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Mit attraktiven Schnupper-Angeboten locken deutsche Städte potentielle neue Einwohner
Das malerische Görlitz gilt als die erste deutsche Kommune, die auswärtigen Interessenten ein Probewohnen angeboten hat, um gegen eine sinkende Einwohnerzahl anzukämpfen. Mittlerweile ziehen immer mehr kleine und mittelgroße Städte nach. Zunächst waren es Städte im Osten der Republik wie Guben, Eisenhüttenstadt, Eberswalde und Wittenberge, die nach dem Vorbild von Görlitz ein Probewohnen angeboten haben. Mittlerweile haben aber auch schon das nordhessische Homberg (Efze) und das bayerische Nordhalben im Frankenwald ein Wohnen auf Probe angeboten.
Aktuell läuft in Eisenhüttenstadt, ganz am östlichen Rand des Landes Brandenburg, eine Aktion, bei der Interessierte für zwei Wochen kostenfrei in einer möblierten Wohnung leben können und das Leben in der Stadt quasi testen. Ursprünglich hatte die Stadt eine „kleine Sommeraktion“ geplant. Eingegangen sind dann aber 1.700 Bewerbungen – darunter sogar einige aus Australien und China. Befeuert wurde das Interesse an der Oderstadt mit 25.000 Einwohnern durch einen Bericht des US-Senders CNN.
Der Sender hatte im Sommer in seinem internationalen Nachrichtenformat „CNN News Central“ das Probewohnen-Projekt in Eisenhüttenstadt zum Thema gemacht. International bekannt gemacht hatte die einstige sozialistische Musterstadt bereits der Schauspieler Tom Hanks, der vor einigen Jahren in der Show von David Letterman von der „Iron Hut City“ in Germany schwärmte.
Für das Probewohnen vom 6. bis zum 20. September hat die Stadt aus den 1700 Bewerbern eine Frau aus Bremen und einen Mann aus Berlin ausgewählt. Wie die Organisatorin des Projekts, Julia Basan, mitteilte, wollen sich beide während ihrer Probewohnzeit auch Unternehmen vor Ort ansehen.
Auch in der Neißestadt Guben bieten Firmen als Partner des Probewohnen-Programms Interessierten die Möglichkeit für ein Praktikum. Aus Sicht der Kommunen können die Probewohnen-Programme so mit relativ überschaubarem Aufwand gleich mehrere Probleme lösen: Der Zuzug neuer Einwohner verringert den Leerstand von Wohnungen, zusätzlich kann die lokale Wirtschaft Arbeitskräfte gewinnen.
Ganz nebenbei machen die Städte auch noch sehr effektiv Werbung für sich. Im Fall von Eisenhüttenstadt haben sich etwa auch abgelehnte Probewohnen-Bewerber für einen Umzug in die Stadt entschieden. Motiv vieler Interessenten ist dabei oftmals eine „Großstadtflucht“.
Angeheizt wird diese durch hohe Mieten und leer gefegte Wohnungsmärkte, aber auch durch den Wunsch, die Anonymität und den Stress der Großstädte gegen ein ruhigeres Leben in der Nähe zur Natur einzutauschen: „Speziell mit Kindern wächst bei vielen der Wunsch nach einem Leben im Grünen, mit einem familiären Umfeld und kurzen Wegen in die Kita und die Schule“, so die Marketingsprecherin von Guben. Auch Eva Wittig, Geschäftsführerin der Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH, meint, dass die Suche nach Naturnähe und der Wunsch, sich hohe Mieten und großstädtisches Verkehrsaufkommen zu ersparen, Görlitz für junge Familien zu einem attraktiven Wohnort machen.
Die kleinen und mittelgroßen Städte treffen mit ihren Angeboten zum Probewohnen auf eine schon länger weitverbreitete Stimmung in der Bevölkerung. Die Bundesstiftung Baukultur hat bereits im Baukulturbericht 2016/17 eine Umfrage veröffentlicht, der zufolge 78 Prozent der Bevölkerung in Deutschland lieber auf dem Land, in einer Kleinstadt oder einer Mittelstadt statt in einer Großstadt wohnen würden. Fast die Hälfte, nämlich satte 45 Prozent, gab sogar an, sie würde das Wohnen in einer ländlichen Gemeinde bevorzugen.