22.10.2025

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Hannelore Mosbacher (oben Mitte) leitete auch in diesem Jahr die Werkwoche: Werklehrerinnen und (fast alle) Teilnehmerinnen in der Politischen Bildungsstätte in Helmstedt
Bild: CRSHannelore Mosbacher (oben Mitte) leitete auch in diesem Jahr die Werkwoche: Werklehrerinnen und (fast alle) Teilnehmerinnen in der Politischen Bildungsstätte in Helmstedt

Landsmannschaft Ostpreußen e.V.

Wertvolle Kulturpflege mit Außenwirkung

Die 71. Werkwoche vom 6. bis 12. Oktober in Helmstedt machte ostpreußisches Heimatgefühl erlebbar und sichtbar

Christiane Rinser-Schrut
22.10.2025

Wenn sich jeder ein Werkstück aussuchen würde, ja, das würde ich mir wünschen.“ Marianne P. ist keine junge Frau mehr, sie hat einen westpreußischen Ehemann, Kinder und Enkelkinder, ist tief mit Ostpreußen verwurzelt und besitzt in ihrem Haus ihr ganz persönliches Bernsteinzimmer. Darin bewahrt sie neben ihren Bernsteinschmuckstücken auch die Werkstücke auf, die sie in oder durch die Werkwoche der Landsmannschaft Ostpreußen gefertigt hat. Seit sie aus gesundheitlichen Gründen ihre Schulter nicht mehr so bewegen kann, dass es ihr möglich wäre, das Schiffchen durch das Webgarn zu ziehen, knüpft sie Teppiche. Ein Westpreußen- und ein Ostpreußenteppich sind bereits Teil ihres Zimmers, ein Teppich mit ostpreußischen Seeelementen ist gerade in Arbeit. Ihr Vater stammt aus dem Königsberger Gebiet. Als sie zum ersten mal dort gewesen war, kam ein Gefühl von Heimat in ihr auf, das sie bis heute noch erfüllt.

Diese Heimatliebe ist so generationsübergreifend, dass auch deutlich jüngere Teilnehmerinnen von diesem Gefühl der Heimat in der Fremde berichten. Martina K. hat von ihrer Großmutter einiges über Ostpreußen erfahren. Als sie, ihr Vater ist kurz vor der Flucht geboren, an der Stelle stand, wo ihre ostpreußische Familie gelebt hat, konnte sie ihre Wurzeln spüren. Seitdem war sie auf der Suche, mit Ostpreußen näher in Kontakt zu treten, und damit sind das Land, die Kultur und die Leute gemeint. Da sie selbst gerne handwerklich arbeitet, war die Werkwoche für sie genau der richtige Einstieg. Die Werkwoche ist ein weiterer Schritt, sich mit der eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Viele weitere sollen noch folgen.

So haben alle Teilnehmerinnen einen Ostpreußenbezug, den sie in ihrem Alltag wahrnehmen. Doch tragen sie ihn immer sichtbar nach außen, sei es mit ihrem Bernsteinschmuck, einem Ostpreußenkleid, einer doppelgestrickten Tasche oder einem Jostenband als Hundeleine.

Die Doppelstrick-Technik pflegen
Ein Weiteres verbindet diese rührigen, leistungsfähigen, liebenswürdigen Menschen, sie sind Kümmerer. Sie versorgen pflegebedürftige Männer, helfen Familien in schwierigen Lebenslagen, stricken grüne Socken für Eierstockkrebs- und nähen Herzkissen für Brustkrebspatientinnen und helfen Tieren in Not. Wenn sie etwas körperlich nicht mehr schaffen, werden sie kreativ und entwerfen Hilfsmittel mit denen man beispielsweise auch im Sitzen Jostenbänder weben oder alle nützlichen Utensilien direkt an die Nähmaschine hängen kann. Oder es werden Doppelstrickanleitungen ersonnen, die nicht ein Positiv und ein Negativ zeigen, sondern zwei Positive. Uschi K. ist unermüdlich, wenn es ums Doppelstricken geht. Sie hat für Bewohner in einem Pflegeheim deren jeweiligen Anfangsbuchstaben doppelgestrickt, aber so, dass der Buchstabe von beiden Seiten richtig herum zu lesen ist. So trägt dort jeder Bewohner am Gehwagen oder Knopfloch ein Stück Ostpreußen mit sich herum.

Und ein Drittes verbindet diese Menschen, sie teilen ihr Wissen, ihr Können, ihr Material gern. „Es ist wichtig, dass das Weißsticken als Technik erhalten bleibt“, betont Gerda E., die Nadelkissen bestickt, versäumt, Fäden herausschneidet und alles wieder vernäht. So entsteht mit jedem kleinen Arbeitsschritt ein Kunstwerk.

In der Schneiderstube ging es in diesem Jahr hoch her. Es wurden Blusen, Jacken und Kleider gefertigt, über Stoffe diskutiert und Beispiele gesucht, damit ein Ärmel doch so genäht werden kann und nicht anders muss. Es wurden Mieder der Kleider in Westen umgestaltet, sodass sie besser in den heutigen Alltag passen. Auch so wird Ostpreußens Kultur sichtbar. Ebenso in Form von Musterstrickstücken: Irina R. strickt schneller, als das Auge blicken kann – das ganze Jahr. Socken, die sie verschenkt, bekommen mit dem, was sie während der Werkwoche gelernt hat, eine ostpreußische Note.

Ostpreußen ist ständig präsent
Die Werkwoche ist also mit ihren vielseitigen Teilnehmerinnen ein wahrer Schatz – an Wissen, an Können, an Mitgefühl, an Vorbildern, an Liedern und Tänzen, an Kreativität. Aber auch ein Schatz an Fleiß und Sorgfalt – ein echtes Bernsteinzimmer. Für diesen Schatz nehmen Menschen sogar Urlaub, viele Fahrtkilometer in Kauf, durcharbeitete Nächte und auch ganz viel Frust, wenn ein Stück wieder geöffnet wird, weil sich doch mal ein gravierender Fehler eingeschlichen hat.

So wird die durch Mittel der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien über das Kulturreferat am Ostpreußischen Landesmuseum, Lüneburg geförderte Werkwoche auch in 2026 vom 5. bis zum 11. Oktober stattfinde. Sie wird erneut ein Anlaufpunkt für Menschen sein, die ein Stück Heimat schaffen, sich mit Ostpreußen auseinandersetzen möchten und die Sprache, Lieder, Tänze sowie die Handarbeitstechniken Weben, Jostenbandweben, Weißsticken, Doppel- und Musterstricken pflegen. Und nicht zu vergessen das Schneidern des Ostpreußenkleides samt Unterrock, Jacke und Bluse. Oder einfach mal ganz in dem Gefühl von gelebter Heimat aufgehen, nach dem sich nicht nur die Ostpreußen sehnen. Die Erfahrung eines lebendigen Heimatgefühls schilderte auch der Vorsitzende der LO-Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern Manfred Schukat: „Das Thema Ostpreußen ist bei den Betroffenen mehr oder weniger, aber ständig präsent.“ Und was immer präsent ist, wirkt auch nach außen.


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