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Die linkslastige Online-Enzyklopädie gerät ins Visier einer einflussreichen konservativen US-Stiftung. Mit geheimdienstlichen Methoden sollen Wiki-Autoren aus der Anonymität gerissen werden
Die angeblich freie Online-Enzyklopädie Wikipedia, welche auf den Beiträgen ehrenamtlicher Autoren beruht, ist für ihre ausgeprägte Linkslastigkeit sowie neuerdings auch für anti-jüdische und anti-israelische Tendenzen berüchtigt. Deshalb gerät sie immer stärker in die Kritik, wobei sich naturgemäß vor allem konservative Kreise an den Inhalten von Wikipedia reiben. Die Kritiker bezeichnen die Enzyklopädie als „Wokepedia“ und initiierten bereits das Gegenprojekt Conservapedia. Dort heißt es, Wikipedia neige dazu, ein „liberales – und in manchen Fällen sogar sozialistisches, kommunistisches und mit Nazis sympathisierendes – Weltbild zu projizieren, das in völligem Widerspruch zur konservativen Realität und Rationalität steht“.
Der Vorwurf des Antisemitismus und der Hetze gegen Israel wurde insbesondere seit dem Hamas-Massaker und den Militärschlägen Tel Avivs gegen die Terrororganisation laut. So geißelte der Jüdische Weltkongress die systematische „Desinformation und das Verbreiten negativer Stereotype“. Und tatsächlich entschieden die Verantwortlichen für die englischsprachige Version der Enzyklopädie unter anderem, die prominente US-amerikanische Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League (ADL), welche seit 1913 gegen die Diskriminierung und Diffamierung von Juden eintritt, als „im Allgemeinen unzuverlässig“ einzustufen, womit die ADL seit Mitte vorigen Jahres im Wikipedia-Kosmos nicht mehr als vertrauenswürdige Quelle gilt.
Hilfe von FBI-Veteranen
Angesichts all dessen bläst die konservative Denkfabrik Heritage Foundation mit Sitz in Washington nun zum Gegenangriff. Der hat vor allem die Bekämpfung antisemitischer und israelfeindlicher sowie „antiamerikanischer“ Umtriebe zum Ziel. Im Zusammenhang damit ist eine Aktion namens „Wikipedia Editor Targeting“ angelaufen, um die Identität von bestimmten Autoren der Enzyklopädie zu enthüllen, welche im Schutze der von Wikipedia garantierten Anonymität unwahre oder hetzerische Einträge liefern. Bei deren Enttarnung und Bloßstellung soll nach Ankündigung der Foundation eine ganze Reihe unterschiedlicher Techniken zum Einsatz kommen, wobei die Stiftung hier auf die Expertise von ehemaligen Mitarbeitern des FBI zurückgreift. Diese FBI-Veteranen raten sowohl zu aktiven als auch zu passiven Maßnahmen.
Zu den Letzteren gehört das sogenannte Fingerprinting. In dessen Rahmen wird der Verfasser eines Textes durch seinen individuellen Schreibstil entlarvt, wie er sich beispielsweise in typischen Formulierungen oder Inhaltsmustern äußert. Eine weitere Möglichkeit sind artikelübergreifende Vergleiche unter Einbezug anderer Plattformen, wo Klarnamen üblich sind. Für ebenso hilfreich halten die Berater der Heritage Foundation die Analyse von Verhaltensmustern. Dazu zählen die Häufigkeit und der Zeitraum der Erstellung von Beiträgen, die Vorliebe für bestimmte Themen sowie auch die Art und Weise der Zusammenarbeit mit anderen Wikipedia-Autoren. Diese zeigt sich unter anderem in den öffentlich einsehbaren Diskussionen über die Löschung beziehungsweise Änderung von Artikeln.
Darüber hinaus sollen die Jäger Informationen aus bekannt gewordenen Datenlecks nutzen: „Durchsuchen Sie kompromittierte Datensätze nach wiederverwendeten Namen, E-Mails und Online-Identitäten.“ Dem folgt die Empfehlung, auf die beiden geheimdienstlichen Methoden OSINT und HUMINT zu setzen. Bei der Open Source Intelligence (OSINT) stammen die Erkenntnisse zur Aufdeckung von Pseudonymen aus allgemein zugänglichen Quellen wie Zeitungsartikeln oder Fernsehbeiträgen, während im Rahmen der Human Intelligence (HUMINT) Personen abgeschöpft werden, die freiwillig oder unwissentlich Insiderwissen preisgeben. Als passive Methode gilt des Weiteren die Verwendung von PimEyes, einer sehr leistungsstarken Online-Gesichtserkennungssoftware auf der Basis von Künstlicher Intelligenz.
Aufregung bei den Wiki-Schreibern
Hinzu kommen etliche aktive Maßnahmen, um umstrittene Wikipedia-Autoren aus dem Dunkel der Anonymität zu reißen. Dazu heißt es in den Richtlinien zum „Wikipedia Editor Targeting“: „Nutzen Sie kontrollierte Weiterleitungen zur Erfassung von Internetadressen ... und Gerätedaten.“ Außerdem sollen Links angeboten werden, welche die „Verdächtigen“ zum Anklicken und dadurch automatisch auch zur Preisgabe ihres Standortes verleiten. Einen ähnlichen Zweck verfolgen Cookies, also kleine Datenpakete, die von vielen Internetseiten erzeugt werden, um unbemerkt individuelle Nutzerdaten zu sammeln.
Und dann wird ebenso noch dazu geraten, die mutmaßlichen Wikipedia-Autoren zur Offenlegung von Informationen über sich selbst zu provozieren, indem man sie bei Wikipedia oder anderswo im Netz mit sogenannten Sockenpuppen konfrontiert. Das sind Schein-Benutzerkonten, deren konspirativ agierende Inhaber Diskussionen anzetteln – in der Hoffnung, dass die „Zielperson“ einsteigt und sich nachfolgend unüberlegt verräterisch äußert.
Nach dem Bekanntwerden des Projektes der Foundation gab es nicht nur in den USA, sondern auch in der Bundesrepublik Unruhe in der Wikipedia-Gemeinschaft. So beklagte eine Sprecherin der Wikimedia-Stiftung zur Finanzierung der Enzyklopädie die „Einschüchterungsversuche“ gegen Menschen, „die ehrenamtlich verlässliches und belegtes Wissen teilen“. Darüber hinaus meldete sich die ebenfalls linkslastige Plattform für digitale Freiheitsrechte Netzpolitik.org zu Wort und sang ein lautes Loblied auf die Anonymität im Internet.
Dabei wollte sie nicht einmal die viel beschworenen „rassistischen Hassreden“ von Rechten als Argument für die Klarnamen- und Identifizierungspflicht im Netz gelten lassen. Die Möglichkeit, unerkannt zu agieren, müsse unbedingt erhalten bleiben, denn davon „profitieren vor allem marginalisierte, bedrohte und diskriminierte Gruppen“. Und zu denen zählen jetzt offenbar eben auch die Wikipedianer, welche für die krasse Linkslastigkeit und etliche problematische Aussagen bei der „freien Enzyklopädie“ verantwortlich zeichnen.