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Angesichts der Verkaufszahlen bekannte sich der Vorstandsvorsitzender auf der diesjährigen virtuellen Hauptversammlung in Stuttgart zum Verbrenner
Nicht jeder Traum eines Multimanagers geht in Erfüllung. Diese Erfahrung muss auch Ola Källenius in diesen Tagen machen. Dem Vorstandsvorsitzenden von Mercedes bläst der Wind schwer ins Gesicht. „Ich bin 1,95 Meter groß“, sagt der Schwede gerne, wenn er sich auf die Rückbank eines neuen E-Mobils aus der Mercedes-Flotte zwängt, „und sitze dennoch bequem.“ Bequem dürfte sich der Chefsessel in der Stuttgarter Zentrale derzeit nicht anfühlen, auch wenn der Koloss aus dem Norden sich äußerlich gelassen gibt. „Gigant auf Schrumpfkurs“, titelte ein großes Nachrichtenmagazin in der vergangenen Woche, und ein Fachjournal fragte: „Kann Källenius Mercedes wieder aus dem Tief holen?“
Källenius war über Jahre Lieblings-Manager der bundesdeutschen Politgrößen. Er hatte das hohe Lied auf das Verbrenner-Aus gerne mitgesungen und die Errungenschaften der grünen Autotechnik in den höchsten Tönen beschrieben. Damit ist es vorläufig vorbei. Ab 2030 wollte Mercedes-Benz nur noch E-Autos bauen. Für das Jahr 2025 waren genauso viele Verkäufe von reinen Elektroautos und Plug-in-Hybride vorgesehen wie von klassischen Verbrennern. Die „Electric Only“-Strategie wurde schon im Februar von Källenius persönlich zurückgenommen. Kürzlich musste er auch eine Entwicklungsplattform abwickeln.
Schlechte Geschäftszahlen mahnen zu Flexibilität statt Dogmatismus
Anhänger des Mercedes-Chefs, der seit dem vergangenen Jahr auch deutscher Staatsbürger ist, halten ihm zugute, dass sich die Automobilindustrie im vergangenen Jahrzehnt so stark verändert habe wie nie zuvor. Elektro-Anbieter Tesla ist vom Nischenanbieter zum wertvollsten Autohersteller der Welt aufgestiegen. China, lange Jahre lukrativer Absatzmarkt für europäische Hersteller, ist plötzlich ein ernsthafter Herausforderer. In Sachen E-Mobile befinden sich die Asiaten längst auf der Überholspur.
Zu den externen kommen interne Faktoren. Wegen Problemen in den Lieferketten und bei den Modellwechseln verlief der Jahresauftakt schwer unbefriedigend. Der Umsatz im ersten Quartal ging um 4,4 Prozent auf 35,9 Milliarden Euro zurück. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern sackte sogar um knapp 30 Prozent auf 3,86 Milliarden Euro ab.
„In den kommenden Jahren wird es beides geben: Elektroautos und hochmoderne elektrifizierte Verbrenner. Wenn die Nachfrage da ist, bis deutlich in die 2030er Jahre“, sagte Källenius relativ emotionslos zu Monatsbeginn vor den Aktionären des Unternehmens. Beobachter sehen darin ein nüchternes Eingeständnis des Scheiterns der E-Strategie.
„Man könnte es auch als unentschlossen beschreiben“
Dabei plante der Autoproduzent bereits für die nahe Zukunft bis zu 100 Prozent Elektroautoabsatz. Erst vor zweieinhalb Jahren rief Källenius die Strategie des „Electric only“ aus, „wo immer es die Marktkonditionen zulassen“. Der schwedische Manager hatte dabei hohe Investitionen in elektrische Antriebsstränge und Batterien vorgesehen. Der Verbrenner-Sektor sollte noch eine Zeit lang nebenbei mit- und irgendwann ganz auslaufen.
Doch Källenius machten die Rechnung ohne den Markt. Vielerorts liefen die Förderprämien für E-Autos aus. Es mangelt nach wie vor an Ladestationen, und generell üben sich die Käufer in Zurückhaltung. Die Folge: Die Entwicklung der großen Elektroplattform MB.EA-Large wurde von Mercedes gestoppt. Nun will sich der Hersteller flexibel aufstellen, was die Verteilung der Produktionskapazitäten auf Verbrenner und Elektroautos angeht. So könnten hohe Investitionen in Produktionsanlagen vermieden werden. Es ergebe keinen Sinn, eine neue teure Plattform für Autos zu entwickeln und zu fertigen, deren voraussichtliche Absatzzahlen den Einsatz der dafür nötigen finanziellen Mittel nicht lohne, hieß es zur Begründung. „Der Kunde entscheidet“, musste Källenius während der Hauptversammlung eingestehen und hinzufügen: „Die Transformation könnte jedoch länger dauern als gedacht.“
Vor zweieinhalb Jahren hat sich der Mercedes-Chef noch mit dem Vorsitzenden der Deutschen Umwelthilfe (DUH) getroffen, was nicht jedem im eher traditionell ausgerichteten Konzern gefiel. Nun, so berichten es Branchenkenner, bezeichne sich Källenius als taktisch flexibel. „Man könnte es auch als unentschlossen beschreiben“, kommentierte der „Spiegel“ bissig.
Und es drohen weitere Probleme. US-Präsident Joe Biden hat angekündigt, Elektroautos aus China mit Strafzöllen von 100 Prozent belegen zu wollen. Die Chinesen, so die Befürchtung, könnten dann die europäischen Märkte mit Billig-Angeboten fluten. Mit 13 Millionen Euro Jahresgehalt ist der Mercedes-Chef der bestbezahlte deutsche Manager. Nicht nur seine Belegschaft, die gesamte deutsche Industrie wird Antworten von ihm verlangen.