bevölkerungsmehrheit für richtig hält, sondern allein darauf, was grünen und linken Spitzenpolitikern gefällt – wie einst beim „Atomaustieg“, beim „Frieden schaffen ohne Waffen“ dank der „Friedensdividende“ des Siegs im Kalten Krieg, auch bei der (angeblich gar nicht betriebenen) Verwandlung des bislang bekannten und von seinen Bürgern durchaus gemochten Deutschlands in eine multikulturelle und multiethnische Einwanderungsgesellschaft.
Es ist kein Wunder, dass Merzens Endspiel ausgelöst wurde durch eine neuerliche, nicht länger als Einzelfall abzutuende Mordtat eines durchaus nicht schon „länger im Land Lebenden“, doch auch nicht wieder aus dem Land zu bekommenden Migranten. Und anders, als das eine grüne Spitzenpolitikerin unlängst wieder im regierungsnahen Fernsehen behauptete, betrifft das massenhafte, seit Jahren für unaufhaltsam erklärte Einwanderungsgeschehen eben doch überaus viele länger schon im Land Lebende unmittelbar in ihrem Alltag – wie auch viele der hier wirklich heimisch gewordenen Einwanderer.
Auch von diesen sehnen sich viele zurück nach jener gar nicht lange vergangenen Zeit, als öffentliche Sicherheit auf Weihnachtsmärkten und in Schwimmbädern, in öffentlichen Parks und beim nächtlichen Heimweg durchaus kein Thema ernstgemeinter Gespräche war. Sehr vielen leuchtet auch nicht ein, warum unser Land jährlich zwei bis drei Großstädte zuwandern lässt, obwohl jetzt schon Wohnungsnot für Leute mit kleinem Geldbeutel herrscht und Mängel bei der öffentlichen, von der ganzen Bevölkerung zu nutzenden Infrastruktur unübersehbar sind. Zwar bleibt der Krieg Russlands gegen die Ukraine in Deutschland so lange abstrakt, wie deutsche Truppen nicht die kommende Demarkationslinie mitzusichern haben. Doch die Folgen unserer verfehlten Migrationspolitik sind jetzt schon überall fühlbar – ebenso wie so viele energiepolitisch verursachte Preissteigerungen.
In der Sackgasse
Mit den Grünen und den Sozialdemokraten werden sich die Ursachen all dessen wohl nicht abstellen lassen. Ohnehin ist auch ein nennenswerter Teil der Union noch nicht davon überzeugt, dass es wirklich eine tiefgreifende Politikwende braucht. Doch die Unionsaffäre mit den zeitgeistigen Rotgrünen hat die Union nicht nur an vielen Stellen der Wirklichkeit entfremdet, sondern hat auch einen Großteil ihrer früheren Wähler hin zur AfD vertrieben. Zugleich wurde die 30-Prozent-Union in eine Lage gebracht, aus der schadloses Entkommen nicht mehr möglich ist.
Zwar buhlt der künftige Kanzler Merz um die Unterstützung von Sozialdemokraten und Grünen. Die wird er bei den kommenden Koalitionsverhandlungen aber nur um den Preis bekommen, dass die Union ihre Seele verkauft – und dann noch mehr Wähler an die AfD verliert. Lässt sich umgekehrt die Union auf wiederholtes Zusammenwirken mit der AfD ein, dann besiegelt sie nicht nur ihre politische Niederlage gegen die lange so lustvoll bekämpfte Konkurrenz aus dem eigenen Lager, sondern bricht auch alle eigenen Eide. Das wird sie dem noch jahrelang amtierenden linksgrünen Medienadel erst recht verächtlich machen und ihr Giftspritzen samt Dreckkübeln einbringen. Anders als die AfD ist es die Union aber nicht gewohnt, derlei wirklich auszuhalten.
In dieser Lage scheint die einzige halbwegs erfolgreiche Unionsstrategie darin zu bestehen, sich beim Vorschlag vernünftiger Politikprojekte wirklich nicht länger darum zu scheren, ob auch „böse Rechte“ sie für unterstützenswert halten. Obendrein muss sie nach der Bundestagswahl so lange guten Willens Koalitionsverhandlungen mit Sozialdemokraten oder gar Grünen führen, bis allgemein klar wird, dass eine problemlösende Bundesregierung so nicht zustande kommt. Bei der Wahl zum Bundeskanzler wird Merz, den vorzuschlagen der Bundespräsident nicht wird vermeiden können, dann zwar durchfallen. Nach zwei Wochen dauernd vergeblicher Mehrheitssuche muss laut Grundgesetz dann unverzüglich ein weiterer Wahlgang folgen. Bei diesem erzielt Merz wohl erneut die einfache Mehrheit. Dann kann der Bundespräsident ihn zum Bundeskanzler ernennen oder den Bundestag auflösen. Letzteres wird er unterlassen, weil andernfalls der AfD weiterer Machtgewinn winkt.
Anschließend hat Merzens Minderheitsregierung auszulöffeln, was Merkels Zeitgeistmehrheit unserem Land eingebrockt hat. Das wäre dann auch die letzte Unionschance, dem Schicksal von Österreichs ÖVP oder gar von Italiens Democrazia Christiana zu entgehen.
Prof. Dr. Werner J. Patzelt war von 1991 bis 2019 Inhaber des Lehrstuhls für Politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden und ist derzeit Forschungs- direktor des Mathias Corvinus Collegiums in Brüssel. Zu seinen Werken gehören „CDU, AfD und noch mehr politische Torheiten. Neue Analysen, Interviews und Kommentare 2019–2024“ (Weltbuch 2024) sowie „Ungarn verstehen“ (Langen Müller 2023). www.wjpatzelt.de
Max Müller am 29.01.25, 13:27 Uhr
Wenn Merz nicht aufpasst wied er unser Nehammer.