11.12.2024

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China

Misslungener Spagat zwischen Plan- und Marktwirtschaft

Schulden, Konsumeinbruch, Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit und Wirtschaftskrieg mit dem Westen – Peking hat vielfältige Probleme

Peter Entinger
10.01.2024

China war nicht nur der Ort des Corona-Ausbruchs, es war auch weltweit das Land mit den strengsten Anti-Pandemie-Maßnahmen. Darunter litten Bevölkerung und Wirtschaft gleichermaßen. Mit der Rückkehr zur Normalität sollte alles besser werden. „Rachekonsum“, nannten einheimische Medien das Verhalten der Menschen nach Aufhebung der Einschränkungen. Zum Jahreswechsel sieht die Welt nicht mehr so rosig aus.

Das Regime in Peking, das gerne mit Erfolgsmeldungen hausieren geht, hat mit einer Menge Probleme zu kämpfen. Die Mischung aus staatlicher Planwirtschaft und marktwirtschaftlichen Experimenten geht nicht auf. Viele Chinesen mit mittleren Einkommen haben ihre Ersparnisse in Immobilien angelegt, in der Hoffnung, dass die Preise weiter steigen. Doch das Gegenteil ist der Fall. In den vergangenen Jahren wurde so viel gebaut, dass es inzwischen sogar ein Überangebot an Wohnungen gibt und regelrechte Geisterstädte entstanden sind.

Nach einem Vierteljahrhundert stetigen Wachstums steckt die chinesische Baubranche in riesigen Schwierigkeiten. Größere Bauträger haben Schulden von mehreren Hundert Millionen Euro angehäuft. Millionen Chinesen der Mittelschicht fürchten um ihre Ersparnisse und halten ihr Geld zusammen. Dabei hatte die Regierung doch weiteren Nach-Corona-Konsum verordnet. „Damit sich die Wirtschaft 2024 maßgeblich verbessert, ist ein stärkerer Konsum essentiell“, erklärt Max Zenglein, Chefökonom des China-Instituts Merics in Berlin.

Chinesen zeigen sich verhalten
Die Regierung war in den vergangenen Monaten bemüht, Vertrauen zu schaffen. Zinsen wurden gesenkt, Anforderungen zum Immobilien-Kauf abgeschafft. Doch die Auswirkungen sind überschaubar. Das musste sogar der Staatschef einräumen. Manche Unternehmen hätten eine schwere Zeit und manche Menschen Probleme bei der Jobsuche und im Alltag, sagte Xi Jinping. Ein bemerkenswertes Eingeständnis des kommunistischen Regimes, dem umgehend die Beschwichtigung folgte: „Dass es mal nicht so rund läuft, ist normal.“

Nach wie vor zimmert man sich in Peking seine eigene Realität. Als bekannt wurde, dass die Jugendarbeitslosigkeit enorme Ausmaße annimmt, verbot die Regierung einfach die Veröffentlichung der Statistik. Einer von fünf Menschen zwischen 16 und 24 Jahren ist ohne Arbeit, im vergangenen Sommer strömten elf Millionen Hochschulabsolventen auf einen völlig überhitzten Arbeitsmarkt. Doch die Hoffnungen auf gut dotierte Arbeitsplätze erfüllten sich nicht. Es bleibt die Wahl zwischen der Arbeitslosigkeit oder einer Stelle im Niedriglohn-Sektor. Beides sorgt für Frust.

„Das chinesische Wirtschaftswunder ist vorbei“, bilanzierte das Max-Plack-Institut in Berlin vor einigen Monaten. Das darf man nicht falsch verstehen. Chinas Wirtschaft wächst immer noch. Nur nicht mehr ganz so schnell wie in den Vor-Krisen-Zeiten. Und es zeigt sich, dass der Spagat zwischen marktwirtschaftlicher Öffnung und planwirtschaftlicher Regierungskontrolle nicht ganz so einfach ist, wie die Machthaber in Peking glauben machen wollen.

Das liegt auch an Chinas Außenpolitik. Der Wirtschaftskrieg mit den westlichen Staaten ist im vollen Gange. Ein Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Xi Jinping führte im November zu keinen nennenswerten Entscheidungen. Die Ausfuhren in die USA gingen zuletzt massiv zurück. Für viele deutsche Firmen ist China nach wie vor ein wichtiger Markt.

Es bleibt ein wichtiger Markt
„Diejenigen, die schon hier sind, bleiben“, erklärt Jens Hildebrandt, Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer. Aber potentielle Einsteiger hätten sich Zurückhaltung verordnet. „Aufgrund geopolitischer Spannungen machen deutsche Firmen ihre Lieferketten, Investitionen und Geschäftsfelder sturmfest. Chinesische Unternehmen holen rasant auf und punkten mit Innovation und Geschwindigkeit“, sagt Hildebrandt.

Aus einer Zusammenarbeit ungleicher Partner ist längst ein erbitterter Kampf um die Märkte entbrannt. Das ist nicht unbedingt anziehend für Investoren. Es gibt einen weiteren Punkt, der zeigt, dass China marktwirtschaftlicher geworden ist, als es die Regierung gerne hätte. Junge, gut qualifizierte Menschen zieht es in Scharen in die Großstädte. Doch dort mangelt es an Jobs. Die gibt es aber auf dem Land. Es ist ein Phänomen, das auch westliche Industrienationen kennen.

Die Regierung in Peking hat staatliche Programme aufgelegt, um jungen Menschen den Umzug aufs Land schmackhaft zu machen. Doch dort fehlt es an Infrastruktur. Und die Gehaltsmöglichkeiten sind gering. Die Staatsführung könnte mit Repressionen reagieren. Doch für bessere Stimmung dürfte das nicht sorgen.


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