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Die Journalistin Ira Peter beschreibt in ihrem Buch „Deutsch genug?“ das komplexe Verhältnis vieler Russlanddeutscher zum Deutschsein
Mit „Deutsch genug? Warum wir endlich über Russlanddeutsche sprechen müssen“ legt die Journalistin Ira Peter ein ebenso bewegendes wie aufklärendes Buch über die Geschichte und Gegenwart der 2,5 Millionen Russlanddeutschen in Deutschland vor. Als Spätaussiedlerin, die 1992 im Alter von neun Jahren mit ihrer Familie aus Kasachstan nach Deutschland kam, verwebt Peter persönliche Erfahrungen mit fundierter historischer Analyse – ein Spagat, der ihr mit bemerkenswerter Sachkunde und erzählerischer Präzision gelingt.
Immer noch halten sich in der Gesellschaft Vorurteile gegenüber Russlanddeutschen: Sie seien rechtskonservativ, sprächen nur Russisch und sympathisierten mit Putin. Solchen Klischees begegnet Peter nicht mit pauschaler Zurückweisung, sondern mit einer differenzierten Auseinandersetzung. Sie zeigt, wie Unwissen über die Herkunft und traumatische Vergangenheit dieser Gruppe zu Missverständnissen und pauschalen Zuschreibungen führt. Peter zeigt auch, wie heterogen die Gruppe der Russlanddeutschen ist und warum „Deutschsein“ für sie nie das entscheidende Kriterium war.
Die Autorin beleuchtet, wie die doppelte Diktaturerfahrung – unter Stalin und Hitler – viele Russlanddeutsche bis heute prägt. Sie spricht offen von Scham über die eigene Herkunft, der Sehnsucht nach Zugehörigkeit und dem komplexen Verhältnis zum Deutschsein. In einer Gesellschaft, in der Identität zunehmend zur politischen Frage wird, setzt Peter bewusst ein Zeichen gegen einfache Zuschreibungen. Der Begriff „Russlanddeutsche“ ist ihr selbst fremd – ihre Vorfahren wanderten 1861 aus Ostpreußen nach Wolhynien, damals im Zarenreich gelegen. 1936 wurde ihre Familie nach Kasachstan deportiert. Mit Russland verbindet sie außer der Sprache wenig.
Besonders eindrucksvoll ist, wie Peter, die 2021 in Odessa Stadtschreiberin war und für viele Medien über den dortigen Krieg berichtet, die „postsowjetische Belastungsstörung“, wie sie es nennt, erklärt. Sie beschreibt ein kollektives Gefühl von Verlorenheit, Desillusionierung und in manchen Fällen eine Überidentifikation mit russischer Kultur.
Peters Buch ist faktenreich, manchmal sanft ironisch, gelegentlich auch bitter, aber immer zutiefst menschlich. Ihre Fähigkeit, ohne Pathos über Schmerz, Scham, kulturelle Widersprüche und das Gefühl des Fremdseins zu schreiben
– und damit den Blick zu weiten für die Vielschichtigkeit von Integration und Identität, ist beeindruckend.
Ira Peter: „Deutsch genug? Warum wir endlich über Russlanddeutsche sprechen müssen“, Goldmann Verlag, München 2025, gebunden, 256 Seiten, 22 Euro