27.07.2024

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Wahl in Bayern

30 Prozent rechts der CSU

Für Markus Söder könnte der Sonntag das Ende der Kanzlerträume bedeuten

Peter Entinger
06.10.2023

Um seinen Job in der Münchner Staatskanzlei muss der bayerische Ministerpräsident Markus Söder vor der Wahl am Sonntag im Freistaat nicht fürchten. Wohl aber um seine bundespolitischen Ambitionen. Vor fünf Jahren reichte es für die CSU nur noch zu 37,2 Prozent – zuletzt hatten die Christsozialen 1954 unter der 40-Prozent-Marke gelegen. Über Jahrzehnte bildete die erfolgsverwöhnte CSU eine Alleinregierung, doch dieser Glanz ist längst verblasst.

Behalten die Demoskopen recht, dann wird Söder zwar auch die nächste bayerische Regierung anführen, seiner Partei droht allerdings eine Unterbietung des ohnehin mehr als blassen 2018er-Resultats. Schon vor fünf Jahren war die CSU mit dem Ziel von mindestens 40 Prozent in den Wahlkampf gestartet und gescheitert. Im zu Ende gehenden Wahlkampf sah es lange so aus, als könnten sie dieses Ziel endlich wieder erreichen. Doch dann kam die Aiwanger-Affäre dazwischen. Söder hat seinen Stellvertreter und Freien-Wähler-Chef zwar entgegen allen Prognosen nicht fallengelassen, aber profitiert hat er von seinem Krisenmanagement auch nicht. Die Freien Wähler, bisher artiger Juniorpartner in der Koalition, legten dagegen in allen Umfragen zu und erreichten zwischenzeitlich Spitzenwerte von bis zu 17 Prozent. Zuletzt sagten die Demoskopen der Partei 15 bis 16 Prozent voraus, was immer noch deutlich über dem Wahlergebnis von 11,6 Prozent bei den Wahlen von 2018 läge.

Fehler, Aiwanger zu unterschätzen
Einige hatten hämisch gegrinst, als Söder vor fünf Jahren den niederbayerischen Politiker und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger zum Wirtschaftsminister machte. Vor allem in den Reihen der CSU war die Hoffnung groß, der populäre Redner würde sich im Amt entzaubern. Doch Aiwanger hat sich verselbstständigt. Durch eine regierungskritische Rede im Sommer in Erding gelangte er zu bundesweiter Popularität. Söder wurde an Ort und Stelle ausgepfiffen. Seitdem gilt das Verhältnis der beiden als kühl.

In der CSU heißt es, es sei ein Fehler gewesen, Aiwanger zu unterschätzen. Den Fehler hat übrigens auch die AfD gemacht. Aiwanger sei ein Steigbügelhalter der Etablierten, hatte AfD-Landeschef Stephan Protschka noch vor Monaten gelästert. Jetzt müssen die „Blauen“ mit ansehen, wie die Freien Wähler in allen Umfragen an ihnen vorbeigezogen sind.

Plötzlich gibt es dort Konkurrenz, wo nach den Worten des CSU-Übervaters Franz Josef Strauß gar nichts existieren dürfte: rechts von der CSU. Freie Wähler und AfD kommen in den Tagen vor der Wahl zusammen auf gut 30 Prozent der Stimmen. Vor fünf Jahren erreichte die AfD nur etwas mehr als zehn Prozent. Das wurde damals als Erfolg verbucht, auch mit dem Verweis auf die lokal stark verankerten Freien Wählern.

Zwar ist das Migrations-Thema in allen Umfragen der Wahlkampf-Aufreger Nummer eins, doch richtig Fahrt hat die AfD-Kampagne nicht aufgenommen. Mal 13, mal 14, mal zwölf Prozent sagen die Meinungsforscher der Partei voraus. Das ist im Vergleich zu den bundesweiten Werten wenig.

