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Der Wochenrückblick

War alles umsonst?

Was Merzens „Stadtbild“-Spruch so gefährlich macht, und wie sich „Moral“ als Unmoral enttarnt

Hans Heckel
25.10.2025

Wir! Wir! Wir sind das Stadtbild!“ skandierten die Demonstranten auf dem Pariser Platz in Berlin. Auch „Brandmauer hoch!“ riefen sie dort vor dem Brandenburger Tor, wo der Verlauf einer anderen Mauer noch im Pflaster verewigt ist, deren Bau ebenfalls auf eine Initiative von ganz links zurückzuführen war.

Mehr als tausend Leute sollen teilgenommen haben. Damit überstiege die Menge der Demonstranten vermutlich sogar die Zahl der Verbände und NGOs, die zu der Kundgebung aufgerufen oder sie zumindest unterstützt haben. Abermals ein machtvoller Auftritt der „Zivilgesellschaft“ demnach.

Wenn diese Leute das Stadtbild von Berlin sind, fragt man sich in der Tat, wovon Friedrich Merz eigentlich gesprochen hat, als er nörgelte, wir hätten da „dieses Problem“. Schaute man durch die Reihen, bekam man nämlich den Eindruck, der Ausländer- und Migrantenanteil liege in der Hauptstadt bei unter einem Prozent. Denn wir blickten in lauter „Kartoffel“-Gesichter, unter welche sich nur in homöopathischer Dosis eine winzige Minderheit mischte, deren Antlitz darauf schließen ließ, dass ihre Wurzeln zumindest teilweise jenseits der deutschen Grenzen liegen könnten. So „biodeutsch“, rein abstammungsmäßig gesehen, ist uns Berlin schon sehr lange nicht mehr begegnet.

Kurzum: Wem man nicht gesagt hat, dass es sich um eine linke, „antirassistische“ Demo gegen einen christdemokratischen Kanzler gehandelt hat, der hätte glatt auf die Idee kommen können, dass sich hier einwanderungskritische Deutsche versammelt haben, um ihrer Majorisierung durch Zugewanderte entgegenzutreten. Und die deshalb darauf bestehen, dass immer noch sie das „Stadtbild“ von Berlin seien, und nicht fremde Migranten aus aller Welt. Puh!

Von solchen Abwegen wollen wir uns ganz schnell wieder verabschieden, denn die „Wir! Wir! Wir ...“-Rufer haben ein ganz sensibles Problem am Wickel. Seit Jahrzehnten mühen sich verantwortungsvolle Menschen damit ab, den Normaldeutschen deren Alltagsbeobachtungen auszureden. Oder aber zumindest dafür zu sorgen, dass sich der Normalo nicht mehr traut, offen auszusprechen, was er wirklich denkt. Diese zähen Bemühungen zeigen bemerkenswerte Erfolge: Laut einer jüngsten Allensbach-Umfrage hat fast die Hälfte der Deutschen den Eindruck, ihre Meinung zu heiklen Fragen nicht mehr frei äußern zu können. „Frei“ heißt, ohne ernste negative Folgen befürchten zu müssen. Anderen Untersuchungen zufolge ist der Anteil der Zwangsverstummten sogar noch höher.

In diesen Zahlen spiegelt sich der beeindruckende Triumph der Meinungssäuberer, den sie sich nicht ausgerechnet von einem Merz kaputtreden lassen wollen. Der Verweis auf das „Stadtbild“ ist schließlich besonders gefährlich. Denn dieses Bild kann jeder sehen. Es ist unmöglich, die dort erfahrenen Eindrücke einfach unter wunschgemäßen „Studien“ linker Sozialwissenschaftler zu vergraben. Oder hinter dem „Narrativ“ verschwinden zu lassen, wonach es nichts zu sehen gibt, weshalb man schweigend weitergehen möge. Es ist da, das „Stadtbild“ – und jeder kann es erkennen.

