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Jenseits der Oder ließ eine Adelige für ihren abwesenden Ehemann einen Park anlegen – Heute ist er als „Tal der Liebe“ bekannt
Überquert man in Schwedt/Oder die deutsch-polnische Grenzbrücke, so kommt man zunächst nach Niederkränig [Krajnik Dolny]. Gleich hinter dem Dorf führt eine schmale Straße ins südlich davon gelegene Hohenkränig [Krajnik Górny]. Der Ort mit seinen heute rund 140 Einwohnern feierte noch 1937 sein 600. Ortsjubiläum, worüber damals ausführlich in der Lokalpresse berichtet wurde, doch nur acht Jahre später war alles vorbei und die deutsche Bevölkerung vertrieben, geflohen oder ermordet.
Nach mehr als vier Jahrzehnten, in denen hier die Grenze nahezu undurchlässig war – obwohl es sich auf beiden Seiten um sozialistische „Bruderstaaten“ handelte –, können die früheren Bewohner der Neumark und ihre Nachkommen die alte Heimat wieder problemlos besuchen und dabei polnische Gastfreundschaft erleben.
Biegt man hinter Niederkränig ans (östliche) Ufer der Oder ab, dann gelangt man einige Kilometer weiter nach Niedersaathen [Zatoń Dolna]. Der kleine Ort zählt gerade mal 75 Einwohner und ist bekannt für seine im Jahr 1711 im Barockstil errichtete Dorfkirche, ein ovales, verputztes, ziegelgedecktes Gebäude, das hoch über dem Flussufer thront und von Weitem zu erkennen ist. Von hier aus kann man an der Oder entlang das „Tal der Liebe“ (Dolina Miłości) erkunden. Dabei handelt es sich um einen Landschaftspark von etwa 80 Hektar Ausdehnung innerhalb des größeren Zehdener Landschaftsschutzparks.
Das stark zur Oder abfallende Gelände ist sehr hügelig und dicht bewaldet mit einem hohen Bestand an Ahorn, Birken, Buchen, Eichen, Eschen, Kastanien und Linden. Der Park entstand 1850, als Anna von Humbert, die Ehefrau von Carl Philipp von Humbert (1805–1867), Besitzer des Landguts in Hohenkränig und Landrat des Kreises Königsberg in der Neumark, diesen während einer längeren Dienstreise ihres Gemahls aus Liebe zu ihm als Geschenk anlegen ließ.
Die Adelige wollte ihn damit überraschen und begrüßte ihn bei seiner Rückkehr mit einem im Eingangsbereich des Parks aufgehängten Transparent, auf dem zu lesen war „Willkommen im Tal, das Liebe schuf“. Daraus wurde bald die verkürzte Form „Tal der Liebe“, wie bereits aus Karten vom Ende des 19. Jahrhunderts zu ersehen ist, obwohl die Besitzer selbst ihn über viele Jahre hinweg nur als „Park Nieder Saathener Höhen“ bezeichneten. Am Ufer des Flusses wurden Aussichtspunkte geschaffen, von denen aus sich ein großartiger Blick über das Odertal bot, außerdem legte man zwei Teiche an, die sich aus dem Stauen eines Baches speisten.
Ein mit EU-Geldern sanierter Park
Nach dem Tod des Ehepaares – Anna starb 1860, Carl Philipp 1867 – führten ihr Sohn Henry (1829–1885) und später der Enkel René (1873–1945) die Ausgestaltung des Parks fort. So entstanden Obstgärten, und auf den Inseln in den beiden Teichen wurden Barock-Skulpturen der griechischen Gottheiten Apoll und Venus aufgestellt, die ursprünglich aus dem Schloss in Schwedt/Oder stammten und Mitte des 18. Jahrhunderts vom preußischen Hofbildhauer für Markgraf Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt angefertigt worden waren. Im Volksmund erhielten sie bald die Namen Adam und Eva.
Außerdem bereicherte man den Park durch weitere Kunstwerke sowie Gartenlauben und einen Pavillon, die bei Spaziergängen zum Verweilen einluden. Sogar eine Fasanenzucht hatte man aufgebaut, die aber im Jahr 1907 wieder eingestellt wurde.
Inzwischen war der Park um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zu einem Touristenmagneten geworden, der immer mehr Besucher vor allem aus Schwedt, aber auch aus Berlin und Stettin anlockte, was letztlich zur Eröffnung eines Restaurants führte. Als sich 1927 das 100. Jubiläum der Übernahme des Gutes durch die Hugenottenfamilie (von) Humbert jährte, stellte man an mehreren Stellen Gedenksteine (Findlinge) auf, zunächst für das Gründer-Ehepaar des Parks selbst, dann aber auch für bekannte Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur, so etwa für den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck, Graf York von Wartenburg, Robert Koch, Justus von Liebig, Friedrich von Bodelschwingh und Johann Hinrich Wichern sowie die Komponisten Bach, Beethoven und Mozart.
Nach der Grenzziehung 1945 verwilderte der Park mehr und mehr, zumal der Höhenzug, auf dem sich das Gelände befand, militärisches Sperrgebiet war. Erst die politischen Umwälzungen in Europa während der Jahre 1989/90 führten dazu, dass der über mehr als vier Jahrzehnte in Vergessenheit geratene Park wieder an Aufmerksamkeit gewann. So wurde das Gebiet bereits im Jahr 1993 unter Naturschutz gestellt.
Seit 2004 widmete sich der polnische Verein „Federacja Zielonych GAJA“ aus Stettin der Wiederentdeckung des Parks, und in den Jahren 2010 bis 2012 erfolgte im Rahmen eines deutsch-polnischen Interreg-Projekts unter der Bezeichnung „Revitalisierung des naturalistischen Parkes der Liebe – Schaffung und Werbung für einen internationalen Erholungsort“, gefördert von der Euroregion Pomerania und mit Hilfe von EU-Geldern, eine umfassende Sanierung, wobei die Wege freigelegt, einige Skulpturen wieder aufgestellt und noch vorhandene Gedenksteine restauriert wurden.
In Niedersaathen gibt es inzwischen sogar wieder ein kleines Café („U Beaty“ – „Bei Beata“), wo man bei gutem Wetter Kaffee und Kuchen auf der Terrasse im Garten genießen kann. Auf jeden Fall ist das „Tal der Liebe“ ein lohnenswertes Ausflugsziel, auf dem an mehreren Stellen angebrachte Tafeln in polnischer, deutscher und englischer Sprache über Geschichte und Biologie des Areals informieren.