Von einer „Zerfaserung und Zersplitterung“ der Parteienlandschaft hat CSU-Chef Söder beim Parteitag der Christsozialen gesprochen. Und so ist das Rennen um Platz zwei tatsächlich eine der wenigen offenen Fragen. Freie Wähler und Grüne liegen Kopf an Kopf, einige Punkte dahinter die AfD. Ob die Lampedusa-Krise doch noch Protestwähler zur AfD treiben könnte, wollten Demoskopen vor der Wahl nicht sicher sagen. Ausgeschlossen ist es nicht.

Ein mittleres Wunder benötigt dagegen die FDP. Der durchaus eloquente und bekannte Spitzenkandidat Martin Hagen wähnte seine Truppen noch vor wenigen Monaten sicher im Parlament. Doch dann brach die Kampagne gegen Aiwanger los. Hagen machte das, was Liberale in solchen Zeiten gerne tun. Er schlug sich auf die Seite der empörten Linken und forderte den Rücktritt des Wirtschaftsministers. Mit der Folge, dass einige Sympathisanten seiner Partei zu den Freien Wählern abwanderten. Lediglich drei Prozent würden die Liberalen in den Tagen vor der Wahl wählen.

SPD-Übertritte zu Freien Wählern
Markus Söder wird das herzlich egal sein. Er hat sich bereits auf eine Fortsetzung der Koalition mit Aiwangers Partei festgelegt. Ein Bündnis mit den Grünen wäre der Basis nicht vermittelbar, und die SPD, die wohl auf Platz 5 landen wird, spielt im Freistaat fast keine Rolle. Als letzten Nasenstüber mussten die ohnehin am Boden liegenden bayerischen Sozialdemokraten verkraften, dass die beiden SPD-Stadträte in Aiwangers Heimatstadt Rottenburg an der Laaber nur Tage vor der Landtagswahl ihren Übertritt zu den Freien Wählern angekündigt haben. Damit protestieren sie nach eigenen Worten gegen das ihrer Meinung nach unfaire Verhalten der SPD in der Flugblatt-Affäre um Aiwanger und dessen Bruder Helmut.

Bloß wieder stärkste Partei zu werden wird Söder nicht reichen, will er nach der Wahl in Sachen Kanzlerkandidatur der Union ein Wörtchen mitreden. Übertrifft er das 2018er-Ergebnis nicht, könnte im Freistaat überdies erstmals die Diskussion aufkommen, ob es in der CSU nicht jemanden gibt, der künftig bessere Ergebnisse einfahren könnte. Mit Verlierern waren die Christsozialen selten zimperlich.


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Kommentare

Michel Scheurer am 15.10.23, 08:51 Uhr

Entgegen der Meinung meines Vorredners halte ich es für ein gutes Zeichen, daß trotz der versuchten Zerschlagung des bürgerlichen Lagers nach der Ära Kohl die CDU bzw. CSU in beiden wählenden Bundesländern nach wie vor die stärkste Kraft darstellt. Es ist sicher wahr, daß es auch in der AfD anständige Menschen gibt, die dort vermutlich sogar die Mehrheit stellen, die aber von einer kleinen Clique völkisch-rechtsradiakaler Spinner in Haftung genommen werden! Umso wichtiger wäre es sich daran zu erinnern, daß die Zeiten, in denen Deutschland von einer Koalition aus CDU/CSU und FDP regiert worden ist nicht die schlechtesten gewesen sind!

sitra achra am 09.10.23, 15:36 Uhr

Rechts der CDU verorten sich nur anständige Menschen.
Wird Zeit, dass diese Demokratieattrappe namens CSU im Orkus landet. Ich verstehe einfach nicht, was sich deren Wähler von dieser fortschrittsfeindlichen und trägen Honoratiorenpartei erwarten. Wahrscheinlich das Festkleben in Rückständigkeit. Die anderen Parteien in BY sind auch nicht besser, außer vielleicht die AfD.

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