Dem edlen Ansinnen, den einfachen Leuten das Maul zu stopfen, kommt so ein Merz-Ausspruch gefährlich in die Quere. Denn er könnte die Bürger zur freien Meinungsäußerung ermutigen nach dem Motto: „Wenn der das sagen darf ...“ Am Ende erzählt jeder ganz offen, was er sieht oder sogar, was er denkt – und schwupp bekämen wir wieder Zustände wie in der alten Bundesrepublik, wo alle frei von der Leber geredet haben. Eine entsetzliche Vorstellung: Sollen 25 Jahre Sprechverbotserziehung und „Cancel Culture“ denn völlig umsonst gewesen sein?

Schweigende Töchter im Sprachkorsett
Zumal Merz, der ja sonst geübt darin ist, eine Position blitzschnell zu räumen, sobald Gegenwind aufkommt, diesmal den Kotau vor Linksgrün frech verweigert hat. Einem Reporter riet er süffisant, doch mal seine eigenen Töchter zu fragen, was er, Merz, mit „Stadtbild“ gemeint haben könnte.

Tja, die Töchter. Gar nicht so leicht vorherzusagen, was die antworten würden. Die 1996 geborene Journalistin Dorothea Schupelius beklagt in der „Welt“, dass junge Frauen und Mädchen viel zu wenig erzählten zu dem Thema. Und sie hat auch eine Ahnung, woher das Schweigen rührt: „Zu eng ist das moralische Sprachkorsett, dass in den vergangenen Jahren geschaffen wurde.“

Das Korsett wirkt beispielsweise so: Die junge Linkspartei-Aktivistin Selin Gören wurde 2016 in Mannheim von mutmaßlich arabischen Tätern vergewaltigt, behauptete bei der Polizei zunächst aber, es sei eine Gruppe gewesen, zu der auch Deutsche gezählt hätten. Später gab sie kleinlaut zu: „Ich habe gelogen, weil ich Angst hatte, dass die Vergewaltigung von Rechts missbraucht wird, um die Hetze gegen Flüchtlinge weiter anzuheizen.“

In etwa zur gleichen Zeit wurde eine junge „Flüchtlingshelferin“ in Berlin zum Opfer eines ihrer Schutzbefohlenen. Erst nach Wochen quälenden Nachdenkens ging sie zur Polizei damit. Doch statt Solidarität mit der Geschundenen zu üben oder wenigstens Mitleid mit ihr zu zeigen, fielen ihre linken Gesinnungsgenossen wegen der Anzeige in einem Empörungssturm über sie her, weil sie „Rassisten“ damit das Feld bestellt habe.

Es war zu befürchten: Am Ende frisst die falsche „Moral“ ihre eigenen Züchter. Da schließt sich der Kreis zu der Erkenntnis, dass jene „Moral“ eben nur mit Lügen und Leugnen oder dem Zwang zum Verschweigen der Wahrheit am Leben erhalten werden kann, womit sichtbar wird, dass es gar keine Moral ist, sondern das genaue Gegenteil davon: eine bizarre Unmoral.

Daher müssen die (Un-)Moralisten immer mit solchem Getöse auftreten und jeden mit maximaler Verdammung an den Pranger stellen, der ein Fitzelchen Wahrheit auszusprechen wagt. Nur mit Krawall lässt sich eine Wirklichkeit aus der Debatte drängen, die im echten Leben niemandem verborgen bleibt. „Rassistische Entgleisung“, bellte der grüne EU-Parlamentarier Erik Marquardt gegen Merz, „Stadtbild. Ich fasse es einfach nicht“, hören wir von der unvermeidlichen Katrin Göring-Eckardt, und die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, nennt Merzens Aussage gar „unanständig“, sie erwarte eine „Entschuldigung“. Es ist ein Defilee der moralischen Verelendung in hochmoralischem Gewand, das da an uns vorbeimarschiert.

Wahrlich pittoresk wird es, wenn die Heuchler von der Wahrheit derart brutal eingeholt werden, dass selbst sie die Realität nicht mehr gänzlich leugnen können. In Berlin fordern die Grünen, dass in U- und S-Bahnen Extra-Waggons nur für Frauen und sexuelle Minderheiten reserviert werden. Zum Schutz, sagen sie. Ach, zum Schutz vor wem denn eigentlich? Es ist eine Wonne mit anzuhören, welche verbalen Purzelbäume die Grünen schlagen, wenn ihnen diese Frage gestellt wird. Und ein Trauerspiel.


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