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Ein ungesunder Lebensgenuss, der zunehmend aus der Mode gerät – Über den Bedeutungsverlust des Tabaks
Weltweit rauchen immer weniger Menschen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ist der Anteil der Raucher in den vergangenen 20 Jahren um ein Drittel gesunken. Heute gibt es auf der Erde 118 Millionen weniger Tabakkonsumenten als noch im Jahr 2005. Ganz radikal gehen die Briten vor: Von 2027 an sollen in England die Jahrgänge ab 2009 in ihrem Leben überhaupt keine Tabakwaren mehr erwerben dürfen.
Der frühere britische Premierminister Boris Johnson, selbst Nichtraucher, kann diesem Gesundheitsdiktat nichts abgewinnen. Das geplante britische Rauchverbot sei mit der angelsächsischen Idee der Freiheit nicht in Einklang zu bringen, so Johnson, der derweil an Winston Churchill erinnerte, der täglich acht bis zehn Zigarren paffte, vorzugsweise die kubanische Marke Romeo y Julieta.
Rauchen stand in früheren Zeiten für Genuss, Freiheit, Stimulanz, Erotik und Macht. Der Basta-Brioni-Kanzler Gerhard Schröder war ohne Rotwein und Zigarre nicht denkbar. Heute hat der bei den Sozialdemokraten in Ungnade gefallene Ex-Kanzler den Cohibas längst abgeschworen und wird von seiner südkoreanischen Ehefrau auch sonst auf Diät gehalten.
Während der Gründungskanzler Konrad Adenauer aufgrund eines Bronchialleidens strikter Nichtraucher war, qualmten seine Kollegen Ludwig Erhard, Willy Brandt, Herbert Wehner oder Helmut Schmidt parteiübergreifend ganze Tabakfelder leer. Auch Franz Müntefering und Peer Steinbrück griffen zumindest hin und wieder gern zum Zigarillo. Seit Deutschlands älteste Partei zumindest in der Spitze und in der Öffentlichkeit weitestgehend rauchfrei auftritt, ist sie vielleicht gesünder, aber mit Sicherheit nicht erfolgreicher.
Die lässig im Mundwinkel wippende Zigarette machte Marlene Dietrich erst zur Femme fatale und Humphrey Bogart zum harten Kerl in Gangsterfilmen. Überhaupt scheint das Rauchen unter Künstlern immer noch weiter verbreitet zu sein. Der feine Rauch der Zigarette soll die Phantasie freisetzen, selbst wenn Heinrich Heine und Johann Wolfgang von Goethe auch mutmaßlich ohne Glimmstängel dichten konnten.
Der Vegetarier George Bernhard Shaw, der im biblischen Alter von 94 Jahren verstarb, nannte die Kippe sogar „eine Prise Tabak, eingerollt in Papier mit Feuer an einem und einem Narren am anderen Ende“. Für seinen Landsmann Oscar Wilde hingegen war die Zigarette das „Urbild des perfekten Genusses“. Sie sei köstlich und lasse uns zugleich unbefriedigt zurück – was natürlich sofort Lust auf die nächste Zigarette macht, die dann auch nicht zur Erlösung führt.
In seiner 1930 erschienenen „Geschichte des Rauchens“ ging der österreichische Autor Egon Caesar Conte Corti noch davon aus, dass die Gegner der „trockenen Trunkenheit“ eine „verschwindende, machtlose Minderzahl“ seien. Ihr Kampf sei schon deshalb „ein Streit gegen Titanenmacht, weil alle Staaten und ihre Regierungen, welche Herrschaftsform immer sie aufweisen, die Rauchleidenschaft ihrer Bevölkerung schon um des Staatssäckels willen in jeder nur denkbaren Weise ermutigen und fördern“. Auf lange Sicht könnte dies ein Trugschluss sein, denn bei der Suche nach neuen Steuerquellen ist die Phantasie des Staates schier unerschöpflich.